Mülheim.

Vertreter der Ratsfraktionen haben in den vergangenen Tagen stundenweise Einsicht in den kompletten Aktenbestand rund um die 6,1-Millionen-Pleite mit hoch spekulativen Zinswetten (Derivatgeschäften) der Stadt nehmen können. Der WAZ gewährte das Rechtsamt nun, einen Bericht der Rechnungsprüfer und Protokolle aus nicht-öffentlichen Sitzungsteilen des Finanzausschusses zu studieren.

Die Protokolle der nicht-öffentlichen Ausschuss-Sitzungen bieten auf den ersten Blick wenig Information, fast nie einen Wortbeitrag eines Rats-politikers. Klar wird nur: Der Finanzausschuss hat der Verwaltung im Oktober 2003 einen Freibrief erteilt – Altkämmerer Gerd Bultmann und Co. konnten Derivatgeschäfte ohne Millionen-Limit abschließen.

Kursentwicklung wurde täglich protokolliert

Das Rechnungsprüfungsamt hatte im Jahr 2006 die verlustreichen Geschäfte der Kämmerei geprüft. Zu einem Zeitpunkt, als der neue Kämmerer Uwe Bonan bereits die Notbremse gezogen hatte, um nicht gar einen Verlust von rund 16 Mio Euro zu riskieren. In ihrem knapp eineinhalbseitigen Bericht legen die Rechnungsprüfer der Stadt „hoch spekulatives“ Handeln zur Last, dass Kommunen eigentlich qua § 90 der NRW-Gemeindeordnung untersagt ist.

Bemerkenswert auch folgende Feststellung: „Soweit dies bei der Art der Geschäfte überhaupt möglich ist“, bezweifelten die Rechnungsprüfer die Beherrschbarkeit des Risikos bei den Zinswetten, seien die Verantwortlichen der Kämmerei immerhin „verantwortungsvoll“ auf unsicherem Terrain unterwegs gewesen. Die Kursentwicklung sei während der überprüften Zeit (September 2005 bis August 2006) täglich kontrolliert und protokolliert worden. Permanent sei eine Einschätzung möglicher Handlungsbedarfe erfolgt, das Zentrale Finanzmanagement habe dem Kämmerer mindestens einmal wöchentlich Bericht erstattet.

In besagtem Zeitraum hätten die Verantwortlichen stets auch zeitnah gehandelt, wenn dies erforderlich gewesen sei. Es habe dabei „keine überstürzten Umstrukturierungen“ gegeben, bewerten die Rechnungsprüfer den Umgang mit bestehenden Zinswetten durch Kämmerer Uwe Bonan und den Leiter des Zentralen Finanzmanagements, Jürgen Schürmann.