Mülheim. Die Debatte um die Zukunft des Flughafens Essen-Mülheim nimmt Fahrt auf. Essens Politik schaut dabei mit Argwohn nach Mülheim. Worum es geht.

100 Jahre alt wird der Flughafen Essen-Mülheim im übernächsten Jahr. Wird er auch über das Jahr 2034, für das es weiter gültige Ausstiegsbeschlüsse der Stadträte in Essen und Mülheim aus dem Flugbetrieb gibt, hinaus Grund zum Feiern haben? Dieses Jahr soll nach dem Willen des Mülheimer OB Marc Buchholz (CDU) dazu eine Entscheidung fallen; wenn’s nach Buchholz geht, eine pro Flughafen. Der bange Blick richtet sich dabei aus Mülheim auf den Mitgesellschafter Essen. Und so ist Mülheims Planungsdezernent selbst bei den Planungen für das auf Mölmschem Terrain liegende Gewerbegebiet an der Brunshofstraße auf Samtpfoten unterwegs.

Die Debatten um jenes Gewerbegebiet, das in zwei Szenarien – einmal mit, einmal ohne Fortbestand des Flughafens – unter der alleinigen Planungshoheit Mülheims angelaufen sind, finden unter kritischer Würdigung aus Essen statt. Blasch hatte die Wettbewerbsskizzen jüngst im Planungsausschuss des Essener Stadtrates präsentiert – und wurde klipp und klar mit der Essener Erwartungshaltung konfrontiert. „Wir wollen nicht nur Zaungäste sein“, forderte Ausschussvorsitzender Guntmar Kipphardt Beteiligung ein.

Flughafen-Zukunft: Essens Politik will sich von Mülheim nicht bevormunden lassen

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In der Jury zum städtebaulichen Wettbewerb für ein künftiges Gewerbegebiet südlich der Brunshofstraße war die Stadt Essen nicht vertreten. Essens Politik macht aber klar: Sie will mitentscheiden, wenn es darum geht, wie es auf dem Flughafen-Areal weitergeht. Die Nachbarstadt trägt als Mitgesellschafterin ja auch einen Teil der Defizite, die der Flughafen Jahr für Jahr bilanziert. Ein Drittel des Geländes liegt auf Essener Stadtgebiet. Ob nun ein Entwicklungsszenario mit oder ohne Flugbetrieb zum Tragen kommen wird, muss die Essener auch interessieren. Auch über die Verkehrsbelastung und über die Verteilung der Gewerbesteuern werde zu reden sein, heißt es aus Kreisen der Essener Politik zu den Gewerbeplänen.

So soll laut Siegerentwurf des Düsseldorfer Planerbüros Rheinflügel Severin ein Gewerbepark am Flughafen Essen-Mülheim aussehen. Wenn der Flughafen auch nach 2034 noch Bestand hat, soll das südliche, zweite Gewerbeband nicht entstehen.
So soll laut Siegerentwurf des Düsseldorfer Planerbüros Rheinflügel Severin ein Gewerbepark am Flughafen Essen-Mülheim aussehen. Wenn der Flughafen auch nach 2034 noch Bestand hat, soll das südliche, zweite Gewerbeband nicht entstehen. © Rheinflügel Severin

Allzu forsches Voranpreschen Mülheims ist denn auch nicht im Sinne des hiesigen Planungsdezernenten Blasch. Das machte er jetzt in der Sitzung des Mülheimer Planungsausschusses deutlich, in der Filip Fischer (SPD) die Zeit für reif erklärt hatte, schon jetzt mit einem politischen Votum für den Weiterbetrieb des Flughafens über das Jahr 2034 hinaus ein Zeichen Richtung Mitgesellschafter zu senden. Man könne sich nun wirklich die Debatten zur skizzierten zweiten Ausbaustufe des Gewerbegebietes von 12,2 auf 27,7 Hektar ersparen, sieht Fischer auch schon bei Mülheims CDU eine Abkehr vom Ausstiegsbeschluss vollzogen. Mit CDU, SPD und FDP wäre eine Flughafen-Koalition beisammen.

