Oberhausen. Das bayerische Familienunternehmen Segmüller hat 2015 eine große Immobilie in der Innenstadt von Oberhausen-Sterkrade gekauft. Sie verwahrlost.
Der bayerische Möbelhändler Segmüller mit bundesweit sieben Niederlassungen ist ein fast hundert Jahre altes klassisches Familienunternehmen – doch was sich die Bayern-Schwaben im Oberhausener Stadtbezirk Sterkrade leisten, empört nicht nur Politiker vor Ort. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wir können nicht weitere sechs Jahre warten, sondern es muss so bald wie möglich etwas geschehen“, fordert die CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr im Gespräch mit der Redaktion. Vor allem die jüngste Kritik des süddeutschen Einzelhandelsunternehmens an der Stadt Oberhausen und die Bewertung der Sterkrader Innenstadt als unattraktiver C-Klasse-Standort für die Möbelbranche verärgern die Politik.
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Segmüller hatte bereits Ende 2015 das frühere Finke-Einrichtungshaus am Neumarkt im Nordwesten der Sterkrader Innenstadt gekauft – und damals hatten die Inhaber aus Friedberg bei Augsburg mit bestem Marketing-Denglish die Backen aufgeblasen: Sie wollten ein „neues innerstädtisches Highlight“ schaffen, vielleicht sogar durch einen Neubau, wollten „ein modernes und erfolgreiches Einrichtungshaus“ ins Leben rufen. Die Kaufkosten waren damals nach Erkenntnissen von Immobilienfachleuten happig: Rund zehn Millionen Euro soll das Objekt den Bayern wert gewesen sein.
Segmüller ließ mehrere Plan-Varianten für einen Neubau entwickeln
Tatsächlich tüftelten die Friedberger nach dem Erwerb ein paar Pläne aus, wollten das von der Familie Heck aufgebaute Geschäft abreißen und drehten ein neu geplantes Gebäude auf dem Areal in verschiedenen Szenarien mehrmals um die Achse. Doch was geschah in der Realität? Segmüller ließ den Standort verkommen, vertröstete die Oberhausener immer wieder und macht dort als Eigentümer bis heute: nichts.
Weil der Unmut der Sterkrader und der Politik über den Zustand des Neumarkt-Geländes immer größer wurde, entschloss sich Segmüller zur Vorwärtsverteidigung. Tenor: Die Stadt hat Schuld, dass es nun erst recht nicht in Sterkrade vorwärts geht, weil sie dem Möbelkonkurrenten XXXLutz Rück erlaubt, vom Schladviertel in die Neue Mitte zu ziehen. Dadurch sei Sterkrade als Möbelstandort nicht mehr attraktiv.
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„Das ist doch nun wirklich eine durchsichtige Masche, irgendjemandem die Schuld daran zu geben, dass sie selbst in Sterkrade nichts mehr machen wollen“, meint SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers.
FDP-Gruppenchef Marc Hoff spricht von einem „sehr überraschenden Statement“ von Segmüller. „Seit vielen Jahren existiert der Plan der Stadt, Rück zum Centro zu verlagern. Das muss Segmüller bekannt gewesen sein.“ Bongers hält es für die beste Lösung, dass Segmüller das Objekt zu akzeptablen Preisen an einen Investor oder an die Stadt verkauft. Viel Zeit dürfe nun nicht mehr ins Land gehen: „Mittelfristig, innerhalb von zwei bis drei Jahren, muss eine Lösung her.“
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Denn der Leerstand im Finke-Möbelhaus (früher: Heck) ist eines von vielen Problemen der Sterkrader Innenstadt: Jahrelang herrscht am Sterkrader Tor im ehemaligem Praktiker/Max-Bahr-Baumarkt gähnende Leere, hinzu kommt im Laufe des Jahres der Leerstand des großen Kaufland-Gebäudes an der Bahnhofstraße.
SPD: Argumente von Segmüller sind aberwitzig
Kein Wunder, dass Politikerinnen wie Stehr auf Eile dringen: „Die Argumente von Segmüller sind aberwitzig. Die Politik hat lange geduldig zugesehen, doch nun muss da endlich etwas passieren. Wir Politiker müssen jetzt Dampf machen, sonst stirbt ein ganz wichtiger Teil von Sterkrade ab. Wir müssen Lösungsstrategien erarbeiten und vorwärtskommen. Das darf kein Jahr mehr dauern.“
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Grünen-Fraktionsvorsitzende Steffi Opitz geht davon aus, dass auf dem Neumarkt kein Möbelhaus mehr platziert werden wird. „Die Fläche muss neu entwickelt werden, vielleicht mit Wohnungen und Cafés, mit mehr Grün. Das alte Möbelhaus sollte abgerissen werden, die Tiefgarage aber bleiben, damit die Autos von der Straße kommen.“ Weil dabei eine große Fläche für die Sterkrader Fronleichnamskirmes verloren gehen würde, schlägt Opitz vor, die Kirmes-Schausteller früh einzubinden. Insgesamt zeigen sich Grüne, SPD wie CDU aufgeschlossen, dass die Stadt die Fläche ähnlich wie kürzlich im Fall von XXXLutz Rück im Schladviertel kaufen sollte. Die FDP bevorzugt einen privaten Investor.
Allerdings ist die Höhe des Preises für die Immobilie entscheidend. Kundige Oberhausener Politiker gehen davon aus, dass sich Segmüller mit seiner Wachstumsstrategie von Möbelfilialen Richtung NRW verkalkuliert hat – und nun darauf hofft, dass ein möglicher Käufer mindestens so viel für das alte Finke-Gebäude zahlt wie Segmüller selbst. „Wenn die Stadt das Areal kaufen sollte, darf es nicht zu einem erhöhten Preis geschehen. Man kann als Privatunternehmer nicht alle Verluste sozialisieren“, meint Architekt und Oberhausener CDU-Vorsitzender Wilhelm Hausmann. „Die Stadt muss die Nerven behalten.“
Welchen Preis will Segmüller für die Immobilie am Neumarkt haben?
Doch leichter gesagt als getan: Denn der Ärger der Bürgerschaft nimmt zu, die Stadt muss handeln, oder? Das dürfte den Preis nach oben treiben. Aber Immobilienfachmann Hausmann widerspricht: „Nein, Segmüller ist stark unter Druck. Was hier in Oberhausen passiert, hat sich in der Szene herumgesprochen, da will doch kaum noch eine Stadt in Deutschland etwas mit diesem Unternehmen entwickeln.“
Oberbürgermeister Daniel Schranz hat bereits Gespräche mit den Segmüllers anberaumt, will einen festen Ansprechpartner der Firma für den Standort haben, um die nächsten Schritte zu besprechen. „Selbstverständlich glaube ich an den Standort Sterkrade. Mir ist wichtig, dass die Firma Segmüller und die Stadt Oberhausen miteinander reden und nicht übereinander. Jedenfalls brauchen wir dringend eine Entwicklung am Sterkrader Neumarkt.“
Lesen Sie auch den Kommentar von Peter Szymaniak zum Thema Sterkrade und Segmüller: Das Segmüller-Problem: Kümmert euch endlich um Sterkrade!