Mülheim. Nachdem am 6. Januar der Bewohner einer Mülheimer Flüchtlingsunterkunft gestorben ist, äußert sich die Stadt erstmals. Viele Fragen sind offen.

Der Fall des jungen Guineers, der am 6. Januar nach einem Polizeieinsatz in der Flüchtlingsunterkunft an der Mintarder Straße verstorben ist, hinterlässt viele offene Fragen. Zum ersten Mal seit den teils noch ungeklärten Ereignissen bezieht die Stadt in einer öffentlichen Pressemitteilung nun Stellung.

Darin erklärt die Verwaltung, dass es am Abend des 6. Januars in der Unterkunft in Mülheim-Saarn zu einem Vorfall gekommen sei, „der die Alarmierung von Polizei, Ordnungsamt und Rettungsdienst der Stadt Mülheim an der Ruhr notwendig machte“. Der in der Unterkunft rund um die Uhr anwesende Sicherheitsdienst habe die Polizei verständigt, da „eine Gefährdung anderer Bewohner durch eine verbal und körperlich aggressive Person“ vorlag. Nähere Details zum Grund der Alarmierung seien der Stadt nicht bekannt.

Stadt Mülheim äußert sich nicht zu früheren Unterkünften

Dabei, so die Stadt weiter, soll es sich um einen Bewohner mit ungeklärter Identität und Herkunft gehandelt haben; die Ermittler sprechen von einem Guineer, der laut forensischen Untersuchungen mindestens 25 Jahre alt gewesen sein soll. Es kursieren öffentlich sowohl die Angaben 23 als auch 26 Jahre, die Staatsanwaltschaft vermutet nach derzeitigem Stand, dass der Verstorbene durchaus älter gewesen sein könnte.

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Laut städtischen Informationen sei der Mann seit dem 29. November 2017 in mehreren Mülheimer Unterkünften untergebracht gewesen. In welchen genau? Das bleibt unklar. „Er war aus früheren Einsätzen als gefährlich, psychisch labil und teilweise auch unter Einfluss von Betäubungsmitteln stehend bekannt“, heißt es in der Mitteilung, in der sich die Stadt erstmals seit dem Vorfall öffentlich äußert. Einen Aufenthalt des Mannes im Gefängnis – auch hier kursieren Gerüchte – bestätigen weder die Stadt noch die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage.

Was in der Vergangenheit vorgefallen sein soll und aus welchen Gründen genau er in jeweils andere Unterkünfte verlegt worden ist, lässt die Stadt ebenfalls offen. Der Verstorbene soll zum Zeitpunkt des Einsatzes bereits seit mehreren Jahren ausreisepflichtig gewesen sein, der entsprechende Asyl-Antrag sei abgelehnt worden. Allerdings sei eine Rückführung wegen „aktiv verweigerter Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung nicht möglich“ gewesen. „Die Identität des Verstorbenen ist für uns ungeklärt, weil sämtliche Versuche der Klärung verweigert worden sind“, so Ordnungsdezernentin Anja Franke.

Unterbringung in Mülheim-Saarn war eine bewusste Entscheidung

Im Juni 2023 sei der Mann an der Mintarder Straße untergebracht worden – offenbar eine bewusste Entscheidung –, „da dort ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr beschäftigt ist“. An der Mintarder Straße, so die Stadt, sind aktuell rund 130 Menschen untergebracht. Wie gemeinhin bekannt ist, handelt es sich dabei überwiegend um ukrainische Frauen und ihre Kinder. Der junge Guineer bildete eine Ausnahme. Dazu erklärt die Stadt, dass er in der Unterkunft einzeln und mit Abstand zu anderen Bewohnern untergebracht worden sei.

