Mülheim. Am Flughafen Essen-Mülheim kündigt sich eine neue Ära an. Ein neuer Gigant ist im Anflug. Was das mit „Theo“, dem Liebling der Lüfte, zu tun hat.

Die Arbeiten an der neuen Luftschiffhalle am Flughafen Essen-Mülheim laufen, die ersten groß dimensionierten Holzbau-Teile für das Hangar-Skelett sind angeliefert. Jetzt überrascht die Westdeutsche Luftfahrtgesellschaft (WDL) mit einer Nachricht: Theo wird absehbar nicht mehr fliegen. Doch Trübsal blasen soll niemand. Es ist nicht das Aus für die Luftschifffahrt am Himmel über der Ruhr. Am Donnerstagabend wurden dafür die Weichen gestellt. Am Bodensee.

In Friedrichshafen unterzeichneten die WDL-Lenker Barbara Majerus und Frank Peylo entsprechende Verträge mit der anderen Luftschiff-Fakultät des Landes, mit der Zeppelin NT. In trockenen Tüchern ist nun, dass Zeppelin NT Ankermieter des neu entstehenden Hangars auf den Raadter Höhen wird und dort eines ihrer dann drei Luftschiffe stationiert. Das dritte Luftschiff der Baureihe NT ist laut Peylo zurzeit im Bau. Ab 2024 will Zeppelin NT mit diesem dann Rundflüge mit Start und Ziel am Flughafen Essen-Mülheim anbieten.

Chef von Zeppelin NT über Essen-Mülheim: „Wir liegen hier strategisch genau richtig“

„Wir liegen hier strategisch genau richtig, um für unsere Rundflug-Passagiere und für unsere Werbekunden die Metropolregion Rhein/Ruhr wie auch die Nachbarländer Belgien und die Niederlande besser bedienen zu können“, ließ sich Eckhard Breuer, Geschäftsführer der Deutschen Zeppelin-Reederei GmbH, zur Ansiedlung in Mülheim zitieren. „Auch Luftschiff-Begeisterte aus Nord- und Ostdeutschland werden zukünftig eine deutlich kürzere Anreise haben als bisher zu uns an den Bodensee.“ Das neue Luftschiff aus Friedrichshafen wird 14 Fluggästen Platz bieten, „Theo“ kann nur sieben Passagiere auf Rundflüge mitnehmen.

Bei der Vertragsunterzeichnung in Friedrichshafen: Die WDL-Lenker Frank Peylo und Barbara Majerus (Mitte) mit Eckhard Breuer (links) und Michael Schieschke (rechts) von Zeppelin NT.
Bei der Vertragsunterzeichnung in Friedrichshafen: Die WDL-Lenker Frank Peylo und Barbara Majerus (Mitte) mit Eckhard Breuer (links) und Michael Schieschke (rechts) von Zeppelin NT. © WDL

Wenn das neue Luftschiff des Weltkonzerns ZF 2024 den Anflug auf Mülheim gemeistert hat, soll „Theo“, das Luftschiff der WDL, nicht mehr abheben. Die Saison 2023 soll seine letzte sein, wie Peylo auf Nachfrage dieser Redaktion bekannt gab. In gut einem Jahr dann werde sich die WDL aus dem aktiven Geschäft der Luftschiff-Rundflüge, für das das Mülheimer Unternehmen etwa zur Rekrutierung von Piloten ohnehin schon mit Zeppelin NT kooperierte, zurückziehen.

Mülheims Luftschiff „Theo“ soll „nicht in der Mottenkiste verschwinden“

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„Theo wird aber nicht in der Mottokiste verschwinden“, so Peylo. Er werde „ein Aushängeschild der Region“ bleiben, zum Anfassen, zum Erleben – aber eben am Boden. Das 2015 gebaute Luftschiff, dem nach einem Aufruf dieser Redaktion Mülheimerinnen und Mülheimer in Anspielung an den WDL-Gründer Theo Wüllenkemper seinen Namen gaben, soll „dann ausschließlich zu Werbezwecken in Verbindung mit dem neuen Luftschiffhangar genutzt“ werden. Das WDL-Luftschiff gehöre „zum Gesamtkonzept für die Standort-Entwicklung“, so Peylo. Mit seiner Innen-Beleuchtung verleihe Theo als „größte Stehlampe der Welt“ gemeinsam mit der zuletzt herbeigeschafften Ju 52 zukünftigen Events in der neuen Luftschiffhalle einen besonderen Charme. Im Hangar sei 2024 Platz für beide Luftschiffe.

