Witten. Tattoo-Lehrling Robin Wolf Karow und seine Chefin sprechen über die Ausbildung als Tätowierer, aktuelle Trends und Bilder, die ans Herz gehen.
Robin Wolf Karow (20) wird in Witten zum Tätowierer ausgebildet. Sein Weg in die Ausbildung war schwieriger als gedacht. Ursprünglich wollte Robin bei Sam‘s Tattoos sein Schülerpraktikum absolvieren. Warum ausgerechnet in einem Tattoo-Studio? Die Idee kam von seiner Mutter, die bereits Kundin in dem Studio war. Auf ihren Rat hin hat sich Robin Ende des Jahres 2019 beworben und wurde angenommen. Ende März 2020 sollte es für ihn losgehen. „Er war gerade drei oder vier Tage für das Praktikum da. Und dann kam der Lockdown. Als der zu Ende war, war seine Praktikumszeit abgelaufen“, erinnert sich Inhaberin Marion Geffert (59).
Doch der damals 16-Jährige ließ sich davon nicht aufhalten. Zwischen den Lockdowns opferte er seine Freizeit und kam in den Laden. Dort hat er gezeichnet, kleinere Arbeiten erledigt und den Profis beim Stechen über die Schulter geschaut. Tätowieren durfte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht - das darf man erst ab dem 18. Lebensjahr. Die Chefin war von seinem Einsatz so beeindruckt, dass sie ihm anbot, zu bleiben und weiterzulernen.
Als Kind hat er noch Comics gezeichnet, heute tätowiert er in Witten
Aber wie hat Robin das Handwerk gelernt? In seiner Kindheit hat er gerne gezeichnet und sogar eigene Comics entworfen. Doch reines Talent reicht nicht aus. „Man muss lernen, so zu zeichnen, dass man es am Ende auch tätowieren kann“, erklärt der Azubi. Viele Anfänger würden zu detailliert zeichnen. Das mag zwar auf einem Blatt Papier beeindruckend aussehen, funktioniert aber nicht zwingend unter der Haut. Denn die Bilder verändern sich mit der Zeit. „Wenn man zu viele Details im Bild hat, laufen die Farben nach Jahren irgendwann zusammen und man hat dann an der Stelle nur noch einen schwarzen Fleck.“
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Vor seiner Ausbildung habe er „einfach drauflos gezeichnet“ und keine Skizzen angefertigt: ein Fehler. Ein Profi sehe sofort, wenn Proportionen nicht stimmen oder ein Schatten falsch gesetzt ist. Sechs oder sieben Wochen habe ihn sein Ausbilder Dima Schmidt zeichnen lassen, erst dann durfte sich Robin an der Tätowiermaschine ausprobieren. Geübt wurde aber nicht am Menschen, sondern auf Kunsthaut. Früher hat man dafür Schweinehaut genommen, heute gibt es Übungsmatten aus Silikon.
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Mama und Papa sind die ersten Versuchskaninchen
Weil die Arbeit am Menschen letztlich nicht ersetzt werden kann, brauchen Azubis experimentierfreudige Freunde und Verwandte. Die ersten Stiche hat Robin - kurz nach seinem 18. Geburtstags - bei seiner Mutter und seinem Vater gesetzt. Ihre Tattoos waren ausgeblichen, seine Aufgabe war es, die blassen Linien nachzuziehen. Solche Restaurationsarbeiten - auch Nachstechen genannt - seien ideal für Auszubildende, weil man hier weniger falsch machen könne, erklärt Chefin Geffert.
Azubis würden aber auch für Rettungsaktionen an „versauten Tattoos“ herangezogen. Der Clou: Die Kunden müssen nichts bezahlen. „Unser Einsatz ist Material, Robins Einsatz ist, besser zu werden und der Kunde stellt sich gratis zur Verfügung“, so Geffert. Wer sich zum Tätowierer ausbilden lässt, müsse erstmal auf Bezahlung verzichten. Geld gibt es nur für Arbeiten, die der Kunde zahlt.
Auch bei Tattoos: Jeder Trend kommt zurück
Nachdem er sich bei diesen Arbeiten bewiesen hatte, durfte Robin sein erstes eigenes Motiv stechen, eine Rose im Old-School-Stil. Solche Bilder der „alten Schule“ sind meist bunt, haben dicke Außenlinien und rangieren stilistisch zwischen dem wilden Westen und asiatischer Kunst. Er sticht aber auch gerne verschnörkelte Schriftzüge. Aber warum erlernt man einen alten Stil?
In ihrer Branche laufe es so, wie in der Mode auch. Alles, was mal war, komme wieder, so Marion Geffert, die seit 1997 im Geschäft ist. Momentan sei die Fineline-Technik im Trend - also Bilder mit möglichst feinen Linien. Aber auch die Old-School-Variante sei wieder im Kommen. Erinnerungstattoos entziehen sich den Trends: „Geburtsdaten, Todesdaten und Unendlichkeitsschleifen. Die heißen nicht umsonst so, die kommen wirklich unendlich“, so die Expertin.
Bei diesen Motiven wird es emotional
Dabei kann es auch ziemlich emotional werden. Porträts von Sternenkindern, ein Tattoo für die an Krebs verstorbene Tochter oder einen Abschiedsbrief vom Ehemann, gehen an die Substanz. „Wir mussten auch schonmal Sitzungen unterbrechen, sowohl von Kunden- als auch von Tätowiererseite“, sagt Geffert. Fertig geworden seien die Bilder aber immer. „Die Menschen sind noch Monate später zu uns gekommen und haben sich bedankt“, sagt Geffert.
Robins nächstes Motiv hat keine übertragene Bedeutung. Cool soll es aussehen, so wünscht es sich der 18-jährige Florian Bleske. Er will sich einen Blitz stechen lassen, der sich von seiner rechten Schulter über den Oberkörper ausbreitet. Ein Freund (17) leistet ihm heute Beistand. Auch er interessiert sich für ein Tattoo - den Namen seiner Mutter. Ob sie die Erlaubnis unterschreibt?
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