Während des Einsatzes am Abend des 6. Januars sollen die Einsatzkräfte „erneut“ entschieden haben, so teilt es die Stadt mit, dass die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses, sinnvoll gewesen wäre. Wieso es dazu nicht zuvor schon gekommen war, erklärt die Stadt folgendermaßen: „Unterstützungs- und auch Entzugsangebote wurden in der Vergangenheit zum Teil nicht angenommen oder hatten keine nachhaltige Wirkung.“ Wie Anja Franke erklärt, sei der Mann in den vergangenen Jahren mehrfach eingewiesen worden. Zu einer Einweisung am Abend des 6. Januars ist es gar nicht erst gekommen, da der junge Mann nach der Auseinandersetzung mit der Polizei bei der Versorgung durch den Rettungsdienst kollabierte.

Krankengeschichte des Verstorbenen bleibt weiterhin offen

Vor Ort noch sei er durch eine Notärztin reanimiert worden, im Krankenhaus verstarb der Mann schließlich. Eine Obduktion am Montag ergab laut Staatsanwaltschaft „keine genauen Hinweise auf die Todesursache“. Es sei jedoch festgestellt worden, dass der Verstorbene „erheblich vorerkrankt“ gewesen sei. Eine erste toxikologische Untersuchung des Blutes hat laut Staatsanwaltschaft ergeben, dass er unter dem Einfluss von Kokain stand.

Die zuständige Staatsanwältin Melanie Anderhub erklärte dazu am Donnerstag auf Nachfrage, dass es unmittelbar nach dem Tod erste Untersuchungen gegeben habe. Bei einem Urintest, einem kleinem, toxikologischen Gutachten, sei ein eindeutiges Ergebnis herausgekommen. „Der entsprechende Wert war so hoch, dass ein akuter Kokain-Konsum naheliegt.“ Zu den Vorerkrankungen könne sich die Staatsanwältin derzeit nicht über die bisherigen Angaben hinaus äußern, nur so viel: „Die Vorerkrankungen waren durch bloßes Auge sichtbar.“ Im Rahmen der nun folgenden, umfassenden rechtsmedizinischen Untersuchungen sollen Details geklärt werden.

„Der Tod des jungen Mannes ist ein sehr trauriges Ereignis“, so Ordnungsdezernentin Anja Franke. „Auch städtische Informationen und Akten sind jetzt natürlich Teil der Ermittlungen der Polizei Bochum. Jegliche Bewertung der Todesursache sollte erst nach Vorliegen der Ermittlungsergebnisse erfolgen. Spekulationen helfen hier niemandem weiter.“

Mülheimer Ordnungsdezernentin Anja Franke sieht den Todesfall als „sehr trauriges Ereignis“. 
Mülheimer Ordnungsdezernentin Anja Franke sieht den Todesfall als „sehr trauriges Ereignis“.  © Stadt Mülheim

Stadt Mülheim will Andenken des Verstorbenen wahren

Auch der Hergang der Auseinandersetzung zwischen Polizei und dem Guineer bleibt von Seiten der Stadt unerwähnt. Nach bisherigen Erkenntnissen von Polizei und Staatsanwaltschaft soll der Bewohner randaliert und sich gegenüber den Polizeibeamten aggressiv gezeigt haben. Er soll dabei übergriffig geworden sein. Daraufhin sollen Polizeibeamte „mindestens zweimal“ einen Taser zum Einsatz gebracht haben, was im Nachgang eine politische Debatte ausgelöst hat.

„Die im Rahmen des Einsatzes verletzten Polizeibeamten wurden ebenfalls durch den Rettungsdienst versorgt und dann in ein Krankenhaus transportiert und ärztlich behandelt“, teilt die Stadt mit und „wünscht den verletzten Einsatzkräften der Polizei baldige Genesung“. Bis weitere Erkenntnisse an die Öffentlichkeit getragen werden, will die Stadt nun keine „weitergehenden Informationen zur Vergangenheit des Verstorbenen“ veröffentlichen, um dessen Andenken zu wahren und seine Rechte zu schützen.

Todesfall nach Polizeieinsatz in Flüchtlingsheim - so berichteten wir:

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