Berlin. . Die anderen Parteien tun sich schwer mit dem Erfolg der Piratenpartei die ihrerseits schon die nächsten Beutezüge planen. Vor allem aus Wut auf die etablierten Parteien machten die Wähler an der Saar ihr Kreuzchen bei den Piraten. 85 Prozent hätten die Politik-Neulinge nur aus Protest gewählt, geht aus einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen hervor.
Beseelt vom Wahlerfolg im Saarland zeigte Piraten-Chef Sebastian Nerz Zockernaturell. Er habe mit verschiedenen Leuten gewettet, dass die Partei in alle Landtage einziehe, bekannte er. Nun ja, allzu pleitebedroht scheint die Wette nicht mehr. Nach der Saarlandwahl sind die Piraten immerhin auf gutem Wege in die Landesparlamente von NRW und Schleswig-Holstein und zur – vorerst – etablierten Kraft im politischen System. Mit sechs bis sieben Prozent rechnet Forsa-Chef Manfred Güllner an Rhein und Ruhr und hält deren Einzug in den Bundestag für machbar.
Der Leiter von Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, sieht die „realistische Chance“, dass sich die Piraten dauerhaft etablieren. „Dann fungieren sie aber eher als Protestpartei und nicht als inhaltliche Alternative, wie es einst bei den Grünen der Fall war“, sagte Jung der WAZ.
Bei der FDP liegen die Nerven blank
So war es die Wut auf die etablierten Parteien, die die Piraten trotz fehlender Strukturen an der Saar auf 7,4 Prozent der Wählerstimmen katapultierte. 85 Prozent hätten die Politik-Neulinge deswegen gewählt, geht aus einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen hervor. Für nur sieben Prozent waren Inhalte ausschlaggebend. So verloren SPD, Grüne, Linke und FDP jeweils tausende Stimmen an die Piraten, die auch 23 Prozent der Neuwähler für sich gewinnen konnten.
Anders als im Saarland, wo die Zeichen von vorn herein auf Große Koalition standen, gebe es in NRW einen klassischen Lagerwahlkampf, so Jung. Das könne den Wahlerfolg der Piraten mindern.
Grüne wollen Piraten 'stellen'
Wie blank die Nerven bei der Konkurrenz dennoch liegen, zeigt sich bei der FDP. Nach dem Wahldesaster von 1,2 Prozent ätzte Generalsekretär Patrick Döring in Richtung der Piraten, deren Politikbild sei durch die „Tyrannei der Masse“ geprägt. Dafür gab es giftige Kommentare von der Internet-Gemeinde.
Dörings Attacke ist erklärbar, weil die Piraten der NRW-FDP bei den Bürgerrechten das Wasser abgraben könnten. Für die Grünen könnte es bitter werden, wenn die Novizen in deren Stimmen-Sammelbecken, den jungen Nichtwählern, fischen. Grünen-Landeschef Sven Lehmann: „Zu Klimaschutz, Gerechtigkeit und nachhaltiger Haushaltspolitik kommt von den Piraten nichts. Das werden wir im Wahlkampf deutlich machen.“
Auch auf Bundesebene haben die Parteien kein Konzept im Umgang mit den Piraten. In vielen Punkten sind sie nicht zu packen, weil sie noch keine Position haben. Auch auf der personellen Ebene bieten die Piraten kaum Angriffsflächen, da sie ihre Spitzenleute nicht in den Vordergrund drängen.
Piraten als Protestpartei - "das trägt nicht langfristig"
Angesprochen auf die Piraten behaupten die Grünen gerne, dass sie bei netzpolitischen Themen weiter sind als die Piraten. Eine Erfolg versprechende Kleinhalte-Strategie für 2013 hat die Parteispitze aber noch nicht. SPD-Internet-Experte Lars Klingbeil sieht bei seiner Partei Nachholbedarf in puncto Digitalisierung und Netzwelt. Kanzlerin Angela Merkel wiederum adelte die aufstrebende Partei nun mit den Worten, die CDU wisse genau, „dass die Piraten ein gewichtiger Faktor sind“.
Ob das auf lange Sicht so bleibt, bezweifeln Experten. Die Piraten seien neu, anders, Projektionsfläche und Protestpartei, sagt der Parteienforscher Carsten Koschmieder „Aber das trägt nicht langfristig.“ Zudem würden die Piraten umso stärker entzaubert, je mehr sie sich etablierten. Doch das dürfte erst nach dem Einzug in den Bundestag so weit sein. „Dann“, sagt Forsa-Chef Manfred Güllner, „kommt der Praxistest.“