Düsseldorf. . Den Parteien in NRW fehlt im Landtagswahlkampf das zündende Thema. Sie setzen lieber auf ihr Spitzenpersonal. Dabei kommt der SPD der Amtsbonus von Hannelore Kraft zu Gute. Der Spitzenkandidat der CDU steht dagegen nicht so gut da.
Die Delegierten hatten sich gerade warm geklatscht, als Grünen-Landeschefin Monika Düker am Sonntag beim „Kleinen Parteitag“ in Mülheim mit einer baren Selbstverständlichkeit die Stimmung im sonnendurchfluteten Tagungssaal drückte: „Die Landtagswahl ist keine Direktwahl der Ministerpräsidentin“, warnte sie. Die Grünen müssten deutlich machen, dass es am 13. Mai um die Zukunft des einwohnerstärksten Bundeslandes gehe.
Zwei Wochen nach der Selbstauflösung des Landtags läuft die Frühphase des NRW-Wahlkampfes anders, als es viele erwartet hatten. Weder spielt der gescheiterte rot-grüne Landeshaushalt 2012 als eigentlicher Anlass für die Neuwahlen in der Öffentlichkeit eine nennenswerte Rolle, noch gibt es bislang ein beherrschendes Streitthema.
Debatte um Röttgen schadet der CDU
Stattdessen haben die Wahlforscher des Instituts Infratest Dimap eine starke Personalisierung festgestellt. Die für eine Landtagswahl sehr prominenten Spitzenkandidaten Hannelore Kraft (SPD), Norbert Röttgen (CDU), Sylvia Löhrmann (Grüne) und Christian Lindner (FDP) mobilisierten. Am meisten profitiere jedoch die SPD, die von der beliebten Ministerpräsidentin Kraft auf den lange nicht mehr errechneten Fabelwert von 40 Prozent gehievt werde.
Obwohl die CDU gleich am Tag der Parlamentsauflösung das erste Wahlplakat präsentierte, ist es mit dieser Blitzaktion nicht gelungen, die Botschaft einer „Schuldenkönigin Kraft“ nachhaltig zu setzen. Die Überzeichnung der NRW-Finanzprobleme als „griechische Verhältnisse“ entspricht offenbar nicht dem Lebensgefühl an Rhein und Ruhr.
Vor allem aber schadet der Union die Endlosdebatte über die politische Zukunft Röttgens. Egal, was der Bundesumweltminister auch vorschlägt, propagiert oder kritisiert – stets wird er gefragt, ob er künftig in Düsseldorf arbeiten werde. „So geht’s nicht weiter“, wird im CDU-Landesvorstand geklagt. Zumal Röttgens Hantieren mit Karriereoptionen der totgesagten FDP womöglich hilft, wichtige Stimmen abzugraben.
Neun Auftritte von Kanzlerin Merkel sollen Schwung bringen
Nach einem verkorksten Wahlkampf-Auftakt versucht die NRW-CDU, die Stimmung zu drehen. Generalsekretär Oliver Wittke will heute sein Konzept bis zum 13. Mai erläutern. Gleich neun Auftritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel sollen Schwung in die Kampagne bringen.
Zudem hofft die CDU, dass sich die Debatte über die politische Zukunft von Spitzenkandidat Norbert Röttgen totläuft. Zugleich muss die Benennung einer Regierungsmannschaft mehr Fantasie entzünden. Bislang hat Röttgen nur seine Staatssekretärin Ulla Heinen-Esser als mögliche Ministerin präsentiert.
Die für gestern vorgesehene Vorstellung eines weiteren Mitglieds des Schattenkabinetts wurde kurzfristig abgesagt. Als Kandidaten gelten etwa die Ex-Landesminister Armin Laschet (Integration) und Karl-Josef Laumann (Arbeit/Soziales) sowie die junge Landtagsabgeordnete Christina Schulze Föcking (Landwirtschaft).
SPD-General hat der Partei den "Gute-Laune-Wahlkampf" verordnet
Der SPD kommt der thematisch laue Auftakt offenbar gelegen. Im Zentrum des „Gute-Laune-Wahlkampfs“, den Generalsekretär Michael Groschek der Partei verordnet hat, steht die Ministerpräsidentin. Kraft verbindet ihren Amtsbonus mit der gefühligen Plakat-Botschaft „NRW im Herzen“. Derweil amtiert ihre Regierung weiter und darf schöne Nachrichten produzieren wie den angeblich beschleunigten Zuwachs an Kita-Plätzen.
Programmatisch ist wenig Neues zu erwarten. Der Kaltstart nach einer abgebrochenen Legislaturperiode muss auch kreative Papiereschreiber in den Parteizentralen überfordern. Wichtige Punkte aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag sind abgearbeitet, vor allem der mit der CDU geschlossene Schulfrieden. Deshalb dürfte die einst stark umkämpfte Bildungspolitik diesmal kaum Angriffsfläche bieten. Ob Röttgen die von Rot-Grün eingeführte Beitragsfreiheit in Kindergärten oder an Unis massiv attackiert, erscheint fraglich. Viele Eltern und Studenten profitieren vom Nulltarif. Weitere umstrittene Gesetzesvorhaben liegen auf Eis. Um einen verschärften Nichtraucherschutz oder die Regulierung der Ladenschlusszeiten muss sich die neue Regierung kümmern.
Die Piraten legen zu
Bis zu den Osterferien sind die Parteien mit sich selbst beschäftigt. Gleich vier Parteitage stehen am Wochenende an. Es geht vor allem ums Personal: SPD, Grüne, Linke und FDP küren ihre Spitzenkandidaten und legen ihre Reservelisten fest. Am Mittwoch zieht die CDU nach.
Nur für die Piraten, die ihre Mitgliederzahl in NRW binnen vier Monaten um fast 1000 auf 3800 erhöht haben, scheinen die üblichen Gesetze nicht zu gelten. Die Partei ist im Aufwind – und das, obwohl ihren Spitzenkandidaten keiner kennt und sie inhaltlich kaum auszurechnen sind.