Mülheim. Eine Veröffentlichung des WDR hatte zuletzt noch einmal die Probleme des Mülheimer Ausländeramtes herausgestellt. Wie die Lage aktuell ist.

Viele Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen kommen bei der Bearbeitung von Anträgen zu Aufenthaltstiteln von Flüchtlingen und Migranten kaum noch nach. Wie der WDR zuletzt unter Hinweis auf eine Umfrage des Magazins „Westpol“ unter den 81 Behörden im Land mitteilte, nennen die Städte und Kreise als Grund vor allem das Fehlen geeigneter Fachkräfte. Die Probleme in Mülheim wurden als besonders gravierend herausgestellt. Die zuständige Dezernentin Anja Franke ordnet die aktuelle Situation ein.

Allein das Ausländeramt Krefeld schiebe derzeit rund 4500 Anträge vor sich her, hieß es in der WDR-Berichterstattung. Besonders angespannt sei es in Mülheim, Witten und Bergheim, wo mehr als 25 Prozent der Stellen unbesetzt seien. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern konkurrieren die Behörden demnach nicht nur mit Unternehmen, sondern auch untereinander.

Mülheims Dezernentin: „Einfach weniger Zeit für immer mehr Menschen“

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Die Personalsituation selbst sei so schlecht nicht mehr, sagt Mülheims Rechts- und Personaldezernentin Franke. Die Zahlen, auf die sich der WDR berufe, seien fast schon ein Jahr alt, datierten vom 30. Juni des Vorjahres. Gleichwohl müsse Mülheims Ausländerbehörde mit einer hohen Personalfluktuation hantieren, aktuell seien durchschnittlich vier Stellen unbesetzt.

Mülheims Dezernentin für Recht, Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Personal, Organisation und Digitales: Anja Franke.
Mülheims Dezernentin für Recht, Öffentliche Sicherheit und Ordnung, Personal, Organisation und Digitales: Anja Franke. © Stadt Mülheim

Doch nicht nur die Personalsituation sieht Franke als Grund für die Warteschlangen vor der Behörde an der Leineweberstraße und die Belastung der Mitarbeitenden. Unerwartet rapide mehr Fallzahlen, fortlaufend komplexere Sachbearbeitung und – damit einhergehend – längere Bearbeitungszeiten – für all das sei die Ausbildung in allen Ausländerbehörden in den vergangenen Jahren naturgemäß nicht adäquat gewesen. „Es fehlen insgesamt Fachkräfte“, sagt Franke. Zusätzlich sei das Personal flächendeckend damit beschäftigt, Quereinsteiger einzuarbeiten und weiterzubilden. „Damit steht einfach weniger Zeit für immer mehr Menschen zur Verfügung, die sich mit ihren Anliegen an uns wenden“, so Mülheims Dezernentin.

Blick nach Krefeld: Kein Geld und keine Bewerber für neues Personal

Das wird aus anderen Kommunen bestätigt: Neue Mitarbeiter müssten erst lange geschult werden, denn jeder Antrag sei individuell, das sich regelmäßig ändernde Ausländerrecht komplex. Einfach mehr Personal einzustellen, funktioniere daher nicht, so Andreas Pamp, Leiter des Fachbereichs Migration und Integration der Stadt Krefeld. Obwohl 13,4 Prozent der Stellen in der Stadt aus der Nachbarschaft nicht besetzt sind, wolle er die Abteilung weiter ausbauen. Allerdings fehle vielen Kommunen wie Krefeld das Geld dafür. Da geht es dem überschuldeten Mülheim natürlich nicht anders.

Pamp kritisierte zudem die steigenden Anforderungen an die Ausländerbehörden. „Der Bund und das Land schaffen immer neue Aufgaben, auch durch immer neue Rechtssetzungen – gerade im Aufenthaltsrecht. Aber die Stellen, um diese gut und schnell umzusetzen, kommen nicht mit.“ Flüchtlinge aus der Ukraine oder aus den Erdbebengebieten der Türkei könnten Aufenthaltsbescheinigungen direkt bei den Ämtern beantragen, ohne vorherige Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Zudem sei die Zahl der Asyl-Erstanträge in den vergangenen fünf Jahren um 90 Prozent gestiegen.

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Mülheimer Ausländerbehörde muss Prioritäten setzen: Meldeanliegen zuerst

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Bearbeitungsstau und Überlastung sind die Folge. Der Bearbeitungsstau sei abhängig vom Anliegen, sagt Mülheims Dezernentin Franke. Die örtliche Behörde priorisiere die Meldeanliegen, da diese für den Sozialleistungsbezug, für die Begründung von Miet- und Arbeitsverhältnissen – „also für ein Ankommen in der Stadt“ – unabdingbar seien. Alle anderen Leistungen seien für die Betroffenen auch wichtig, eine gute Priorisierung sei jedoch aufgrund der Vielzahl der zu betreuenden Menschen „kaum möglich – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wartezeiten“.

Immerhin: Vermehrt Krankmeldungen aus der Ausländerbehörde muss Franke nicht feststellen; im Dezember hatte das Amt kurzfristig gar ganz schließen müssen. Gleichwohl sei die Situation auch für die Mitarbeitenden eine große Belastung. Vor dem Engagement der Kolleginnen und Kollegen ziehe sie daher den Hut.

„Ohne Hilfe werden wir das wachsende Problem nicht in den Griff bekommen“

„Wir arbeiten weiter an Optimierungen vor Ort“, sagt Franke etwa mit Blick auf die Digitalisierung im Amt. Doch das stoße an Grenzen: „Ohne zusätzliche Hilfe von Land und Bund werden wir das wachsende Problem nicht in den Griff bekommen können“, so die Dezernentin. Hoffnungen setzte Franke zuletzt auf den Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern. Dort seien auch Verfahrensvereinfachungen für die Ausländerbehörden angekündigt worden, was natürlich grundsätzlich zu begrüßen wäre. „Allerdings“, so Franke am Dienstag, „steckt der Teufel im Detail und es bleibt abzuwarten, ob echte kurzfristige Erleichterungen bei den Kommunen ankommen und welche Wechselwirkungen diese hätten.“ Weitere Gespräche zu den möglichen Erleichterungen für Kommunen sollen im Juni folgen. (mit epd)

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