Mülheim. .
Die Stadt hat den Antrag der WAZ, zu den verlustreichen Geschäften mit Zinswetten Einsicht in das 2008er Prüfgutachten des Rechtsamtes nehmen zu können, abgelehnt. So bleiben weiterhin viele Fragen zu möglichen Haftungsansprüchen gegenüber Banken, Altkämmerer sowie leitenden Beamten, aber auch zum Ablauf der knapp 6,1 Millionen Euro schweren Pleite sowie dem Abwenden noch größeren Schadens offen.
Ausgangspunkt dafür, dass die Millionen-Pleite noch mal öffentlich debattiert wird, war ein Urteil des Bundesgerichtshofs in jüngster Zeit. Das Gericht hatte der Schadenersatzklage eines mittelständischen Unternehmens gegen die Deutsche Bank stattgegeben. Begründung: Die Bank sei ihren Beratungspflichten nur mangelhaft nachgekommen. Bundesweit war die Rede von einer Signalwirkung des Urteils auch für Kommunen, die sich ebenfalls auf hoch riskante Zinswetten (Swaps) gegen Banken eingelassen und Millionen verzockt hatten.
Wohl mehr als sechs Millionen verloren
Die Stadt Mülheim, die 2003 nach politischer Freigabe Zinswetten eingegangen ist und nach vorläufigem Stand 6,083 Mio Euro verloren hat, hatte bereits 2008 ein Gutachten zu möglichen Haftungsansprüchen gegenüber Banken und eigenem Personal erstellt. Ergebnisse: a) die beratenden Banken (Commerzbank, WestLB) seien ihrer Beratungspflicht nachgekommen und b) Alt-Kämmerer Gerd Bultmann habe, wenn auch fahrlässig, so doch nicht grob fahrlässig zum Schaden der Stadt gehandelt.
Im letzten Finanzausschuss hatte Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort erstmals überhaupt ausführlich Stellung genommen zu dem bislang nur beiläufig erwähnten Gutachten. Dabei blieb er etwa eine Antwort auf die Frage schuldig, ob nicht allein das Spekulationsverbot für Kommunen, das in der NRW-Gemeindeordnung verankert ist, Grund zur Klage gegen die beratenden Banken sei. Steinfort reagierte auf die Frage ausweichend: Selbst wenn dies eine Klage begründen könne, sagte er, seien Ansprüche verjährt.
Keine Verjährungsfrist?
Doch auch in der Frage der Verjährung gibt es eine andere Rechtsauffassung als die in Mülheims Rechtsamt. Der auf Bank- und Kapitalmarkt spezialisierte Münchner Rechtsanwalt Dr. Jochen Weck geht davon aus, dass bei den Swaps-Geschäften die von Steinfort angesprochene dreijährige Verjährungsfrist gar nicht zum Tragen kommt. Er sagt: „Da die Banken derartige Produkte bewusst zu Lasten des Kunden strukturieren und den damit verbundenen Interessenkonflikt vorsätzlich nicht offenbaren, gilt nicht eine dreijährige spezialgesetzliche Verjährungsfrist, sondern eine allgemeine Verjährungsfrist, die auch in Mülheim nicht abgelaufen sein dürfte.“
Während Steinfort der Politik Einsicht in alle Akten anbot, lehnte er einen entsprechenden Antrag der WAZ zur Einsicht in den Prüfbericht des Rechtsamtes ab. Er verwies darauf, dass der Anspruch der Medien auf Akteneinsicht eingeschränkt sei, wenn innerbehördliche Entscheidungsbildungsprozesse zu schützen seien. Dies gelte im Falle des Rechtsgutachtens. Die WAZ hat derweil ergänzend Einsicht in einen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes zu den Swap-Geschäften, in die Protokolle der nicht-öffentlichen Sitzungen des Finanzausschusses sowie in den Schriftverkehr zwischen Commerzbank bzw. WestLB und Stadt zu den besagten Geschäften beantragt. Eine Antwort der Stadt steht aus.