Mülheim. Nach dem Tod des Flüchtlings Ibrahima Barry nach einem Polizeieinsatz in Mülheim dauern die Ermittlungen an. Weitere Details wurden nun bekannt.

Nach dem Tod des jungen Flüchtlings Ibrahima Barry nach einem Polizeieinsatz in einer Mülheimer Flüchtlingsunterkunft ist weiter nicht in aller Transparenz klar, was an jenem Abend an der Mintarder Straße geschehen ist. Die ermittlungsleitende Staatsanwältin hat auf Anfrage dieser Redaktion aber weitere Details preisgegeben. Auch eine Stellungnahme von NRW-Innenminister Herbert Reul auf Anfragen von SPD und AfD für den Innenausschuss des Landtages liegt seit Mittwoch vor. Eine Zusammenschau.

Zunächst einmal: Im Gespräch mit dieser Redaktion wies die Duisburger Staatsanwältin Melanie Anderhub die Behauptung eines Teilnehmers an der Protestkundgebung „Justice for Ibrahima Barry“ am vergangenen Samstag vor dem Forum in Mülheims Innenstadt zurück, dass dem jungen Guineer zu Beginn des Polizeieinsatzes in dessen Zimmer sechs Beamte gegenübergestanden hätten. Anderhub sagte, es seien drei Polizeibeamte im Einsatz gewesen. Dabei sei es auch bis zum Abfeuern der Taserwaffe später auf dem Außengelände geblieben. Erst danach seien weitere sechs Polizisten vor Ort gewesen.

Staatsanwaltschaft: Drei Polizeibeamte standen randalierendem Flüchtling gegenüber

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Laut übereinstimmenden Verlautbarungen der Essener Polizei und der im Nachgang eingeschalteten Staatsanwaltschaft hatte der im Flüchtlingsdorf eingesetzte Sicherheitsdienst an jenem Samstag gegen 20.30 Uhr die Polizei zur Hilfe gerufen, weil Ibrahima Barry in den Räumlichkeiten dort randaliert haben soll. Die Polizei Essen hatte am Tag nach dem Einsatz auch berichtet, dass der Guineer im Flüchtlingsdorf Mitarbeiter angegriffen habe. Die Staatsanwaltschaft hatte einen solchen Angriff bis dato nicht erwähnt, sprach nun auf Nachfrage davon, „dass der Verstorbene nach den bisherigen Erkenntnissen unter Äußerung einer Drohung auf einen Mitarbeiter der Einrichtung zugerannt ist“.

Ebenso hatte die Essener Polizei am Tag nach dem Tod von Ibrahima B. berichtet, dass ihre Einsatzkräfte den Bewohner der Geflüchtetenunterkunft bei ihrer Ankunft in seinem Zimmer angetroffen hätten. Im Bericht des Innenministeriums heißt es unter Berufung auf die Leitende Oberstaatsanwältin, dass die Beamten den jungen Guineer „nicht beruhigen und wegen seines massiven Widerstands auch nicht fesseln“ hätten können. Der Guineer habe die Beamten angegriffen. Die Auswertung der Bodycams belege das Aufeinandertreffen der herbeigerufenen Polizeibeamten mit Ibrahima Barry auf dessen Zimmer, sagt Anderhub. Aus dieser Situation heraus sei es dem jungen Guineer gelungen, aus dem Zimmer zu flüchten.

Bodycam-Aufnahmen sollen „massiven Angriff“ gegen Mülheimer Polizisten belegen

Zu den genauen Umständen bleibt Anderhub indes vage, spricht lediglich davon, dass Barry „die Beamten massiv angegriffen hat“ und ihm „so erst mal die Flucht aus der Einrichtung gelungen ist“. Der massive Angriff sei dokumentiert durch die Aufnahmen der Bodycams, die die Polizeibeamten getragen hätten. „Mindestens zwei“ der Beamten hätten Bissverletzungen von jenem Angriff im Zimmer davongetragen. Der Guineer habe sich ausschließlich körperlich zur Wehr gesetzt, so die Staatsanwältin. Eine Waffe habe er nicht eingesetzt.

Wie es dem jungen Mann auf beengtem, knapp 17 Quadratmeter großem Raum gegen drei Polizeibeamte überhaupt gelingen konnte, aus der Tür zu kommen, ist unklar, wird von der Staatsanwältin aktuell trotz Nachfrage nicht erklärt. Anderhub verweist darauf, dass ihre Behörde aus ermittlungstaktischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt nicht alle Einzelheiten zum zeitlichen wie örtlichen Ablauf des Geschehens preisgeben wolle. Die Polizei Essen hatte am 7. Januar davon gesprochen, dass sich „das dynamische Geschehen zunächst in einen Flur und später in einen Innenhof verlagert“ habe.

