Mülheim. Ehrenamtliche und Eltern im Mülheim-Styrumer Süden schlagen Alarm: Nahe Bildungs- und Sportangebote stehen auf dem Spiel für Wohnbebauung.
Groß ist die Sorge um Angebote für Jugendliche in Styrum. Denn während der Sportpark an der Augustastraße im Norden mit großem Aufsehen als Leuchtturm für den Stadtteil gefeiert wird, geht dabei unter, dass Styrum eigentlich durch den quer verlaufenden Bahndamm geteilt ist – räumlich, aber auch zunehmend sozial. Kommt das Angebot im Norden womöglich im Süden gar nicht an?
Soziale Spaltungen zwischen Nord- und Süd-Styrum befürchten Ehrenamtliche, die sich in Vereinen und privat um junge Leute eben ,unterhalb’ des Damms kümmern. Für die Jugendlichen in ihrem Kiez zwischen Hauskampstraße und Ruhr droht sich die Lage absehbar zu verschlechtern. Denn die Turnhalle und der Bolzplatz an der Gemeinschaftsgrundschule Meißelstraße sind - wie die Grundschule auch – für den Abriss seit 2016 eingeplant. Ein Ersatz für die Spielstätten hingegen ist seit sechs Jahren ungelöst.
Nahe Sportangebote für Kinder und Jugendliche im Veedel schwinden
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Laut städtebaulichem Entwurf sollen hier, zwischen Schlägelstraße und Moritzstraße, rund 17 Wohneinheiten gebaut werden. Das würde die Zahl der Familien noch einmal erhöhen – und damit der Kinder und Jugendlichen. Der Bedarf an Angeboten nimmt mit der Wohnbebauung also zu, aber auf Kosten der Angebote.
Tanja Westhöfer-Häde und Brigitte Paashaus vom Styrumer Turnverein sehen diese Widersprüche und sind mehr als alarmiert: „Der Sportpark im Styrumer Norden ist toll. Es ist aber unrealistisch, dass Kinder von hier die Sport-Angebote dort wahrnehmen.“ Die fast zwei Kilometer entfernte Strecke über die Hauptverkehrsstraße (Oberhausener Straße) sei überdies gefährlich. „Wie will man die Kinder und Jugendliche sicher von hier nach dort und zurück bringen? Per Shuttle?“
Für die Kinder im Veedel sei das ein verheerendes Signal. Die engagierten Frauen befürchten, dass ohne Bolzplatz und Turnhalle „ums Eck“ die Bewegungs- und Sportangebote vom Styrumer Süden mittel- bis langfristig schlechter wahrgenommen würden.
Mit einem Abriss der Grundschule Meißelstraße werden Schulwege länger
Und das ist nicht alles: Mit dem Abriss an der Meißelstraße fehlt im Viertel künftig auch eine Grundschule – sie war jahrelang eine gut zu erreichende Dependance der Gemeinschaftsgrundschule Augustastraße. Nach ihrem Abriss aber müssten die Kinder aus dem Styrumer Süden rund zwei Kilometer länger zur Hauptstelle laufen. Oder die Schule wechseln zur Brüder-Grimm-Schule an der Zastrow- oder Fröbelstraße (rund ein Kilometer).
Daniela Heimann, Vorsitzende des Stadtelternrates und Mitglied im Landeselternbeirat NRWeltern, schüttelt über die damalige Entscheidung nur den Kopf: „Man sagt immer: ,kleine Füße, kleine Wege’ – warum will man nun alle Schüler im Süden weiter laufen lassen? Man hätte den Standort nicht aufgeben dürfen.“
Zweifel hat die Vorsitzende zudem an den Raumkapazitäten der dann noch vorhandenen Schulen - werden sie ausreichen? Und wie kann die Zukunft im Viertel für Bildung und Jugendangebote aussehen? Könnte das Schloß Styrum und sein Grundstück künftig solche Angebote bieten? Heimann sieht die Chance, denn die Schenkung des Schlosses durch die Familie Thyssen (1959) hatte die Gemeinnützigkeit der Nutzung zur Auflage. Aktuell sei dort aber ein guter Teil an Privat verpachtet.
Trainerin: „Ein Bolzplatz im Styrumer Süden ist unverzichtbar“
Aus Sicht von Trainerin Brigitte Paashaus bleibt ein Bolzplatz vor Ort unverzichtbar: „Man könnte ihn doch zur Eisenstraße hin verlegen und dafür aus der Straße eine Sackgasse von beiden Seiten machen“, überlegt sie. Bislang aber hat die Stadt solche Überlegungen ausgeschlossen: Ausgerechnet die neue, geplante Wohnbebauung sei mit den von einem solchen Platz ausgehenden Lärmemissionen „nicht verträglich“, heißt es in einer Stellungnahme von 2016.
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Dabei gibt es den Bolzplatz im Veedel seit Jahrzehnten. Dennoch argumentierte die Stadt: „Daher musste nach Abwägung der verschiedenen Belange auf ein neues Kleinspielfeld verzichtet werden.“ Stattdessen sollen „alternative Spielmöglichkeiten auf der vorhandenen öffentlichen Grünfläche“ (Spielplatz an der Eisenstraße) ermöglicht werden. Dafür soll mit Kindern und Jugendlichen ein Konzept erarbeitet werden, schlug Martina Ellerwald, Amtsleiterin des Mülheimer Sportservice, damals vor.
Doch die Engagierten vom Turnverein haben eine andere Alternative im Sinn: ein grüner Zipfel an der Ecke Hauskamp- und Moritzstraße. „Die Stelle ist etwas abgesenkt, so dass der Straßenverkehr nicht stören würde“, meint Paashaus. Allerdings müsste man zu Sicherheit die Fläche umzäunen. Dafür wäre der Platz eben noch gut aus dem Viertel erreichbar. Doch ist dies auch von Politik und Verwaltung gewünscht?
Dezernent Blasch: Vermarktung ruht, bis ein Ersatz-Konzept erstellt ist
Der neue Planungsdezernent Felix Blasch sieht hingegen noch keine Würfel gefallen: „Ein Gesamtkonzept Sport ist Teil des Gesamtpakets zum Bebauungsplan an der Meißelstraße.“ Dazu gehörten auch Überlegungen, wo es Ersatzflächen für einen Bolzplatz geben könne. „Im Sommer wird es eine Bürgerbeteiligung dazu geben, dann wird ein Konzept erstellt“, sagt Blasch und verspricht: So lange das Konzept nicht stehe, werde es keine Vermarktung der Flächen geben.
Schuldezernent: „Ein Nachsteuern bedarf es nicht“
Jugend-, Schul- und Sportdezernent David Lüngen äußert sich vorsichtig: Eine „Kompensation für den weggefallenen Bolzplatz bleibt aus fachlicher Sicht erstrebenswert“.
Zur Frage der dann fehlenden Grundschul-Dependance im Süden beruft sich Lüngen auf Entscheidungen des Bildungsentwicklungsplans (2011) vor seiner Amtszeit: „Auch wenn dies für einige Kinder längere Schulwege bedeutet, war der seinerzeitige politische Beschluss, von dem Gedanken getragen, dann zwei sehr attraktive Grundschulstandorte in Styrum zu haben, an denen dann beste räumliche Voraussetzungen für die pädagogische Arbeit mit den Kindern aus diesem Stadtteil, mit dieser Sozialstruktur vorzufinden sind.“
„Ein Nachsteuern durch die aktuelle Fortschreibung der Bildungsentwicklungsplanung“, so der Dezernent, „bedarf es daher nicht“.