Mülheim. 6,1 Millionen Euro hat Mülheim durch Zinswettgeschäfte der WestLB verloren. Doch trotz des Urteils des Bundesgerichtshofs, der eine Haftung der Deutschen Bank in einem ähnlichen Fall bejaht hatte, wird die Stadt nicht gegen die WestLB vorgehen.

Die Stadt gerät nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofes gegen die Deutsche Bank in Erklärungsnot, warum sie als Konsequenz aus ihrer Millionen-Pleite mit spekulativen Zinswettgeschäften (Swaps) nicht ihrerseits Ansprüche gegen die sie seinerzeit beratende WestLB geltend machen will. Immerhin geht es um 6,1 Mio Euro – verzocktes Geld der Bürger, an derswo schmerzlich vermisst.

Rechtsamt und Kämmerei hatten dieser Tage offenbar einige Mühe, die Antwort auf eine WAZ-Anfrage zu formulieren, die sich auf eine doppeldeutige Stellungnahme am 16. Juni 2008 im Finanzausschuss zu den gründlich misslungenen Swap-Geschäften bezog. Dort hatte es geheißen: „Die Frage einer eventuellen Beraterhaftung (Haftung der Banken) wurde juristisch geprüft und verneint. Es sind keine Anhaltspunkte für eine nachweisbare Falschberatung ersichtlich.“ War nun die Stadt der Meinung, nicht falsch beraten worden zu sein? Oder sah sie doch eine Falschberatung, konnte diese aber mangels Dokumentation im eigenen Hause nicht nachweisen?

Keine klare Antwort

Eine klare Antwort fand Stadtsprecher Volker Wiebels in Rücksprache mit Kämmerer Uwe Bonan und Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort erst im zweiten Versuch, knapp 50 Stunden nach der Anfrage hieß es: „Es liegt keine Verletzung der Aufklärungspflichten vor.“ 2003, beim Abschluss der Swap-Verträge, habe die Stadt „denselben Kenntnisstand wie der Vertragspartner“ gehabt.

Ohne Verletzung von Aufklärungspflichten seitens der WestLB, so die Schlussfolgerung, sei eine Schadenersatzklage ausgeschlossen. Ohnehin sei die Entscheidung des Bundesgerichtshofes „wegen unterschiedlicher Sachverhalte nicht unmittelbar auf unsere Geschäfte anwendbar“. Erstens, so hatte die Stadt schon am Dienstag, dem Tag des BGH-Urteils, argumentiert, habe man keine Geschäfte mit „Spread Ladder Swaps“ gemacht, um das sich das Gerichtsverfahren drehte. Tatsächlich aber waren die „Corridor Swaps“, auf die sich die Stadt seinerzeit eingelassen hatte, nicht minder spekulativer Natur: Die Stadt konnte nur gewinnen, wenn die Zinsentwicklung in einem festgelegten Korridor blieb, wenn nicht, profitierte die WestLB. Das Ergebnis ist bekannt.

Ein Geschäft unter Kaufleuten

Rechtsdezernent Steinfort stellte fest: „Es war ein Geschäft unter Kaufleuten.“ Stadt und WestLB seien sich „auf Augenhöhe“ begegnet. Die Stadt sei nicht jener „schützenswerte Vertragspartner“ gewesen wie das vor dem BGH klagende mittelständische Unternehmen. Steinfort sprach gar von einer „Pressemär“, dass dem BGH-Urteil nun Signalwirkung für Swap-geschädigte Kommunen zugesprochen werde.

Die Auffassung teilt weder Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler noch Rechtsanwalt Dr. Jochen Weck von der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Münchener Kanzlei Rössner Rechtsanwälte. Weck hat vor dem BGH den Erfolg der Firma gegen die Deutsche Bank erzielt; der erstrittene Schadenersatz deckt die seinerzeitigen Swap-Verluste.

Hohe Wahrscheinlichkeit auf Erfolg bei einer Klage

Weck sagt nun, auch für Mülheim sei es geboten, Schadenersatzansprüche gegen die WestLB geltend machen. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit“ werde man Erfolg haben. Der Bundesgerichtshof mache den Banken in ständiger Rechtsprechung schon seit 1993 zur Pflicht, in einer „anlegergerechten Beratung“ als allerer-stes von möglichen Vertragspartnern ein Kundenprofil zu ermitteln. Hätte die WestLB dies berücksichtigt, so Weck, hätte sie unweigerlich auf das Spekulationsverbot in der Gemeindeordnung (§ 75) stoßen müssen. Wenn trotzdem ein „Corridor Swap“ empfohlen werde, „ist allein dadurch ein Schadenersatzanspruch in Stein gemeißelt“.

Dass in Mülheim eine Klage frühzeitig ausgeschlossen wurde, könnte es daran liegen, dass die Stadt die öffentliche Auseinandersetzung scheut? Dass sagt sie lieber sagt: Wir haben keine Chancen. Und das Thema ist tot?

Remscheid hat geklagt

Die Tatsache, dass die Stadt die Beraterhaftung 2008 nicht hat durch externe Gutachter prüfen lassen, sondern vom eigenen Rechtsamt, bewertet Weck kritisch. „Möglicherweise wäre die Beauftragung eines Anwalts die professionellere Lösung gewesen.“ Man bewege sich in dem „doch recht exotischen Rechtsgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts. Mir ist kein Rechtsamt in Deutschland bekannt, in dem die zwingend erforderlichen Spezialkenntnisse vorhanden sind. Das wird durch das falsche Ergebnis der eigenen Prüfung bestätigt.“ Übrigens: Remscheid hat mit Zinswetten der WestLB rund 19 Mio Euro verloren. Es soll sich um Geschäfte mit „Corridor Swaps“ gehandelt haben. Remscheid klagt.