Mülheim. Thema Bildungsentwicklungsplan: In den kommenden Jahren drängen mehr junge Menschen an Mülheims weiterführende Schulen. Wo gebaut werden soll.

Mülheims Schulen werden zu eng. Die Zahl der Schüler steigt in den kommenden Jahren kontinuierlich. Muss ein Schulneubau her oder reicht es, einige der bestehenden Schulstandorte aus- oder umzubauen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Stadtverwaltung seit Monaten; an einer Neuauflage des Bildungsentwicklungsplans wird gefeilt. Nun hat die Verwaltung der Politik erstmals Vorschläge für konkrete Maßnahmen an vielen Mülheimer Schulen vorgelegt und klar Position bezogen bei der Frage: Schulneubau – ja oder nein?

Grundlage aller Überlegungen sind die Erkenntnisse des sozialwissenschaftlichen Beratungsunternehmens Gebit aus Münster. Dieses hatte die Mülheimer Schullandschaft analysiert und Anfang 2022 zwei Varianten vorgeschlagen, um der Schülerflut Herr zu werden: Entweder bedürfe es einer massiven Erweiterung bestehender Standorte oder einer deutlich geringeren Erweiterung plus Neubau einer Gesamtschule. Die Berater hatten für jeden Standort Vorschläge unterbreitet – die Stadt fragte daraufhin bei den Schulen und anderen Beteiligten nach, wie sie diese bewerten.

Stadtverwaltung Mülheim spricht sich klar gegen den Neubau einer Schule aus

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Das mittlerweile abgeschlossene Beteiligungsverfahren habe gezeigt, dass ein Schulneubau nur von einzelnen favorisiert wird, so Schuldezernent David Lüngen im Gespräch mit dieser Zeitung: „Nur die Bezirksschülerschaft, die Otto-Pankok-Schule und die Realschule Stadtmitte haben sich dafür ausgesprochen.“ Bei der breiten Masse habe der Vorschlag „keine Euphorie hervorgerufen“. Das habe die Verwaltung in ihrer eigenen Auffassung „bestärkt“, auf einen solchen Neubau verzichten zu können.

Laut Lüngen, der in den vergangenen Monaten fast alle Mülheimer Schulen besucht und viele Gespräche geführt hat, sprechen auch andere Gründe gegen das Vorhaben: „Die Variante mit dem Neubau wäre doppelt so teuer wie die ohne.“ Stadtkämmerer Frank Mendack hatte Anfang des Jahres von Kosten in Höhe von 80 bis 120 Millionen Euro gesprochen. Außerdem benötige die Errichtung einer gänzlich neuen Bildungseinrichtung deutlich mehr Zeit; „wir müssten noch eine aufwendige Elternbefragung durchführen“.

Die Luisenschule und die Gymnasien in Heißen und Broich sollen fünfzügig werden

Ab Montag berät die Politik über das Gesamtpaket Bildungsentwicklungsplan; den Anfang macht der Bildungsausschuss. Ende Juni entscheidet der Stadtrat. Die meisten angedachten Maßnahmen decken sich mit denen der Gebit, sagt Lüngen, „zum Teil aber weicht die Beschlussvorlage auch deutlich davon ab“. Für die Mülheimer Gymnasien sieht das Konzept folgendes vor: An der Otto-Pankok-Schule und der Karl-Ziegler-Schule soll es keine Veränderungen geben. Die Luisenschule, das Gymnasium Heißen und das Gymnasium Broich hingegen, die aktuell alle vierzügig sind, sollen um je einen Zug erweitert werden.

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Um das zu bewerkstelligen, sind umfangreiche Bauarbeiten erforderlich. Dabei ist die Situation vor Ort sehr unterschiedlich. Bei der Luisenschule etwa, wo eine öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) besteht, sei zunächst eine enge Absprache mit dem privaten Partner nötig, betonen Lüngen und Peter Hofmann, stellvertretender Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Schule. Erst danach stehe vielleicht fest, was auf dem Schulgrundstück als Schulerweiterung entstehen kann.

In Heißen könnte das ehemalige Hauptschulgebäude für den Ausbau genutzt werden

Anders verhält sich die Sache beim Gymnasiums Heißen, wo das Augenmerk nach wie vor auf dem benachbarten, ehemaligen Hauptschulgebäude liegt. Das Gebäude könnte ertüchtigt werden, doch der Brandschutz dort ist ein heikles Thema – „vielleicht wäre es auch wirtschaftlicher an dieser Stelle ganz neu zu bauen“, sagt Dezernent Lüngen. Das werde das weitere Planungsverfahren zeigen. Unabhängig davon sei aber klar, dass nun bald das Hauptgebäude des Gymnasiums energetisch modernisiert wird. „Die Grundsanierung steht seit Jahren an“, so Hofmann.

