Mülheim. Nach Millionenverlusten der Stadt Mülheim durch Zinswetten mit der WestLB griff Altkämmerer Gerd Bultmann seinen Nachfolger Uwe Bonan scharf an: Der habe zu spät auf das gestiegene Risiko der Zinswetten reagiert. Bonan dementiert das.

„Wir wussten über die Risiken Bescheid und haben die Geschäfte in Kenntnis der Risiken abgeschlossen“ – dieses Beurteilung, sich die 6,1-Millionen-Euro-Pleite mit hoch spekulativen Zinswetten selbst eingebrockt zu haben, kommt Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort ohne große Abschweife über die Lippen. Er bleibt dabei: „Wir wussten, was wir taten.“ Schadenersatzklage gegen die WestLB, mit der die Stadt die verlustreichen Verträge abgeschlossen hatte, schließt er aus. Doch gewinnt die Debatte an Schärfe. Alt- und aktueller Kämmerer schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Altkämmerer Gerd Bultmann, unter dessen Verantwortung 2003 die ersten Zinswetten (damals mit der Commerzbank) eingegangen worden waren, nahm mittlerweile Stellung. Im November 2005 war er von der Politik, die seinen Fähigkeiten nicht vertraute, zum MEG-Geschäftsführer „befördert“ worden.

"Risiken waren überschaubar"

Nun sagt Bultmann: „Das Risiko war zu diesem Zeitpunkt noch überschaubar und auch die Hoffnung auf einen Zinsanstieg, der das Defizit hätte umdrehen können, bestand noch.“ Er wirft Nachfolger Uwe Bonan vor, die bei Zinswetten (Swaps) nötige kontinuierliche Kontrolle und Steuerung vernachlässigt zu haben. „Warum erst in 2007, bei einem angelaufenen Defizit von 6,5 Mio Euro, gehandelt wurde“, schreibt er, „weiß ich nicht. Die Notbremse wurde meines Erachtens gezogen, nachdem der Zug bereits entgleist war.“

Starker Tobak. Uwe Bonan, seit März 2006 Kämmerer, reagierte gestern im WAZ-Gespräch auf die Anschuldigung. „Das ist schon unerhört und dreist. Ich habe 2006 ein Erbe erhalten, das ich, anders als ein Privatmann, nicht ausschlagen konnte. „Sofort“, nachdem die Probleme mit den Zinswetten offenkundig geworden seien, habe er mit der Leitung im Finanzmanagement „die vorherigen Geschäfte analysiert und bewertet. Da sind wir zu der Entscheidung gekommen, eine Risikoreduzierung zu betreiben. Dies hat der Finanzausschuss sehr begrüßt.“ Es habe gar ein Verlust von 16 Mio Euro gedroht, da habe man 2007 die Reißleine gezogen.

Amt prüfte rechtliche Schritte

Das Rechtsamt hat nach dem Ausstieg aus den Zinswetten, wie berichtet, geprüft, ob die WestLB wegen mangelhafter Beratung haftbar gemacht werden könnte. Auch bei einer erneuten Prüfung Ende 2010 kam die Stadt zum umstrittenen Ergebnis: Nein, die Bank habe „anlegergerecht beraten“. Die Prüfung des Rechtsamtes soll gar ein Schreiben hervorgebracht haben, in dem die WestLB Kämmerer Bultmann explizit darauf hingewiesen habe, dass risikoärmere Geschäfte möglich seien.

Laut Rechtsdezernent Steinfort ist für Alt-Kämmerer Bultmann sowie den Leiter und seinen Stellvertreter im Finanzmanagement geprüft worden, ob sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Amtspflichten verletzt haben und sie im beamtenrechtlichen Sinn dafür haftbar zu machen sind. „Wir wollten schon damals eine klare Aktenlage, weil wir wussten, dass es noch mal abgefragt werden würde“, so Steinfort. Die für einen Regressanspruch notwendige grobe Fahrlässigkeit habe man indes nicht festgestellt. Schließlich habe das Land eine Zinsoptimierung zum Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse nicht per Erlass unterbunden, Regierungspräsidenten und Gemeindeprüfungsanstalt hätten gar ermuntert, das „moderne Zinsmanagement“ zu betreiben.

Den Prüfbericht hält die Stadt bislang unter Verschluss.