Mülheim/Essen. Steigen wir künftig in kleine Flugtaxis und kommen so klimaneutral von A nach B? Am Flughafen Essen-Mülheim soll das bald schon getestet werden.
Vor wenigen Monaten erst lag noch eine Masterplanung für die zukünftige Nutzung des Flughafen-Areals ohne Fliegen auf dem Tisch. Nun steht dem Flughafen Essen-Mülheim ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt ins Haus, das unter Beweis stellen will, das Luftfahrt der Zukunft nicht nur schadstoff- und lärmarm sein kann, sondern auch gewinnbringend eben für Fluglandeplätze wie dem auf den Raadter Höhen.
Im Gespräch mit dieser Redaktion ließ Prof. Dr. Frank Janser von der Fachhochschule Aachen die Katze aus dem Sack: Der Flughafen Essen-Mülheim soll Teil eines vom Land vorangetriebenen Forschungsprojektes werden, in dem Flugzeuge mit elektrischem Antrieb den Weg in die Zukunft des Fliegens aufzeigen sollen. „Wir wollen am Flughafen Essen-Mülheim beweisen, dass wir im elektrischen Trainingsbetrieb von Flugschulen weitestgehend emissionsarm fliegen können“, sagt Janser, Professor für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der in der Luft- und Raumfahrtforschung breit aufgestellten FH Aachen.
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Vorvertrag ist abgeschlossen: Testbetrieb mit Flugschulen zum Jahresende geplant
Mit der Stadt Mülheim sei unter Federführung des Technischen Beigeordneten Peter Vermeulen ein Vorvertrag (Letter of Intent) für eine Kooperation bei dem Forschungsvorhaben bereits unterzeichnet, so Janser. Fest rechnet er mit einer Landesförderung. Das NRW-Verkehrsministerium treibe die Sache mit voran. Neben Essen-Mülheim sei auch mit dem Flughafen Bonn-Hangelar eine Zusammenarbeit vorabgestimmt. Auch der Flugplatz Aachen-Merzbrück ist als einer der Wunschpartner für das Projekt ausgemacht.
Flughäfen in der Größenordnung dessen, was in Essen-Mülheim zur Verfügung steht, prophezeit Janser eine wichtige Rolle bei der Zukunft des Fliegens. Diese finde sicher nicht an den großen internationalen Flughäfen in Frankfurt oder Dubai statt, die Wirklichkeit werde sich fernab davon entwickeln.
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Silent Air Taxi könnte weit mehr als 300 deutsche Flugplätze anfliegen
Von Wissenschaft und Wirtschaft beflügelt, hat die Aachener e.Sat GmbH, in der Janser als Co-Geschäftsführer fungiert, ein „Silent Air Taxi“ erschaffen. Das elektrohybride Kleinflugzeug soll Pate stehen für eine Revolution im deutschen Luftverkehr: Da ihm eine Startbahn von maximal 400 Metern ausreiche, könne das „Silent Air Taxi“ mehr als 95 Prozent aller gut 350 deutschen Flugplätze ansteuern. Die Firma e.Sat rechnet vor, dass mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung nicht mehr als 25 Kilometer zu einem dieser Flugplätze zurücklegen müssten, um von dort mit dem „Silent Air Taxi“ eben hunderte andere Ziele in Deutschland zu erreichen.
Hier, so Janser, könne dann etwa ein Flughafen wie der in Essen-Mülheim – eingebettet in der Metropole Ruhr und nah an Düsseldorf – regionales Drehkreuz (Hub) werden. Erst die Zukunft des Fliegens werde den Regionalflughäfen, die aktuell nicht funktionierten, eine Perspektive schaffen, ist Janser überzeugt.
Von Mülheim nach Braunschweig in einer Dreiviertelstunde
Das „Silent Air Taxi“ soll Reisende schnell und ohne Stress in alle Ecken der Republik befördern. Von Mülheim etwa nach Braunschweig, so rechnet Janser vor, werde der Flug nur eine Dreiviertelstunde brauchen; ohne viel zeitlichen Aufwand fürs Einchecken. Stau auf der Autobahn, Umsteigen in der Bahn – alles exklusive.