Ein Luftschiff von Zeppelin NT soll ab 2024 vom Flughafen Essen-Mülheim aus in die Luft gehen.
Ein Luftschiff von Zeppelin NT soll ab 2024 vom Flughafen Essen-Mülheim aus in die Luft gehen. © Achim Mende

„Mit der Ansiedlung eines der traditionsreichsten Luftfahrtunternehmens Deutschlands in Essen/Mülheim bekommt die Standortentwicklung am Flughafen Essen-Mülheim einen weiteren Impuls, der über die Grenzen der Region zu spüren sein wird“, heißt es dazu in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Zeppelin NT und WDL. Peylo sieht mit der Ansiedlung des bedeutenden Konzerns auch ein starkes Signal für den Wirtschaftsstandort an Rhein und Ruhr.

Trotz Einstellung des eigenen Luftschiffbetriebs: WDL sieht sich auf Wachstumskurs

Und er glaubt, mit diesem Deal die Luftschiff-Zukunft für das Ruhrgebiet langfristig absichern zu können, auch wenn Zeppelin NT erst einmal nur einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben hat. Die NT-Luftschiffe seien moderner, effizienter, leiser – und seine WDL werde definitiv kein neues Luftschiff mehr bauen, so Peylo. Mit der Ansiedlung der Zeppelin-Reederei aus Süddeutschland würden auch zahlreiche neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutiert, die den Betrieb des Luftfahrt-Unternehmens stemmen sollen.

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Wird hier eine stille Übernahme der WDL vorbereitet? Peylo weist das vehement zurück. Die WDL werde ihre anderen Geschäftsfelder weiter beackern, große Erwartungen hat die WDL auch in das Eventgeschäft im neuen Hangar. Zuletzt habe man zusätzliches Personal angestellt. Auch die Nachfolge im Unternehmen sei gesichert. Die WDL werde am Flughafen Essen-Mülheim Bestand haben, mit ihren Flugschulen, mit ihrer Zertifizierung von Luftfahrtpersonal, mit der künftigen Vermarktung der NT-Rundflüge, mit Oldtimer-Flugzeugen . . . Mit der Aufgabe der Luftschiff-Rundflüge nach der Saison 2023 werde kein einziger Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verlieren, sagt Peylo. Die WDL sei auf Wachstumskurs.

Anfang 2023 sollen Arbeiten für neue WDL-Hauptverwaltung, Gastro und Co. starten

Um dies zu untermauern, verkündete die WDL nun auch, dass sie nicht bis zur kompletten Fertigstellung der neuen Luftschiff-Eventhalle Mitte nächsten Jahres warten will, um in Bauabschnitt 2 einzusteigen. Bereits Anfang 2023 wolle man mit einem Anbau an die Luftschiffhalle beginnen. In diesem soll eine Gastronomie, ein Luftschiffmuseum, die Hauptverwaltung der WDL, die Filiale von Zeppelin NT, die Flugschule TFC und weiteres Gewerbe Platz finden. Der Bau soll rund 2500 Quadratmeter Fläche haben.

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Noch nicht klar ist, wann die WDL mit einem dritten Bau ihre millionenschwere Investition fortsetzen wird – mit neuen Hangars für Flugzeuge. Dies ist abhängig davon, ob die Stadträte in Essen und Mülheim ihre Beschlüsse zum Ausstieg aus dem Flughafen im Jahr 2034 wieder einkassieren. Es mehrten sich in der jüngeren Vergangenheit die Zeichen dafür: Zur Entwicklung der Flughafen-Fläche werden aktuell zwei Szenarien ausgearbeitet – eins mit Flugbetrieb über 2034 hinaus.

Mülheims OB Marc Buchholz machte noch am Donnerstagabend im Stadtrat aus seinem Herzen keine Mördergrube und verkündete mit Genugtuung die Ansiedlung von Zeppelin NT am Flughafen. Buchholz hatte sich schon in seinem OB-Wahlkampf klar für eine Zukunft des Flughafens positioniert. Alles hängt nun an den Ratskoalitionen aus CDU und Grünen in den Stadträten in Mülheim und Essen.

Mülheims Luftschiff Theo muss im Freien ausharren, bis die neue Luftschiffhalle am Flughafen Essen-Mülheim gebaut ist. Hier ein Bild aus April 2022: Es dokumentiert den Abriss des alten Hangars.
Mülheims Luftschiff Theo muss im Freien ausharren, bis die neue Luftschiffhalle am Flughafen Essen-Mülheim gebaut ist. Hier ein Bild aus April 2022: Es dokumentiert den Abriss des alten Hangars. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller