Mülheim. Gewerbe soll auf dem Areal am Flughafen Essen-Mülheim ansiedeln. Wie viel darf’s sein? Die Flughafen-Initiative übt Kritik an aktuellen Entwürfen.
Die Initiative „Wir bleiben Flughafen“ kritisiert die Entwürfe zur gewerblichen Entwicklung am Flughafen Essen-Mülheim scharf. Der in zwei Szenarien entwickelte Siegerentwurf zur diesbezüglichen Rahmenplanung lasse keinen weiteren Flugbetrieb zu, so das vernichtende Urteil.
„Keiner der Entwürfe stellt eine Lösung für die Durchführung des Flugbetriebs dar: Aufgabe verfehlt“, stellt Initiativen-Sprecher Christian Schäfer fest. Rollwege fehlten entweder ganz oder seien in unzureichendem Maße berücksichtigt, ebenso verhalte es sich bei Vorfeldflächen und Sicherheitsstreifen. Skizzierte Gebäude entlang der Brunshoffstraße seien mit drei bis vier Geschossen zu hoch gedacht, der Standort des Towers bleibe unklar.
Flughafen Essen-Mülheim: Rahmenplan für Entwicklung mit oder ohne Flugbetrieb
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Klar war der politische Auftrag an drei externe Stadtplanungsbüros: Sie sollten eine gewerbliche Entwicklung im Süden der Brunshoffstraße in Raadt skizzieren, die in zwei Szenarien und Stufen gedacht ist: einerseits für die Aufgabe des Flugbetriebs gemäß weiter gültigem Ausstiegsbeschluss der Flughafengesellschafter Essen und Mülheim zum Jahr 2034, andererseits unter der Maßgabe, dass der Flughafen doch über 2034 hinaus Bestand hat. Im Szenario 1 mit Flugbetrieb hatten die Büros 12,2 Hektar zur Überplanung zur Verfügung, im Szenario 2 (ohne Flughafen) waren es 27,7 Hektar.
Eine Jury aus (Landschafts-)Architekten und Stadtplanern, Bau- und Planungsdezernent Felix Blasch sowie den Planungspolitikern Christina Küsters (CDU) und Oliver Linsel (Grüne) hatte sich bereits Ende Oktober einstimmig auf einen Wettbewerbssieger festgelegt, erst in der vergangenen Woche veröffentlichte Mülheims Stadtverwaltung Details dazu. Demnach soll mit den Entwürfen des Düsseldorfer Planungsbüros Rheinflügel Severin weitergearbeitet werden – mit dem von OB Marc Buchholz (CDU) formulierten Ziel, bis Ende dieses Jahres sowohl in Mülheim als auch in Essen eine politische Entscheidung dazu herbeizuführen, ob es beim Flughafen-Aus im Jahr 2034 bleibt oder nicht.
Jury: „Mit Korrekturen ist das Konzept mit dem Flugbetrieb in Einklang zu bringen“
Buchholz plädiert seit langem schon für eine weitergehende Zukunft des Flughafens. Seine Mülheimer CDU ist da noch vorsichtiger. Auf einem Parteitag zuletzt hatte sie zumindest schon mal Offenheit in der Flughafen-Frage signalisiert, um sich für die anstehenden Debatten (auch mit ihrem grünen Koalitionspartner) alle Optionen offenzuhalten.
Nun sieht die Pro-Flughafen-Initiative das Szenario mit Fortbestand des Flugbetriebs allerdings nur ungenügend im Siegerentwurf von Rheinflügel Severin entwickelt. Auch die Jury hatte diesbezüglich Mängel gesehen, aber auch festgestellt: „Mit einigen Korrekturen ist das städtebauliche Konzept mit dem Flugbetrieb in Einklang zu bringen.“
Flughafen-Gesellschaft sieht ebenfalls reichlich Mängel in der Planung
Zur Sicherstellung des Flugverkehrs bedürfe es „einiger Modifikationen“, hieß es bezüglich Tower, Vorfeldflächen und weiterem. Im Vorfeld der Jury-Entscheidung hatte es hier schon deutlichere Worte gegeben. „Die Hangars der Flugschulen werden von den Rollwegen zur Landebahn abgeschnitten, es fehlt zudem der Ersatzneubau für den Tower“, hatte die Abteilung Stadtwicklung des Technischen Rathauses da festgestellt.