Was auf dem Außengelände des Mülheimer Flüchtlingsdorfes geschah, bleibt unklar

Die Öffentlichkeit wird weiter Geduld aufbringen müssen, bis jedes Detail zum Hergang des Polizeieinsatzes preisgegeben ist. Insbesondere das, was sich nach Ibrahima Barrys Flucht auf das Außengelände des Flüchtlingsdorfes abgespielt hat, bleibt unklar. „Dort setzte einer der Polizeibeamten ein Distanzelektroimpulsgerät ein“, zitiert das Innenministerium die Leitende Oberstaatsanwältin. Zwei Schüsse aus ein und derselben Taserwaffe seien abgefeuert worden, ergänzt Staatsanwältin Anderhub für die Duisburger Behörde. In einer ersten Erklärung hatte die Staatsanwaltschaft erwähnt, dass sich Barry auch auf dem Außengelände „weiter erheblich gewehrt“ habe. Ob es hierbei zu weiteren Verletzungen einer Beamtin gekommen ist – die Polizei Essen hatte einen Tritt gegen den Kopf einer Beamtin erwähnt –, beantwortet die Staatsanwaltschaft aktuell auch auf Nachfrage nicht. „Aufgrund des dynamischen Geschehens ist es mir derzeit noch nicht möglich, den genauen Zeitpunkt der Verletzungshandlungen belastbar zu bestimmen“, sagt Anderhub nur.

Welche Situation der Abgabe der Schüsse unmittelbar vorhergegangen war, bleibt ebenso unklar. Im Bericht für das Innenministerium schildert die Staatsanwaltschaft, dass nach den Taser-Schüssen „eine körperliche Reaktion nicht erkennbar“ gewesen sei bei dem jungen Guineer. „Im weiteren Verlauf gelang es, den Bewohner zu fesseln und es wurde ein Rettungswagen angefordert.“ Der Rettungswagen sei bestellt worden „mit Blick auf den Einsatz des Tasers“ sowie aufgrund einer in Betracht gezogenen Einweisung des Guineers in eine psychiatrische Einrichtung. Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden mit Stand vom 9. Januar hat die Notärztin den Guineer „zunächst als stabil eingeschätzt“, erst im Rettungswagen sei es zum Herzstillstand und zur Reanimation gekommen. Ibrahima Barry sei gegen 21.50 Uhr im Krankenhaus verstorben.

Ministeriumsbericht gibt mehr Auskünfte zu Vorerkrankungen des Guineers

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die drei beteiligten Polizeibeamten wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge dauern an. Für die Ermittlungen war aus Neutralitätsgründen die Polizei Bochum eingeschaltet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf sieht laut Ministeriumsbericht für jenen Anfangsverdacht zwei wesentliche Gründe: einerseits die zeitliche Nähe vom Tod des Guineers mit dem Polizeieinsatz, bei dem es zum Taser-Gebrauch, zu Fixierung und Fesselung gekommen sei, andererseits das unklare Ergebnis einer ersten Obduktion.

Bei dieser ist nach Aussage der Staatsanwaltschaft „keine eindeutige Todesursache“ festgestellt worden. Im Bericht des Innenministeriums wird das Ergebnis dieser Obduktion allerdings weiter spezifiziert. Hatte die Staatsanwaltschaft bislang lediglich festgestellt, dass bei Ibrahima Barry „erhebliche Vorerkrankungen“ festgestellt worden seien, ist dies nun näher ausgeführt. „Festgestellt wurde eine COPD-Erkrankung und eine rechtsseitig muskelkräftige Belastung des Herzens.“ Ferner wird noch einmal erwähnt, dass eine erste toxikologische Untersuchung des Blutes ergeben habe, dass Ibrahima Barry „massiv unter dem Einfluss von Kokain gestanden hat“.

Staatsanwaltschaft will keine Prognose zur Dauer der Ermittlungen abgeben

Wir werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, alles tun, um vollumfänglich zu ermitteln
Melanie Anderhub - Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Duisburg

Um doch noch die genaue Todesursache festzustellen, ist noch ein großes toxikologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Laut Staatsanwältin Anderhub werden noch Wochen vergehen, bis es vorliegen wird. Eine Prognose, wann die Ermittlungen abgeschlossen werden könnten, will sie derzeit nicht abgeben. Sie trat aber Mutmaßungen jüngster Proteste entgegen, die Ermittlungsbehörden wären wegen ihrer Nähe zur Essener Polizeibehörde auf Vertuschung aus. „Wir werden mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, alles tun, um vollumfänglich zu ermitteln“, so Anderhub.

Der Tod des Guineers in Mülheim – so berichteten wir

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