Mülheim. Ein Mülheimer Stadtviertel bricht auf, sein Image und die Lebensverhältnisse zu verbessern. Welche Visionen und Vorschläge bringen Styrumer ein?
Styrum macht sich auf den Weg, sein Image, aber auch seine Lebensverhältnisse deutlich zu verbessern. Der Beteiligungsabend zum sogenannten Integrierten Handlungskonzept am Mittwoch zeigte viele und bekannte Richtungen auf, wie Bürger sich ihr Stadtviertel der Zukunft vorstellen: Vor allem beim Erscheinungsbild der Oberhausener Straße, beim Wohnen und Zusammenleben erhofften sich Styrumer in den kommenden Jahren deutliche Fortschritte. Manche Vorschläge jedoch überraschten.
Styrum gehört von der Altersstruktur her wohl zu den jüngsten Stadtvierteln – der Styrumer ist durchschnittlich 38 Jahre alt. Doch vor allem junge Leute und Familien vermissen erreichbare und entsprechend verteilte Bildungs- und Begegnungsangebote. Das traf vor allem die Verwaltung unvermutet, die mit dem neuen Sportpark an der Augustastraße just ein gutes Angebot geschaffen hatte.
Forderung 1: Mehr Angebote für Bildung und Begegnung
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Und das wird auch allgemein sehr gelobt, nur sei es für Kinder und Familien im Süden eben zu weit weg. Der Süden, also der Kiez unterhalb des Bahndamms, hingegen verfügt dagegen mit den Ruhrauen und Schloß Styrum über vergleichsweise viel Grün. Das aber ist vor allem für junge Leute kaum attraktiv.
Hinzu kommt, dass ein Wohnbebauungsplan für die Meißelstraße ein Ende der Grundschule, der Turnhalle und des Bolzplatzes vorsieht. Ein Ersatz für diese Sport- und Bildungsangebote aber müsste im Süden noch geschaffen werden. Eine immer wieder gestellte Forderung lautet daher, dezentrale Orte für Bildung, Spiel und auch Begegnung zu errichten. Im Süden soll sich etwa das Schloß Styrum, das derzeit überwiegend privat vermarktet wird, den Familien als Stätte fürs „Spielen im Schloss“ außen wie auch in den Innenräumen öffnen.
Forderung 2: Mehr Mobilität innerhalb des Stadtteils
Gut 18 Prozent der Styrumer Fläche macht die Verkehrsstruktur aus. Gute Anbindung zur Innenstadt und zu den Nachbarstädten schaffen die Autobahn, die Straßenbahnlinie 112 und der Bürgerbus. Nur innerhalb des Stadtviertels sieht es anders aus.
Der Bahndamm erweist sich abermals als hohe Hürde für die Nahmobilität: „Es gibt nur die Siegfriedbrücke und die Unterführung Steinkampstraße, um zur anderen Seite zu kommen“, zeigt ein Bürger. Die liegen nicht nur einen Kilometer auseinander, „für das Fahrrad ist in der Unterführung auch zu wenig Platz“, bemängelt dieser. Insgesamt habe Styrum kein zusammenhängendes Radwegenetz, vor allem die verkehrsreiche Oberhausener Straße sei eine Barriere für Kinder, um etwa mit dem Rad oder zu Fuß sicher zum Sportpark zu kommen.
Forderung 3: Besser Wohnen
Das größte Paket müsste das Integrierte Handlungskonzept wohl beim Wohnen schnüren. 22 Prozent der Fläche macht der Wohnraum aus. Schrottimmobilien und hässliche Fassaden etwa an der Oberhausener Straße ziehen das Image Styrums seit vielen Jahren runter. Hier können Fassaden-Programme das Bild verbessern, schlägt etwa Stadtplaner Daniel Bach vor.
Doch auch die Qualität der Wohngebäude – 75 Prozent sind bis 1968 gebaut worden – lässt Wünsche übrig. Zum Beispiel nach energetischer Sanierung, aber ebenso nach mehr Ein- und Zweifamilienhäusern, die derzeit nur 40 Prozent aller Wohngebäude ausmachen. „Wer in Styrum umziehen oder hierhin ziehen will, findet kaum qualitativ hochwertige Angebote“, erläutert Bach. An der Meißelstraße sollen deshalb gerade solche Angebote entstehen – schafft aber damit die bekannte Problematik um den Bolzplatz und Schule.
Warum Studierende attraktiv für Styrum wären – und umgekehrt
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Einen überraschenden Vorschlag brachte der frisch gegründete Styrumer Bürgerverein ins Spiel: Mit einem vergleichsweise günstigen und guten Wohnraum im Stadtviertel und einer guten Verkehrsanbindung könne man gezielt Studierende etwa der HRW anlocken.
So ließen sich zum Beispiel neben der geplanten neuen Kunst- und Kulturstätte „Artronaut“ auch Proberäume für Musikstudierende in Mülheim oder Düsseldorf schaffen, die das Wohnen im Stadtviertel zusätzlich attraktiv machen würden. Denn die fehlen oftmals – nicht nur in Mülheim, brachte der Architekt Gunvar Blanck ein. Für Michael Baumeyer vom Bürgerverein wäre eine studentische Durchmischung auch sozial bereichernd – etwa durch mehr studentische Kneipen, mehr Bildung und Kultur. Darüber hinaus sieht er auch die Notwendigkeit, die Integration weiter voranzutreiben, es gäbe in Styrum noch immer „Parallelgesellschaften“.
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Auch mehr Gewerbe wie Handwerk müsste nach Styrum geholt werden – so ein weiterer Vorschlag aus der Bürgerschaft. Gerade Gewerbe und Industrie machen im Stadtviertel gerade einmal 10 Prozent der Flächennutzung aus.
Forderung 4: Mehr Integration und Beteiligung
50 Nationen leben in Styrum, der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund beträgt vor allem im Süden und entlang der Oberhausener Straße über 50 Prozent. Bei der Beteiligungsveranstaltung zum Integrierten Handlungskonzept am Mittwochabend allerdings war dieser Bevölkerungsteil unter den rund 50 Teilnehmern deutlich unterrepräsentiert. Auch daran gab es hinter den Kulissen vereinzelt Kritik, die Verwaltung habe hier nicht genügend getan, diese ins Boot zu holen.
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Stadtplaner Daniel Bach sieht das als schwierige, aber weiterhin notwendige Aufgabe, die noch nicht abgeschlossen ist: „Das ist leider nicht nur ein Styrumer Phänomen, sondern überall zu erkennen, obwohl wir durch Flyer und Kontakte zu Vereinen dafür geworben haben. Die offene Beteiligung am Mittwoch ist ein wichtiges Element, aber solche punktuellen Veranstaltungen reichen nicht mehr aus. Man muss auf bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielt zugehen – und das werden wir weiterhin tun. Beteiligung ist ein Prozess und eine Fleißarbeit.“
Erste Maßnahmen wohl nicht vor 2024
Dennoch zeigt sich Bach zufrieden mit dem Ergebnis: Der noch unfertige Ort der künftigen Kulturstätte „Artronaut“ habe die Aufbruchstimmung für das Stadtviertel gut vermittelt. Bis zum Ende des Jahres soll mit Hilfe verschiedener Beteiligungsergebnisse ein Konzeptentwurf mit Maßnahmen für das Integrierte Handlungskonzept erstellt werden.
Einen Förderantrag für Maßnahmen stellt Bach bis Herbst 2023 in Aussicht. Bis aber die Mittel bewilligt und die entwickelten Maßnahmen umgesetzt werden, dauert es wohl wenigstens noch zwei Jahre, rechnet die Verwaltung.