Mülheim. Überwiegend moderat waren die Töne auf der Mülheimer Kundgebung für den verstorbenen Ibrahima Barry. Ein Banner jedoch sorgte für Spannungen.
„Gerechtigkeit für Ibrahima“ - rund 80 Menschen forderten auf dem Kurt-Schumacher-Platz erneut die Aufklärung der Umstände, die zum Tod des Guineer Ibrahima Barry geführt hatten. Unter ihnen waren am Freitagnachmittag auch Freunde des Verstorbenen sowie ein Cousin, der im Kontakt mit Barrys Familie stehen und noch am Mittwoch vor den Ereignissen mit ihm gesprochen haben soll. Die Frage einer zweiten Autopsie wird dringlicher.
Denn nicht nur für Amadou Touré, Cousin des Verstorbenen, gibt es erheblichen Klärungsbedarf, auch für Barrys Eltern, die in Guinea leben: „Wie kann es sein, dass sechs Polizisten einen Taser benutzen mussten, um Ibrahima zu überwältigen? Sie haben doch alle Möglichkeiten“, fragt Touré. Zumal Ibrahima Barry eher ein schlanker, schmächtiger Typ gewesen sei. Die untersuchende Staatsanwaltschaft allerdings kommt anhand der Bodycam-Aufzeichnungen der beteiligten Polizisten zu dem Ergebnis, dass von Beginn des Einsatzes an bis zu den zwei Taserschüssen nur drei Beamte beteiligt waren. Erst danach seien weitere sechs Polizisten vor Ort gewesen.
„Er war ein freundlicher, hilfsbereiter Mensch“, sagen Freunde - Aktenlage im Rathaus ist eine andere
Doch Tourés Fragen und auch die der Eltern von Ibrahima Barry gehen weiter. So seien ihnen die angeblichen Funde von Kokain in seinem Blut ebenso wenig erklärlich wie die Aussagen, Barry habe im Flüchtlingsdorf randaliert und Mitarbeiter wie auch die Polizei angegriffen. „Er war ein freundlicher, hilfsbereiter Mensch“, sagen zumindest ebenfalls Freunde des Verstorbenen, die am Freitagnachmittag ans Mikrofon gehen. Immer wieder unterbrachen sie ihre Beiträge mit der Forderung „Justice for Ibrahima“ - Gerechtigkeit für Ibrahima.
Die Akten im Rathaus sollen ein anderes Bild des Guineers zeichnen, wie Rechtsdezernentin Anja Franke und Sozialdezernentin Daniela Grobe am Freitag im Integrationsrat des Stadtrates detailreich darlegten: Drogensucht, aggressives und psychisch auffälliges Verhalten, kaum Kooperationswille, zwei Haftstrafen von jeweils länger als einem Jahr, Hausverbot in allen städtischen Unterkünften, einschließlich der Notschlafstelle (wir werden dazu noch berichten).
Freunde von Ibrahima Barry: „Wir wollen wissen, wie er zu Tode kam“
Doch wird sich der Fall objektiv aufklären lassen? Touré äußert Zweifel an den bisherigen Ergebnissen der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Ermittlung, die sich bislang über Einzelheiten ausgeschwiegen hat - aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es heißt: „Wir waren nicht dabei“, betont der Cousin, „er war allein mit den Polizisten. Wir wollen wissen, wie er zu Tode kam.“ Noch am Mittwoch zuvor sei Ibrahima Barry bei ihm in Köln gewesen, dort habe er sich nicht auffällig benommen.
„Und er hat jeden Tag mit seinem Vater und seiner Mutter telefoniert“, sagt Touré, die hätten doch etwas bemerken müssen. Auch psychische Probleme wollen die Familie und der Freundeskreis nicht bemerkt haben. Daher soll noch vor der Übersendung des Leichnams von Ibrahima Barry in seine Heimat eine zweite, unabhängige Autopsie stattfinden. Dafür allerdings fehle, so der Cousin, aktuell noch die Finanzierung.
Kritik an Racial Profiling bei der Polizei: „Es darf nicht sein, dass so etwas immer wieder passiert“
Entsetzt zeigten sich viele Rednerinnen und Redner der Kundgebung, die von einem Verbund verschiedener Kulturvereine organisiert wurde, über den Vorfall, „es darf nicht sein, dass so etwas immer wieder passiert“. Einige Beitragende schlugen dennoch moderate Töne an. „Dankbar“ sei man dafür, dass die Polizei für Sicherheit sorge, merkte eine Rednerin differenziert an, dass der Fall Ibrahima Barry noch nicht aufgeklärt sei und daher auf beiden Seiten - Polizei und Kritiker - mit Vorurteilen argumentiert werde. Doch es gebe eben auch Fälle von Rassismus, Racial Profiling und polizeilichen Übergriffen. Deshalb habe man das Recht, Transparenz und Aufklärung zu fordern: „Jeder Tote ist einer zu viel, egal, ob es ein Geflüchteter ist oder nicht.“
Doch es gab auch scharfe Verbalattacken gegen die Polizei: Von der erneuten Anschuldigung, es habe sich bei dem umstrittenen Polizeieinsatz um „Mord“ gehandelt, bis zur aufgeheizten Skandierung „Ganz Mülheim hasst die Polizei“, die aber schnell verstummte. Ein Banner, das von Nazis auf der Polizeiwache sprach, hatte bei den Beamten die Frage ausgelöst, ob dies strafrechtlich zu verfolgen sei. Hier aber kam die Polizei am Ende zu der rechtlichen Einschätzung, dass es sich nicht um einen Verstoß handle, wie ein Polizeisprecher antwortete.
Weitere Kundgebung angekündigt
So blieb die Kundgebung aus Sicht der Polizei bis zum Ende eine friedliche Veranstaltung. Schon am Samstag, 27. Januar, soll es erneut eine Kundgebung unter demselben Motto „Gerechtigkeit für Ibrahima Barry“ am Kurt-Schumacher-Platz geben. Beginn ist um 13 Uhr, Ende gegen 16 Uhr.
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