Mülheim. Laut Fortschreibung des Mülheimer Bildungsentwicklungsplans wird die Realschule Stadtmitte um zwei Züge erweitert. Die Schulleitung ist entsetzt.

Der Bildungsentwicklungsplan, der in Kürze vom Mülheimer Stadtrat abgesegnet werden soll, sieht vor, die Realschule Stadtmitte im großen Stil auszubauen und von vier auf sechs Züge zu erweitern. Unter anderem hat die Stadtverwaltung angedacht, auf einem benachbarten Grundstück einen Erweiterungsbau zu errichten. Die Schulleitung ist entsetzt über diese Pläne, sieht „die langjährig gute pädagogische Arbeit“ massiv in Gefahr.

„Wir wollen diesen Ausbau definitiv nicht.“ Gleich zu Beginn des Interviews macht Schulleiterin Sabine Dilbat unmissverständlich klar, dass es vonseiten der Schulgemeinde keinerlei Sympathie für die aktuell debattierten Pläne gibt. Viele Gründen sprechen aus ihrer Sicht dagegen. Und auch das bisherige Prozedere kritisiert die Schulchefin scharf.

Schulleiterin Dilbat hat „aus der Zeitung erfahren“, dass massiv ausgebaut werden soll

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Man sei überrascht worden von dem Vorhaben, die Schule so stark zu vergrößern. „Wir haben das aus der Zeitung erfahren und hatten dann nur wenig Zeit, um Stellung zu nehmen.“ In den Gesprächen mit dem sozialwissenschaftlichen Beratungsunternehmen Gebit aus Münster, das im Auftrag der Mülheimer Verwaltung Schuldaten zusammengetragen und analysiert hat, sei es „nie um eine erweiterte Zügigkeit“ gegangen. „Es hieß lediglich, wir sollten die zu erwartende Schülerwelle auffangen, indem wir für ein, zwei Jahre einige Räume des angrenzenden Berufskollegs mitnutzen.“

Kurz vor Ostern sei bekanntgeworden, „dass wir Mammutschule werden sollen“. Man habe in aller Kürze mit der Schulkonferenz ein Votum abgeben müssen und sich eindeutig für eine vierte Gesamtschule in der Stadt ausgesprochen, um der Schülerflut Herr zu werden. „Zeit für Diskussionen hatten wir nicht.“ Sie habe sich „übergangen“ gefühlt, sagt die Schulleiterin.

Vorwurf: Niemand aus der Stadtverwaltung habe das Gespräch gesucht

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Ihren Stellvertreter, Jan Hansen, Zweiter Konrektor der Realschule, stört vor allem eins: Als bekannt wurde, dass es um eine massive Vergrößerung samt Neubau gehen wird und nicht nur um eine vorübergehende Nutzung der Räume am Standort Von-Bock-Straße, habe sich niemand von der Stadt vor Ort blicken lassen, seien keine Gespräche geführt worden. „Man hätte sich diese Zeit aber nehmen müssen“, sagt Hansen. „Wir hätten gemeinsam aufs System schauen und darüber nachdenken müssen, was es mit einer Brennpunktschule macht, wenn pro Jahrgang zusätzlich 60 bis 70 Schüler mehr aufgenommen werden.“

Die Leitung der Realschule kritisiert auch die immense Geschwindigkeit des Verfahrens, das Über-den-Zaun-Brechen, und hat nun vor allem eine Sorge: „dass unsere pädagogische Arbeit, für die wir oft gelobt werden, durch die Sechszügigkeit aufs Spiel gesetzt wird“, so Dilbat.

Stadtverwaltung denkt über ergänzendes Schulgebäude an der Kämpchenstraße nach

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Ein ergänzendes Schulgebäude an der Kämpchenstraße, in dem auch die Kita Wirbelwind unterkommen müsste, sei für Leitung und Lehrerschaft ein schlechter Vorschlag. „Dann bräuchten wir zwei Lehrerzimmer, wir wollen das Kollegium aber nicht auseinanderreißen; es arbeitet exzellent zusammen.“ Durch das Hin und Her zwischen den Standorten ginge zum Beispiel „viel wertvolle Zeit für Schülergespräche“ verloren. Und man müsse auch mehr Lehrkräfte zur Aufsicht einsetzen. „Die ganze Situation würde unübersichtlich“, fürchtet Dilbat. Zudem ist laut Hansen fraglich, „wo all die Lehrkräfte herkommen sollen, um die dann fast 1000 Realschüler zu unterrichten“.

„Wenn ich träumen dürfte“, sagt die Chefin, „dann bliebe es bei der Vierzügigkeit. Wir hätten pro Klasse höchstens noch 25 Kinder und nicht, wie jetzt, bis zu 33. Und wir hätten deutlich mehr Förderschullehrer.“ Doch auch wenn es bei vier Zügen bliebe, müsse an der Schule dringend etwas geschehen: „Laut Gebit sind unsere Räume fast alle zu klein.“ Die Enge führe oft zu Aggressionen. „Dagegen müssen wir jeden Tag ankämpfen. Das macht die Arbeit schwierig und das Kollegium krank.“

Nach den Ferien werden über 750 Kinder und Jugendliche an der Oberstraße unterrichtet

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Wenn das neue Schuljahr beginnt, werden über 750 Kinder und Jugendliche an der Oberstraße unterrichtet, aktuell sind es 726. In drei Jahrgangsstufen wird man dann bereits fünfzügig fahren und deshalb alle erdenklichen Räume für die Schulstunden mit einplanen müssen: darunter auch ungeeignete Zimmer wie einen „kleinen, dunklen, schäbigen“ Ruheraum im Keller oder einen Speiseraum der Küche.

Ein besonderes Ärgernis ist der heruntergewirtschaftete Pavillon auf dem Schulhof. Eine defekte Heizung, eine technisch unzureichende Ausstattung mit gerade zwei Steckdosen, eingeschlagene Toilettentüren und permanenter Gestank, das alles sei unzumutbar. Dilbat schwebt als Alternative „ein neuer Pavillon mit vielleicht zwei Etagen und insgesamt sechs Räumen“ vor.

„Wir haben das Gefühl, dass die Realschule die Schülerflut ganz allein stemmen soll“

„Wir haben das Gefühl, dass die Realschule die Schülerflut allein stemmen soll, dass alles nur auf unseren Schultern lastet.“ Es gebe doch noch viele andere Schulen vor Ort, und daher durchaus auch die Frage: „Warum tragen wir das nicht gemeinsam?“ In den vergangenen Tagen seien endlich erste Kommunalpolitiker vorbeigekommen, um sich die Lage vor Ort anzusehen. Am Mittwoch trifft die Schulleitung im Rathaus auch Schuldezernent David Lüngen und Peter Hofmann, den Leiter der Schulverwaltung. „Schade nur, dass wir das alles allein initiieren mussten“, so Dilbat.