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Insbesondere von der Flughafen-Gesellschaft selbst war aber Fundamentalkritik laut geworden, die nun auch von der Flughafen-Initiative aufgegriffen wird. Die Gebäude am Rande des Flughafens seien zu hoch geplant. Zudem sei der bestehende Tower nicht mehr nutzbar, sollte es zur skizzierten Bebauung kommen, hieß es mit dem Hinweis, dass es keine Sichtbeziehung zur Start- und Landebahn mehr geben würde. Probleme werden auch gesehen hinsichtlich Rollfelder, Vorfeldflächen, Sicherheitsstreifen und Andienung der Flugfeldtankstelle. Die Abgrenzung eines Sicherheitsbereiches für den Flugplatz bleibe unklar.
Initiative: Flughafen unverzichtbarer Standortfaktor für innovative Unternehmen
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Die Stellungnahme der Flughafen-GmbH sei durch die Jury „offensichtlich ignoriert“ worden, ärgert sich die Flughafen-Initiative. Dabei sei der Flughafen für die als Ziel geforderten innovativen Unternehmen ein unverzichtbarer Standortfaktor. Die millionenschweren Investitionen der WDL, von Pitstop und anderen hätte es ohne den Flughafen niemals gegeben. „Flughäfen sind schließlich auch Jobmaschinen, die innovative Unternehmen anziehen“, so Initiativen-Sprecher Schäfer. Aus seiner Sicht fällt der aktuelle Siegerentwurf sowohl inhaltlich als auch planerisch weit hinter der alten Bebauungsplanung für einen interkommunalen Büro- und Gewerbepark an der Brunshoffstraße zurück.
Die Initiative wirbt für „eine zukunftssichere, ökologische und wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens“. Die weitere Nutzung des Geländes auch für den Flugbetrieb garantiere die Erhaltung der bestehenden Freifläche als Kaltluftschneise und besonderen Lebensraum für Flora und Fauna. Eine maßvolle gleichzeitige gewerbliche Nutzung sei dabei im Sinne aller. Die Initiative fordert eine zügige Entscheidung pro Flughafen, um ansässigen Unternehmen Planungssicherheit zu geben.
Mülheims Planungsdezernent weist Kritik von sich: Flugbetrieb wird mitgedacht
Die Ergebnisse der städtebaulichen Mehrfachbeauftragung stellten keine Vorwegnahme der Grundsatzentscheidung dar, reagierte am Donnerstag Planungsdezernent Felix Blasch auf die Kritik der Initiative. Die zwei erarbeiteten Varianten seien eigenständige Entscheidungsalternativen, die Aufteilung der zu bearbeitenden Flächen sei vorab mit der Flughafengesellschaft abgestimmt worden. So seien für die Variante mit Fortbestand des Flughafens Flächen gewählt worden, „die für eine Fortführung des Flugbetriebes nicht zwingend erforderlich sind“
Blasch betonte, dass es nicht Aufgabe der Wettbewerbsteilnehmer gewesen sei, die notwendigen Veränderungen am Flughafen mitzuplanen. Dies erfolge nun bei der weiteren Ausarbeitung der Varianten. Der Austausch zuletzt mit der Flughafen-GmbH habe bereits gezeigt, „dass es sich hierbei um lösbare Anpassungen handelt“. Zur Frage der Flughafen-Zukunft werde die Stadt kurzfristig Gespräche mit der Stadt führen mit dem Ziel, für einen Grundsatzbeschluss ein Verfahren zu verabreden.
FDP positioniert sich als erste Fraktion: Flughafen soll bleiben
Als erste politische Fraktion äußerte sich am Donnerstag die FDP zu den vorgelegten Entwürfen. „Eine Ansiedlung von Gewerbe auf einem Teilstück des Flughafen-Areals halten wir für sinnvoll, denn dadurch ergeben sich auch neue Chancen für den Stadtteil Raadt“, so Fraktionschef Peter Beitz. Die mögliche Ansiedlung von Kleingeschäften und Gastronomie an einem Quartiersplatz verspreche eine Belebung. Auch die Ansiedlung eines Hotels und von Gastronomie erscheine sinnvoll.
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Die FDP-Fraktion plädiert für einen Flugbetrieb über 2034 hinaus. „Insbesondere für flugaffine Unternehmen bietet sich die Ansiedlung direkt neben dem Flughafen an, hier eröffnen sich weitere Chancen, den Flughafen als zukunftsträchtigen Standort mit dem Thema Mobilität der Zukunft zu besetzen“, so Beitz. „Für uns als FDP ist es klar, dass ein Gewerbegebiet am Flughafen nur mit dem Flugbetrieb zusammen gedacht werden kann“, so Beitz und Joachim vom Berg, Mitglied im Planungsausschuss.
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