Neviges. Die Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen in Velbert-Neviges findet auch ein Stadthistoriker als Experte spannend und aufschlussreich.

Kein freier Stuhl im Foyer des Deutschen Schloss- und Beschlägemuseums in Velbert, groß ist das Interesse an dem Vortrag, zu dem der Bergische Geschichtsverein, Abteilung Velbert-Hardenberg, eingeladen hat. Archäologe Sven Knippschild erklärte das Ergebnis der Ausgrabungen in Velbert-Neviges auf der Baustelle des früheren Krankenhausgeländes. Dort, wo zurzeit an der Tönisheider Straße sechs Häuser mit 53 Eigentumswohnungen entstehen, gab es von 1785 bis 1819 einen Friedhof, eine Kirche und einiges mehr, das auch Grabungsleiter Sven Knippschild und sein Team überraschte.

Friedhof in Velbert-Neviges wurde überbaut

Zum Hintergrund: Als 1890 auf dem Gelände an der Tönisheider Straße das damalige Piuskrankenhaus gebaut wurde, schien trotz des bestehenden Katasterplans niemanden zu interessieren, was sich im Boden befinden könnte – der Friedhof wurde einfach überbaut. Das Wuppertaler Unternehmen „Pro Objekt“ kaufte das 8000 Quadratmeter große Grundstück im Jahr 2019 und ließ das Elisabeth-Krankenhaus für den Neubau von 53 Eigentumswohnungen abreißen. Nach einer Vorgabe des Landschaftsverbandes Rheinland – Amt für Bodendenkmalpflege sah sich die Grabungsfirma „EggensteinExca“ das Gelände im Herbst 2020 an, fand erste Fundamente einer Kirche und deutliche Hinweise auf den zugehörigen Friedhof. Den eigentlichen Grabungsauftrag erteilte dann der Investor „Pro Objekt“, der auch die Kosten trägt. Geschäftsführer Wolf Neudahm schätzt sie auf insgesamt 60.000 Euro.

Archäologen bergen 201 Gräber

Archäologe Sven Knippschild, Grabungsleiter auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses in Velbert-Neviges, erläutert die Ergebnisse seines Teams.
Archäologe Sven Knippschild, Grabungsleiter auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses in Velbert-Neviges, erläutert die Ergebnisse seines Teams. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

„Wir waren insgesamt 110 Grabungstage vor Ort, haben auf einer Fläche von 1500 Quadratmeter gegraben“, berichtet Archäologe Sven Knippschild. 201 Gräber wurden geborgen, die Skelette behutsam freigelegt, gesäubert und dokumentiert. Nach Rücksprache mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege zog man auch Anthropologen hinzu. Denn Expertinnen und Experten, die sich mit der Entwicklungsgeschichte des Menschen befassen, können anhand der Knochen zum Beispiel ablesen, wie das Arbeitsleben zu jener Zeit aussah, in welchem gesundheitlichen Zustand die Menschen waren.

Gedenktafel geplant auf Friedhof in Velbert-Neviges

Vorsichtig kratzt Grabungshelfer Gregor Boksch im Sommer 2021 ein Skelett frei auf der Baustelle an der Tönisheider Straße in Velbert-Neviges.
Vorsichtig kratzt Grabungshelfer Gregor Boksch im Sommer 2021 ein Skelett frei auf der Baustelle an der Tönisheider Straße in Velbert-Neviges. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Zwei Skelettfunde beschrieb Grabungsleiter Sven Knippschild dabei näher: So habe man einen etwa 50-jährigen Mann ohne Kopf aufgefunden und eine Frau zwischen 40 und 60 Jahren alt, „klein mit grazilen Knochen“. Auffallend dabei: Sie lag im Grab mit einer Katze um den Hals. Das könne bedeuten, dass die Tote als „Hexe“ galt, so der Archäologe, dies sei jedoch nur eine Vermutung. Für eine Hexenverfolgung in Neviges gebe es ansonsten keine Anhaltspunkte. Die Skelette, die nicht wie geplant in einem Museum ausgestellt werden, sollen im Frühjahr auf dem Friedhof der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde ihre letzte Ruhe finden, erläutert Martin Straßen, Mitglied des Friedhofsausschusses. „Wir sind dabei, eine Gedenktafel oder einen Stein zu entwerfen, der an die Menschen und den alten Friedhof erinnert.“

Hinweise auf die Anfänge des Dorfes Neviges

Jede Fundstelle auf dem Areal in Velbert-Neviges an der Tönisheider Straße wurde genau vom Team der Firma „EggensteinExca“ dokumentiert.
Jede Fundstelle auf dem Areal in Velbert-Neviges an der Tönisheider Straße wurde genau vom Team der Firma „EggensteinExca“ dokumentiert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Interessant ist auch, was Sven Knippschild und sein Team noch so alles entdeckt haben – unterstützt von den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Bodendenkmalpflege aus Velbert, Bernd und Rolf Knop, bei denen sich der Archäologe ausdrücklich bedankte. So wurde der Gewölbekeller des Pfarrhauses freigelegt, es fanden sich drei Brunnen sowie Reste von Kochgeschirr aus Keramik und Bronze, alles datiert auf das 13. Jahrhundert: „Da spricht vieles für eine Hofstelle“, so Sven Knippschild. Dazu Stadthistoriker Gerhard Haun auf Anfrage: „Mehrere Brunnen und diese Keramikscherben, das sind deutliche Hinweise für die Anfänge des Dorfes Neviges.“

>>>Archäologen-Team aus Dortmund

Das Grabungs-Team der Firma „EggensteinExca“ besteht laut dem Leiter Dr. Georg Eggenstein aus insgesamt 30 Mitarbeitern: neun Archäologen und Grabungshelfer.

Sitz des Unternehmens ist die Ruinenstraße in Dortmund. „EggensteinExca“ ist in ganz NRW tätig. Ausgrabungen werden z. B. gemacht, wenn Katasterpläne ein Bodendenkmal vermuten lassen.