Mülheim.
Immer noch macht die Stadt riskante Finanzgeschäfte – und hüllt sich vor der Politik in Schweigen. Schweizer Käse ist für seine Löcher berühmt, die Schweizer Franken gelten dagegen weniger als Luftnummer denn als harte Währung. Mit Kreditaufnahmen in eben dieser Schweizer Währung hat sich das städtische Finanzmanagement bislang auf sicherem Terrain gewähnt, zumal Liquiditätskredite in der Schweiz zu unschlagbar günstigen Konditionen zu haben sind. Doch das System ist mit der zunehmenden Verschuldung der EU-Länder löchrig geworden. Und so lässt der schwächelnde Euro auch die Bilanz schwächeln, die Kämmerer Uwe Bonan vorweisen kann.
Es hätte nicht viel gefehlt am Montagabend während der Sitzung des Finanzausschusses, dann hätte Bonan die Katze aus dem Sack lassen müssen, doch die Politik stellte die Frage einfach nicht: Was wäre, wenn die Stadt morgen ihre Kredite in Schweizer Franken auslösen würde? Würde eine rote oder schwarze Zahl unter dem Strich stehen?
Euro hat deutlich an Wert verloren
Die Zahl wäre tiefrot. Das Wechselkursrisiko, mit dem die freiwillig auf 50 Mio Euro und maximal sechs Monate Laufzeit limitierten Kreditgeschäfte in Schweizer Franken behaftet sind, hätte voll zugeschlagen. So hält die Stadt zurzeit einen Kreditvertrag über 30 Mio Euro, den sie vor knapp drei Monaten zu einem Wechselkurs von 1,2949 CHF/Euro. abgeschlossen hat. Da die Zinsen in der Schweiz etwa doppelt so niedrig wie die im Euro-Raum liegen, so präsentierte Bonan am Montag noch im Ausschuss, bringt der Kredit in Fremdwährung der Stadt innerhalb von nur drei Monaten eine Zinsersparnis von satten 49 000 Euro. So weit, so sinnvoll erscheinen die Geschäfte.
Das Währungsrisiko aber sparte Bonan in seiner Präsentation vor der Politik aus. Der Euro hat zwischenzeitlich im Vergleich zum Schweizer Franken deutlich an Wert verloren, der Wechselkurs liegt aktuell nur mehr bei 1,2235 CHF/Euro. Heißt: Wollte die die Stadt den Kredit in Schweizer Währung kommende Woche, wenn der Vertrag endet, auslösen, müsste sie kräftig in die leere Kasse greifen. Sie würde rund 1,7 Mio Euro mehr berappen müssen, als wenn sie den Kredit klassisch auf dem Euro-Markt aufgenommen hätte. Der zunächst rein rechnerische Währungsverlust dürfte in naher Zukunft noch anwachsen. Griechenland & Co. werden dem Euro wohl weiter zusetzen.
Déjà-vu-Erlebnis
Wie gesagt: Diese Rechnung präsentierte Bonan der Politik nicht, wohl wissend, dass die ohnehin emotionsgeladene Debatte über die städtische Zins- und Schuldenwirtschaft (Stichwort: 6,1-Millionen-Pleite mit sogenannten Swaps aus Zeiten vor Bonan) hätte richtig giftig werden können.
Grünen-Ratsfrau Annette Lostermann-De Nil hatte gleichwohl schon Bauchschmerzen bekommen. Sie, die schon 2003 dabei war, als die Politik den fatalen Beschluss zum Einstieg ins Zinswettgeschäft fasste, bekannte sich nun, als „gebranntes Kind“, zum Déjà-vu-Erlebnis: „Hier wird präsentiert, dass innerhalb kurzer Zeit Währungsgewinne von 1,5 Mio Euro zu machen sind“, reagierte sie auf die Bonansche Bilanzierung abgelaufener Kreditgeschäfte in Schweizer Währung. „So ist die Swaps-Geschichte auch in Gang gesetzt worden.“ Im Kern hatte sie, auch wenn sie wohl nicht ahnte, welche Last schon auf den Papieren in Schweizer Währung liegt, Recht.
Risiko beherrschbar
Peter Beitz (FDP) kritisierte mehrfach die fehlende Risikoabwägung. Bonan aber wehrte erfolgreich ab – und ließ lieber widerstandslos über sich ergehen, dass der Ausschuss den Finanzmanagern die Aufnahme neuer Kredite in Fremdwährung untersagte. Allerdings nur, bis die Stadt Richtlinien für ein risikoverträgliches Zins- und Schuldenmanagement erarbeitet hat. Dann dürfte die Stadt wieder . . .
Kämmerer Bonan hält das Risiko der „Schweizer Kredite“ für beherrschbar, zumal er ungünstig laufende Verträge ohne Weiteres verlängern könne. Die Stadt habe ohnehin laufend einen riesigen Bedarf an Kassenkrediten (Stand 31. März: 548 Mio Euro), das 50-Mio-Kreditvolumen in Schweizer Franken stehe also nicht zur Tilgung an. So profitiere man immer noch von den traditionell niedrigen Schweizer Zinsen.