Mülheim. Die Unterbringung von 650 Flüchtlingen in Mülheim-Raadt ruft weiter Kritik hervor. Was Politiker dem Land vorwerfen und von der Stadt einfordern.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Rodion Bakum wirft der für Flucht zuständigen NRW-Ministerin Josefine Paul (Grüne) mangelnde Sensibilität bei den Planungen für eine Zentrale Landeseinrichtung zur Unterbringung von bis zu 650 geflüchteten Menschen im ehemaligen Bürokomplex von T-Systems in Mülheim-Raadt vor.

Bakum und weitere SPD-Abgeordnete hatten zur geplanten Unterkunft eine Kleine Anfrage an Pauls Ministerium gestellt. Unter anderem wollten die Genossen wissen, wie das Land über seine Düsseldorfer Bezirksregierung ab Juni den Betrieb organisieren will und welche Schul- und Freizeitangebote es geben wird.

Mülheim-Raadt und die Landeseinrichtung: Unsere bisherige Berichterstattung

Wie der Betrieb der Landeseinrichtung in Mülheim organisiert sein soll

Dazu hieß es, dass die Bezirksregierung einen Sicherheits- und Betreuungsdienstleister engagieren werde, der zwischen 7 und 23 Uhr montags bis freitags mit neun Mitarbeitenden eine „Sozialbetreuung“ gewährleisten soll. An Sams-, Sonn- und Feiertagen sollen sieben Mitarbeitende eingesetzt werden, im Nachtbetrieb (23 bis 7 Uhr) vier. Zusätzlich sollen sieben Sicherheitskräfte pro Schicht vor Ort sein.

Der Dienstleister soll Sport- und Freizeitaktivitäten anbieten, Bildungsangebote sowie altersgerechte und zielgruppenspezifische Betreuungsangebote machen. Hierzu zählt laut Ministerium auch der Betrieb einer Kinderspielstube sowie „ein das schulnahe Bildungsangebot ergänzendes Komplementärangebot“. Städtische Infrastruktur werde für jene Angebote nicht in Anspruch genommen, heißt es.

Bakum (SPD) wirft dem Land mangelnde Sensibilität gegenüber Anwohnern vor

„Jeder Satz zeugt davon, dass die Landesregierung die Umsetzung ihrer Planung allein auf dem Papier betrachtet“, kritisiert Bakum die Antwort des Ministeriums als „unsensibel“ den Anwohnerinnen und Anwohnern gegenüber. Das Land habe die Raadter vor der Entscheidung nicht mitgenommen. Selbstredend sei städtische Infrastruktur nötig: „Menschen müssen einkaufen, wollen Freizeitangebote wahrnehmen und sind daher auch auf Mobilität angewiesen. Eine Unterkunft für Geflüchtete ist kein Gefängnis.“

„Die Ängste und Sorgen bei den Menschen in Raadt sind groß“, stellt Nadia Khalaf derweil für den SPD-Ortsverein Holthausen-Menden-Raadt nach einem Vor-Ort-Treffen mit Anwohnern fest. Der Ortsverein hält die Entscheidung für eine Einrichtung in Raadt für falsch und teilt die Kritik von Bürgern an der Größe der Unterkunft, der Lage in einem Stadtteil ohne großartige Infrastruktur ringsum und an der „schlechten Informationspolitik“.

SPD-Ortsverein fordert eine Begrenzung der Aufnahmekapazität

Der Ortsverein fordert die Stadt auf, umgehend ein Konzept zu erarbeiten, „mit dem die Einrichtung unterstützt und abgefedert werden kann“. Zur Bürgerversammlung am 1. März kündigt er einen Fragen- und Forderungskatalog an, mit dem er die Stadtverwaltung konfrontieren will. So fordert er eine Begrenzung der Aufnahmekapazität auf 350 Menschen und mit Blick darauf, dass wegen des Fachkräftemangels womöglich zu wenige Sozialarbeiter vor Ort eingesetzt sein könnten, ein Konzept dafür, wie bürgerschaftliches Engagement eingebunden werden könnte. (sto)