Hohenlimburg. .
Sie gehörte zum Stadtbild wie die Kaltwalzer-Statue an der Stennertstraße oder das Möller-Denkmal auf der Heide: Die kleine Bäckerei Grobe war aus Hohenlimburg nicht wegzudenken. War. Denn der Familienbetrieb An der Kehle schließt heute um 18.30 Uhr seine Pforten. Für immer.
„Da hängt so viel dran“, sagt Bäckermeister Michael Grobe – und man merkt, dass ihm die Worte nicht leicht über die Lippen kommen. Sein Leben lang wohnt der heute 47-Jährige in dem verwinkelten Fachwerkhaus, die Backstube und der Verkaufsraum sind schon seit Kindeszeiten mehr als nur der elterliche Arbeitsplatz. Hier wird Michael groß, hier erfährt er von seinem Vater Walter früh die Kniffe eines guten Bäckers, ehe er den Familienbetrieb 1998 gemeinsam mit seiner Schwester Annette Rosenthal schließlich übernimmt.
Mehr als Brötchen und Kuchen
Doch wie schon ihre Eltern, so boten auch die Geschwister ihren Kunden stets mehr an als selbst gebackene Brötchen, Brote, Kuchen oder Plätzchen. „Jeden Tag kamen Menschen, die einfach ein bisschen sprechen wollten“, erzählt Annette Rosenthal. „Da ist über all die Jahre viel gewachsen.“ Wenn der Backofen aber ab morgen kalt bleibt, dann ist auch die Zeit der zwischenmenschlichen Kontakte und des Plausches über die Theke vorbei. „Und das“, sagt Annette Rosenthal, „finde ich fast am schlimmsten.“
Es sei ein schleichender Tod gewesen, der unausweichlich zur Geschäftsaufgabe führte, erläutert ihr Bruder. Angefangen habe es mit der Euro-Umstellung, als der Hohenlimburger Familienbetrieb korrekt umgerechnet, die Zuliefererbranche jedoch ordentlich auf die Preise draufgeschlagen habe. „Auch das Kaufverhalten der Leute hat sich extrem verändert“, fährt Michael Grobe fort. „Richtig gefrühstückt wird ja fast gar nicht mehr und eingekauft nur noch alles auf einmal in einem großen Geschäft.“
Vorbei die Zeiten, als Hoesch- und Krupp-Malocher nach der Nachtschicht allmorgendlich die Tüte Brötchen kauften und dabei noch mal kurz über Gott und die Welt plauderten. Und die Jahre, als die Bäckerei Grobe regelmäßig Traditions-Wirtschaften wie den Hohenlimburger Hof oder Haus Busch belieferte, sind ohnehin längst Geschichte.
Und nicht zuletzt habe die Vielzahl an Baustellen ihren Teil zum Ende der Bäckerdynastie beigetragen. Zuerst wurde An der Kehle und an der Jahnstraße gearbeitet, danach das große Brückenprojekt in Angriff genommen. „30 Jahre zu spät“, findet Michael Grobe. Während der Bauarbeiten bestand lange keine Durchfahrtmöglichkeit von der Innenstadt zur Jahnstraße, mittlerweile nehmen die Autofahrer die neue Strecke, um in die Nahmer oder in die Wesselbach zu gelangen. An der kleinen Bäckerei fahren nur noch wenige vorbei.
Da nutzt es auch nichts, dass in den vergangenen Tagen viele Stammkunden Hamsterkäufe tätigten und sich mit Brotspezialitäten eindeckten, um sie einzufrieren. Wenn Familie Grobe heute Abend zum letzten Mal den Schlüssel in der Tür umdreht, stehen die Maschinen in der Backstube fortan still. Robuste Maschinen, die teilweise über 40 Jahre auf dem Buckel haben und noch immer tadellos funktionieren. Und die trotzdem – wie die Räume der Bäckerei auch – momentan vor einer ungewissen Zukunft stehen. „Denn wer will denn so alte Geräte haben, auch wenn sie noch in Ordnung sind?“, fragt Michael Grobe.
Neue Stelle gefunden
Und doch – eine positive Nachricht kann der 47-Jährige vermelden: Nach zahlreichen Bewerbungen hat er unlängst eine neue Anstellung bei der Vollkornbäckerei Niemand gefunden. „Das war für meine Eltern das Wichtigste“, konnte er Mutter Martha und Vater Walter damit zumindest eine große Sorge nehmen.
Dass die Familie trotz der Hiobsbotschaft zusammenhält, wird sie heute einmal mehr unter Beweis stellen. „Wenn im Geschäft Feierabend ist, gehen wir alle zusammen einen trinken“, sagt Michael Grobe. Es hat vermutlich schon fröhlichere Anlässe gegeben.