Velbert. „Wir sind Augen und Ohren des LVR-Amtes.“ Das sagen die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger, die in Velbert solche erforschen und dokumentieren.

Wer da meint, Bodendenkmalpfleger seien so etwas wie wissenschaftlich ambitionierte Schatzgräber, der ist ganz gründlich auf dem Holzweg. „Es geht nicht ums Ausbuddeln, sondern ums Erfassen und Bewahren“, stellt Jürgen Lohbeck klar. Er gehört zu dem Velberter Kreis von 15 „Kollegen“ – in der Tat sind’s durchweg Männer im Alter von 25 bis hoch zu 76 –, die allesamt ehrenamtliche Mitarbeiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland sind. Lohbeck ist über die mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Kruppsche Nachtscheinanlage zu diesem Engagement gekommen. So wie auch Wolfgang Erley: „Damit hat sich 2011 eigentlich unsere Gruppe gefunden und gegründet. Das ist unser Ankerprojekt.“

Velberts Heidestraße war einst Fernhandelsstraße

An dieser Stelle mündet ein alter Bergbau-Tunnel ins Freie.
An dieser Stelle mündet ein alter Bergbau-Tunnel ins Freie. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Historisches Grundinteresse“, meint Josef Niedworok, bilde fast ausnahmslos die Motivation und liefere den Antrieb. „Im Grunde ist das Ganze wie ein Krimi“, vergleicht er die Arbeit, „aber keiner in 90 Minuten, sondern wir decken Seite um Seite auf.“ Niedworok hat über die Heidestraße Zugang zum Thema gefunden: „Sie war ursprünglich Teil einer historischen Fernhandelsstraße von Köln nach Lübeck“, habe als Höhenweg kaum Gewässer gequert.

Spannendes rund um den Altbergbau

Gleich schräg gegenüber vom „Landhaus Stolberg“, wo die Ehrenamtler regelmäßig ihren Stammtisch abhalten, mündet ein Tunnel ins ziemlich zugewachsene Freie. Er ist 1871/72 zum Abtransport von Kalk aus den Steinbrüchen und Eisenerz der Zeche Stolberg am Wasserfall/Gut Stock erbaut worden. Bis zum sogenannten Tunnelmundloch fuhr die Kleinbahn zuerst von Pferden gezogen, später dann von einer Dampflok. Da kennt sich wiederum Rolf Knop prima aus. Ihm hat’s nämlich der Altbergbau im Velberter Norden angetan, etwa auch die Blei-Zeche Ferdinand in der Flandersbach. Und als zuletzt ein Loch in der Fahrbahn der A 44-Abfahrt Velbert-Nord für Rätsel und eine lange Sperrung sorgte, da waren die Ehrenamtler – „Wir sind die Augen und die Ohren des LVR-Amtes“ – gefragte Berater.

Von Laien nur allzu leicht übersehen

Die Mitstreiter (v. li.) Rolf Knop, Jürgen Lohbeck, Josef Niedworok und Wolfgang Erley berichteten bei dem Treffen mit der WAZ von ihrem Engagement. Und das macht ihnen ganz offensichtlich Spaß.
Die Mitstreiter (v. li.) Rolf Knop, Jürgen Lohbeck, Josef Niedworok und Wolfgang Erley berichteten bei dem Treffen mit der WAZ von ihrem Engagement. Und das macht ihnen ganz offensichtlich Spaß. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Laut Definition sind Bodendenkmäler „unbewegliche oder bewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden“. Typische Bodendenkmäler sind Siedlungen, Gräberfelder, Heiligtümer, Befestigungsanlagen sowie technische Bodendenkmäler wie Stauteiche, Zisternen, Hohlwege und Kanäle. Im Gegensatz zu gut sichtbaren Baudenkmälern sind sie – zumal für den Laien – oft nicht zu erkennen. Und das ist den Archäologen eigentlich ganz recht so. In der Regel werden diese Denkmäler nur in Ausnahmefällen für Außenstehende gekennzeichnet sowie mit Infos und Erklärungen versehen.

500 Fundpunkte im gesamten Stadtgebiet

Vielfalt und Vielzahl sind beeindruckend. So zeigt Rolf Knop etwa eine Karte rund um den Ortsteil Hefel, auf der alleine schon 33 so genannte Fundpunkte eingetragen sind: Mithin Stellen, an denen etwas gefunden wurde oder wo etwas vermutet wird. Die Gruppe hat binnen gut zehn Jahren 150 Fundberichte erstellt; stadtweit sind es derzeit insgesamt um die 500, von denen der kürzlich verstorbene Langenberger Otto Bürger in den 1990er Jahren sage und schreibe 300 erstellt hat. Offiziell als Bodendenkmal in die Denkmalliste eingetragen sind bisher lediglich sechs. Sie hängen zum Großteil mit Schloss und Burg Hardenberg zusammen, in einem Fall geht’s um einen Hohlweg in Nierenhof. Ein siebtes Denkmal – ein Bunkerbauwerk im Osten der Stadt – ist mittlerweile eingetragen, aber noch nicht in der Liste vermerkt.

Google-Maps für Archäologen

Die Ehrenamtler halten im „Landhaus Stolberg“ regelmäßig ihren Stammtisch ab.
Die Ehrenamtler halten im „Landhaus Stolberg“ regelmäßig ihren Stammtisch ab. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Wenn die Bodendenkmal-Freunde einen Hinweis bekommen, geht’s in ihrem Kreis gleich los. „Wir sind gut vernetzt, und die Fähigkeiten sind unterschiedlich verteilt“, erzählt Wolfgang Erley. Der eine könne gut Luftbilder auswerten, ein zweiter zielsicher im Archiv recherchieren, wieder andere marschierten als Sondengänger mit Metalldetektoren los. Wohlgemerkt als offiziell Lizensierte! Hauptaufgabe der Ehrenamtler ist es, die Befunde in einem Fundbericht zu dokumentieren. Der ist nicht öffentlich, „um die Leute fernzuhalten“, wie es heißt. Das Ganze wird in ein geographisches Info-System eingepflegt, „eine Art Google-Maps für Archäologen“, erläutert Knop.

Die Menschen und Schicksale dahinter

Man bewirbt sich und wird bestellt

Ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger wird man respektive frau nicht mal einfach so. „Man bewirbt sich, und nach einer Probezeit wird man offiziell bestellt“, erläutert Jürgen Lohbeck den Ablauf.Kontakt für Interessenten: LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Außenstelle Overath im Gut Eichthal, 51491 Overath, 02206 9030-0. Die Leitung hat Dr. Jens Berthold; E-Mai an jens.berthold@lvr.de.

Zu den Lieblingsgeschichten Josef Niedworoks gehört der Zufallsfund eines vermeintlichen Luftschutzstollens mitten in Langenberg. „Das war dann tatsächlich aber ein Riesending“, gibt er das Resultat der gründlichen Recherche wieder, „da hätte man mit einem Zug durchfahren können.“ So konnte später ein Investor vorgewarnt werden, der in direkter Nachbarschaft bauen wollte. Was jedoch alle Mitstreiter letztlich fasziniere, sei: „Die Menschen und die Schicksale, die wir dahinter erforschen.“