Fischer (SPD) fordert zügiges Bekenntnis zum Flughafen

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Die CDU aber schwieg zu Fischers Vorstoß. Mit einem Parteitagsbeschluss jüngst hatte sich die Union auch nur die Tür geöffnet, um ihren Ausstiegsbeschluss womöglich später einmal einzukassieren. Ein klares Bekenntnis zum Flughafen, wie es ihr OB schon früh abgegeben hat, ist bislang – wenn überhaupt – in Unions-Kreisen nur hinter vorgehaltener Hand zu hören. Der SPD-Vorstoß von Fischer kommt derweil auch beim Planungsdezernenten nicht gut an. Dieser appellierte, dass auch auf politischer Ebene ein enger Austausch zwischen Mülheim und Essen nötig sei, und mahnte, „im Gleichschritt mit Essen“ voranzugehen. „Ich glaube, das tut dem Projekt gut“, so eine für Blasch schon sehr deutliche Ansage an SPD und politische Mitstreiter.

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Konsterniert müssen indes die Fluglärmgegner feststellen, dass es Befürwortern des Flughafens offensichtlich gelungen ist, in der Politik einen Stimmungswechsel herbeizuführen, allen voran durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit des Luftschiffbetreibers WDL. Auch die Essener CDU hat die Wende pro Flughafen längst eingeleitet. Essen/Mülheim sei bundesweit bedeutend für die Ausbildung von Berufspiloten, betont Kipphardt.

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Fluglärm-Gegner beharren auf ein Lärmgutachten für den Flughafen

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In Sachen Fluglärm verweist Kipphardt auf Freiburg. Der Flughafen im Breisgau hat Platzrunden an Wochenenden und an Feiertagen untersagt. Wäre das ein Modell für Essen/Mülheim? Kipphardt regt zudem an, die Bürger zu fragen, wie es mit dem Flughafen weitergehen soll, insbesondere auch die Haarzopfer. Essens SPD-Ratsherr Philipp Rosenau schätzt die Stimmung vor Ort so ein, dass eine Mehrheit weiter mit dem Flughafen leben würde. Nicht, weil sie den knatternden Büchsen am Himmel etwas abgewinnen könne, sondern aus Sorge und Unsicherheit, was auf sie zukäme, sollte das Flughafengelände zu einem Gewerbegebiet ausgebaut werden. Mehr Verkehr wäre wohl die Folge. Rosenau sieht deshalb die Flugschulen in der Pflicht, die Lärmbelästigung zu reduzieren. Ein erster E-Flieger soll in Kürze erstmals auf den Raadter Höhen in die Luft gehen.

Die Fluglärmgegner beharren derweil auf einem Ende des Flugbetriebes. Aus Sicht der Schutzgemeinschaft Fluglärm wäre ein Gewerbepark das kleinere Übel im Vergleich zum Fluglärm, dem Anwohner ausgesetzt seien. Während der Corona-Pandemie hat der Flugbetrieb deutlich zugenommen. 66.300 Flugbewegungen wurden im vergangenen Jahr gezählt. Nach Angaben der Flughafengesellschaft entfielen davon 53 Prozent auf gewerbliche Schulflüge sowie weitere neun Prozent auf Vereine, die ebenfalls Piloten schulen. Wie laut ist es? Die Schutzgemeinschaft fordert einmal mehr ein Lärmgutachten ein, um die Debatte auf der Grundlage belastbarer Daten zu führen.

Mülheims CDU und Grüne: Stillschweigend zur Zukunft des Flugbetriebs

In Mülheims Planungsausschuss war dies kein Thema. Zur Gewerbe-Planung südlich der Brunshofstraße wies die planungspolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Erd, auf die Notwendigkeit hin, im weiteren Verfahren (wenn ein Bebauungsplan aufgestellt werden sollte) genauestens zu prüfen, welche Auswirkungen eine Bebauung auf die Frischluftzufuhr insbesondere über das Rumbachtal Richtung Innenstadt haben würde. Ein Kernthema der Grünen, denen in diesem Jahr selbst aber eine wohl größere Prüfung bevorsteht: Wie wird sich die Partei in der Koalition mit der CDU zur Flughafen-Zukunft positionieren? Im Moment ist das Bestreben groß, hierzu bloß keine Debatte aufkommen zu lassen. Und die Koalitionspartnerin CDU lässt sich da auch nicht von SPD-Mann Fischer aus der Deckung locken.

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