Hohenlimburg. Catherine Gaertig hat viele Mütter in Hagen rund um die Geburt unterstützt - und eröffnet nun einen Laden für Wolle. Das ist ihre Geschichte:
Papierzettel sind im digitalen Zeitalter selten, doch für Catherine Gaertig hat es sich gelohnt, den Stift in die Hand zu nehmen. Denn ihr handgeschriebener Zettel wurde zum Türöffner für ihren Wollladen, den sie jüngst in einem alten Fachwerkhaus in Hohenlimburg eröffnen konnte. Zufällig lief sie an den Schaufenstern des alten Häuschens vorbei, in dem bis vor elf Jahren die Bäckerei Grobe ihre Waren unterm Schlossberg verkauft hat. Um Kontakt zum Eigentümer aufzunehmen, schrieb sie einen Zettel und klemmte ihn an die Eingangstür - mit Erfolg.
Gebürtige Amerikanerin
Ein paar Wochen ist das her und als Catherine Gaertig sich zurückerinnert, muss sie lächeln. Sie sitzt in ihrem neuen Wollladen und strickt. Wer aus dem Fenster schaut, der blickt in die tiefdunkle winterliche Abenddämmerung. Hinter Catherine Gaertig liegen bunte Wollknäuel in Regalen, vor ihr dampft eine Tasse Tee. Irgendwie gemütlich - oder „cozy“, wie die gebürtige Amerikanerin in ihrer Muttersprache sagen würde. Sie stammt aus dem Umland der lauten Weltstadt New York. Wie hat es sie in das beschauliche Hohenlimburg verschlagen?
Ausgewandert und eingewandert
„Mein Mann stammt aus Hohenlimburg“, erzählt sie. An der Universität in den Staaten hatte sie Deutsch als Fremdsprache, kam zu einem Auslandssemester nach Konstanz - und kehrte bald wieder zurück. „Es hat mir so gut gefallen, dass ich wiederkommen wollte.“ Sie lernte ihren Mann kennen, gemeinsam wanderten sie in die Vereinigten Staaten aus, um vor 13 Jahren mit zwei Kindern wieder als Einwanderer nach Deutschland zurückzukehren. Sieben Tage arbeiten, keine Krankenversicherung, zwei Jobs - so sah das Leben in Amerika für sie aus, erzählt Catherine Gaertig. Ein Leben, welches sie und ihre Familie sich so nicht auf Dauer wünschten.
„Ich habe die Arbeit mit Herzblut gemacht, aber sie hat mich irgendwann nicht mehr glücklich gemacht. Und wenn du in deinem Leben nicht zufrieden bist, dann musst du etwas ändern.“
„Ich wollte in Deutschland beruflich tätig sein und habe deshalb eine Ausbildung zur Doula gemacht.“ Als Geburtsbegleiterin und später als Hebamme arbeitete sie einige Jahre bis in die Zeit der Corona-Pandemie. Die Arbeit bereitete ihr Freude, die Rahmenbedingungen sorgten für Frust. Schlechte Bezahlung, zu viel Arbeit, zu wenig politischer Rückhalt. „Ich habe die Arbeit mit Herzblut gemacht, aber sie hat mich irgendwann nicht mehr glücklich gemacht“, sagt die 43-Jährige, „und wenn du in deinem Leben nicht zufrieden bist, dann musst du etwas ändern.“
Stricken in der Freizeit
In ihrer Freizeit hatte sie da längst schon mit dem Stricken angefangen, als Hobby. „Es ist meditativ, entspannt und kommunikativ. Man lernt neue Leute kennen.“ Ihr Garn färbt sie selbst. „Ich wollte handgefärbtes Garn ausprobieren und habe dabei gemerkt, wie das meine künstlerische Seite belebt hat“, sagt Gaertig, deren Großvater als Maler gearbeitet hat und deren Bruder in der amerikanischen Heimat große Segel für die Schifffahrt fertigt. „Der Unternehmergeist liegt irgendwie in der Familie“, sagt sie und lacht.
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Sie ging auf Wollmessen, besuchte Strickfestivals und baute einen eigenen Onlineshop auf, um ihr handgefärbtes Garn zu verkaufen. Hohe Qualität und tier- und umweltfreundliche Produktion, das sei ihr wichtig. Der erste eigene Wollladen in der einstigen Bäckerei Grobe ist für ihren Verkauf der nächste Schritt. Vermieter und Bäckermeister Michael Grobe freut sich über das neue Gesicht, das seine frühere Backstube belebt. Eine gute Ergänzung zu den Nähkursen, die seine Schwester schon seit längerem regelmäßig in der leerstehenden Bäckerei gibt. „Beides passt gut zusammen.“
Treffpunkt zum Stricken
Dass Catherine Gaertig ihre Ware nun nicht mehr nur online verkauft, sondern auch in einem Laden, freut auch ihre Kundin Gabi. „Es ist für uns Garn-Liebhaber wichtig, die Wolle zu fühlen“, sagt die Hagenerin. „Und deswegen umso besser, wenn man einen Ort hat, wo man hingehen kann.“ Sie sitzt an diesem Abend gegenüber von ihrer Garn-Lieferantin des Vertrauens und strickt. Jeden Donnerstag lädt Catherine Gaertig zum „Faser-Café“. Ein Treffpunkt zum Stricken, zum Häkeln, Spinnen oder Sticken. „Wer gerne kommen will, der muss auch nicht zwingend mein Garn benutzen.“
Job als Archivarin
An zwei Tagen, donnerstags und samstags, öffnet Catherine Gaertig ihren Wollladen. Interessierte können auch einen Termin vereinbaren oder im Online-Shop bestellen. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, dafür allein reicht der Verkauf von handgefärbtem Garn und Strickzubehör allerdings nicht. „Ich arbeite noch in einem Archiv“, sagt Catherine Gaertig.