„Man kommt an Orte, wo man sonst schwer hinkommt. Nicht nur nach Braunschweig, sondern etwa auch nach Wolfsburg, Kassel, Potsdam oder Bremen“, sagt Janser. Entwickelt werden soll ein Mobilitätssystem, das laut Janser „nicht nur für die oberen 10.000“ der Gesellschaft erschwinglich ist. Ein Ticket soll am Ende nicht mehr kosten als eine Bahnfahrt erster Klasse.
Bald schon soll das Kleinflugzeug fit sein für die Praxis
Das „Silent Air Taxi“ laufe mit Erprobungsantrieben schon auf den Prüfständen, sagt Janser. In der Zukunft soll das Kleinflugzeug, das laut Janser optimalerweise in Zukunft ganz mit Wasserstoff-Antrieb und damit CO2-neutral fliegen soll, praxistauglich entwickelt sein. Der Flughafen Aachen-Merzbrück dient als Forschungsflugplatz und wird hierfür aktuell weiter umgebaut.
Das Aachener Forschungsnetzwerk
Mehr als 50 Experten entwickeln in Aachen das elektrohybride Kleinflugzeug „Silent Air Taxi“ mit Großunternehmen der deutschen Luftfahrtbranche, etwa der MTU Aero Engines AG.
Das Aachener Netzwerk umfasst die RWTH Aachen University, den RWTH Aachen Campus, die Innovation Factory, die Fachhochschule Aachen sowie den Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück.
Die Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft forschen und entwickeln im Air s.Pace Center auf dem RWTH Aachen Campus.
Die e.Sat GmbH mit Sitz in Aachen wurde 2018 als Herstellerin von elektrohybriden Flugzeugen gegründet. Neben FH-Professor Frank Janser sind Prof. Dr. Peter Jeschke und Prof. Dr. Günther Schuh von der RWTH Aachen deren Geschäftsführer. Janser bringt die Arbeitsteilung auf den Punkt: Die RWTH stehe dafür, das Mobilitätssystem des „Silent Air Taxis“ preiswert, die Expertise seiner FH dafür, es emissionsarm zu gestalten.
Am Flughafen Essen-Mülheim soll zum Jahresende der Testbetrieb im Flugschultraining stattfinden. Janser ist sicher, den Anwohnern dann unter Beweis stellen zu können, dass der „Silent Air Trainer“, wenn er seine Runden dreht, beim Überflug nicht von Alltagsgeräuschen zu unterscheiden sein wird. Komme es zum Testbetrieb, „scheuen wir uns nicht vor einer kritischen Diskussion“, sagt der Luftfahrt-Professor. Sein Credo: Moderner Luftverkehr kann helfen, die Ökobilanz besser zu gestalten. Nachfrage werde es weltweit geben; in der Schweiz und in den USA seien Prototypen schon in der Luft gewesen.
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Professor sieht Essen-Mülheim als regionales Drehkreuz für innovativen Flugverkehr
Zurück zur Kooperation am Flughafen Essen-Mülheim: Dessen Zukunft sieht Janser nicht nur als besagtes regionales Drehkreuz für (elektro)hybrides Fliegen, sondern insgesamt als Mobilitäts-Hub mit einer Infrastruktur drumherum, die über die vorhandene Autobahnanbindung hinaus eine facettenreiche Nahmobilität in alle Richtungen bietet – etwa über Anschlüsse von Straßenbahnen, autonom fahrende Busse (People Mover) und/oder E-Scooter. So könne eine innovative Tür-zu-Tür-Mobilität geschaffen werden. Rund um das neue Drehkreuz für innovatives Fliegen sieht Janser gute Perspektiven für neues (flugaffines) Gewerbe und Arbeitsplätze.
Erst jüngst hatten sich die schwarz-grünen Ratsbündnisse in Essen und Mülheim darauf verständigt, in der Zukunftsplanung für das Flughafen-Areal neben einer rein gewerblichen Entwicklung auch eine Entwicklung mit Flugbetrieb prüfen zu lassen. 2022 sollen entsprechende Entwicklungsszenarien skizziert sein.