Für das Gymnasium Broich werden zwei Ideen erörtert: So könne man einen Anbau dort errichten, wo aktuell die Pavillons stehen, die noch gebraucht werden, um während der jetzigen Bauarbeiten Schüler unterzubringen. Möglicherweise biete es sich aber auch an, eine weitere Etage auf das Hauptgebäude zu setzen, um so Platz zu schaffen für künftige Schülergenerationen.

Bildungsdezernent: „Es ist ein Jahrzehnt-Programm für die Mülheimer Schullandschaft“

„Wir werden alle Baumaßnahmen eng mit den Schulen abstimmen“, verspricht David Lüngen; bislang gehe es um nicht viel mehr als Ideen. „Die eigentliche Planung kommt ja erst noch.“ So viele Schulen auf einen Schlag voranzubringen, sei eine große Herausforderung: „Es ist ein Jahrzehnt-Programm für die Mülheimer Schullandschaft.“ Vor 2026 werde wohl kaum an irgendeiner Stelle tatsächlich gebaut. Dass solche Vorhaben zeitaufwendig sind, sehe man auch daran, „dass wir aktuell noch nicht fertig sind mit den Maßnahmen aus dem Bildungsentwicklungsplan 2011“, so Hofmann. So seien die damals auf den Weg gebrachten Bauarbeiten an den Styrumer Grundschulen ja noch immer nicht abgeschlossen.

An Mülheims Hauptschule wird es voraussichtlich keine Veränderungen geben, auch nicht an der Gustav-Heinemann-Schule, die mit ihren sieben Zügen schon ihre Maximalgröße erreicht habe. Anders sieht es aus an der Gesamtschule Saarn, die von fünf auf sechs Züge wachsen soll: Vor allem das „unattraktive, kaum genutzte“ Mensagebäude ist der Verwaltung ein Dorn im Auge. Man sollte es abreißen und einen Neubau errichten, finden Lüngen und Hofmann. Die Schule befürworte die Erweiterung, auch wenn das bedeute, dass die Bagger dort auf lange Zeit nicht mehr abrücken. Seit Jahren schon wird dort ja saniert. „Das ist eine Belastung, aber das Ziel ist klar: eine moderne, attraktive Schule.“

Wie die Styrumer Willy-Brandt-Schule einst aussehen wird, ist noch unklar

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In Styrum, an der Willy-Brandt-Schule, ist vor allen Entscheidungen ebenfalls eine Absprache mit dem ÖPP-Partner vonnöten. Man habe diverse Ideen für den Standort, der ebenfalls um einen Zug erweitert werden soll, doch noch sei nichts spruchreif, sagt der Dezernent, der am Mittwoch zu weiteren Gesprächen vor Ort war. Eines sei aber schon gewiss: „Auf die Schulhoffläche können wir nichts mehr setzen.“

Auch über die Realschulen wurde viel nachgedacht; an der Mellinghofer Straße und in Broich soll alles beim Alten bleiben, die Realschule Stadtmitte aber soll gleich von vier auf sechs Züge erweitert werden. Die Gebit-Berater hatten vorgeschlagen, mit den neunten und zehnten Klassen in leerstehende Räume des benachbarten Berufskollegs an der Von-Bock-Straße zu ziehen. Das aber lehnt die Verwaltung ab. Man strebe vielmehr einen Erweiterungsbau auf städtischem Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft an. Möglicherweise biete sich dafür die neben dem Skaterpark gelegene Fläche der Kita Wirbelwind an der Kämpchenstraße an. „Das soll sich ein Architekt angucken.“ Die Kita werde aber gewiss erhalten „und es muss jetzt auch noch niemand Angst haben, dass dort morgen schon gebaut wird“, so Lüngen.

Auch vom Berufskolleg Stadtmitte kam Protest gegen die Gebit-Pläne

Apropos Berufskollegs: Auch von der Einrichtung in der Stadtmitte kam Protest gegen die Gebit-Pläne. „Sie haben der Idee klar widersprochen, waren nicht einverstanden damit, dauerhaft Räume an die Realschule abzugeben“, berichten Lüngen und Hofmann. Wenn die Zahlen der Schüler und Schülerinnen überall steigen, so das Hauptargument, sei das gewiss auch bald der Fall am Berufskolleg. Eine Auffassung, der man gut habe folgen können, so Lüngen.

Man sei aktuell übrigens dabei, das Bildungsangebot an Lehnerstraße und Stadtmitte zu optimieren, die Profile zu schärfen. „Wir werden uns stärker mit den Berufskollegs umliegender Städte abstimmen, um zu schauen, was an welchem Standort gebraucht wird, etwa weil die Industrie Bedarf an gewissen Abschlüssen hat“, so Hofmann. Auch von daher sei es nicht angezeigt, die zehn Räume an die Realschule abzugeben.