Mülheim. Wolfgang Lessau, 82 Jahre alter Mediziner aus Mülheim, tritt als Direktkandidat der AfD bei der Landtagswahl an. Was er für die Partei erhofft.

„Ich will mithelfen, dass aus der AfD etwas Vernünftiges wird“, sagt Dr. Wolfgang Lessau. Der 82-Jährige aus Mülheim-Holthausen tritt als Direktkandidat der Alternative für Deutschland bei der Landtagswahl am 15. Mai an. Das sind seine politischen Ziele.

Für sein politisches Engagement schöpft Lessau aus seiner Lebenserfahrung, schildert er. Seine eigene Geschichte – geboren im früheren ostpreußischen Memel (heute Klaipeda, Litauen), aufgewachsen in der DDR, kurz vor dem Mauerbau in den Westen geflüchtet und als Student auf sich selbst gestellt – habe ihn geprägt, sagt Lessau im Gespräch mit dieser Redaktion.

Mülheimer AfD-Kandidat hat der SPD nach 20 Jahren den Rücken gekehrt

20 Jahre war Lessau Mitglied der SPD. „Ich hatte gute Freunde unter den Sozis, habe aber auch gesehen, wie um Posten geschachert wurde“, sagt er heute rückblickend. Also ließ er mit Anfang 40 die Mitgliedschaft auslaufen. „Die herkömmlichen Parteien kommen mir verschlafen vor, satt, fett, sich im Wohlstand suhlend – da ist vieles versäumt worden“, urteilt der Mediziner. Nun also die AfD. Der Partei traue er zu, dass sie „eine gute, konservative Partei wird“, wie der 82-Jährige sagt. Also sagte er zu, als er für die Landtagskandidatur angesprochen wurde, tritt nun am 15. Mai als Direktkandidat an.

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Mit dem rechten Flügel der AfD aber habe er nichts zu tun, betont Lessau, zu Treffen mit dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke sei er noch nie gefahren. „Ich hoffe, dass die AfD nicht abgleitet in eine radikale Partei. Die AfD hat nicht das geistige Vermögen, einen Führer zu stellen“, sagt der Mülheimer und schildert mit Blick auf Kriegszeiten: „Meine Eltern und ich haben Faschismus erlebt.“

Lessau: „AfD hat das Potenzial, eine gutbürgerliche, konservative Partei zu werden“

Er schätzt indes den AfD-Vorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Martin Vincentz, ebenfalls Mediziner, der bereits für die Partei im Landtag sitzt: „Seine Vorträge höre ich mir gerne an.“ Das Mülheimer AfD-Ratsmitglied Alexander von Wrese beschreibt Lessau als „umgänglichen Mann“.

AfD-Ratsmitglied Alexander von Wrese.
AfD-Ratsmitglied Alexander von Wrese. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Bei der Alternative für Deutschland sieht Lessau das Potenzial, „eine richtig gutbürgerliche Partei zu werden, die was Wesentliches zu sagen hat und nicht nur aus Protestlern besteht.“

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Mit Impfgegnerschaft und Corona-Leugnern – „Gesund ohne Zwang“ lautet ein Slogan der AfD – kann er nichts anfangen, unterstreicht der Mediziner, genauso wenig wie mit „radikalen Schreihälsen“. Denen wolle er etwas entgegen setzen: „Das ist auch ein Grund, warum ich eingetreten bin. Ich will mithelfen, dass aus der AfD etwas Vernünftiges wird.“

Lessaus Schwerpunkte liegen in der Gesundheits- und Bildungspolitik

Als Schwerpunkte seines politischen Engagements sieht Wolfgang Lessau, der lange eine Röntgenfacharztpraxis im Ärztehaus gegenüber des Hauptbahnhofes hatte, in der Gesundheits- und in der Bildungspolitik – er ist in Mülheim Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Mit Blick aufs Bildungssystem sieht Lessau Verbesserungsbedarf. „Die Inklusion ist menschenverachtend“, sagt er und führt aus: „Wenn jemand besonders schlau ist, muss er gefördert werden, und auch wenn jemand lernschwach ist, muss er gefördert werden – aber gesondert voneinander, sonst ist der Schwächere ein Hindernis für die anderen.“

Die Schule sieht Lessau in der Pflicht, die „Defizite, die es in unserer Gesellschaft gibt“, auszugleichen und fragt: „Was kann ein Kind dafür, wenn es zuhause nicht genug Förderung bekommt.“ Um das aber zu gewährleisten, müssten die Lehrer besser ausgebildet werden, fordert der AfD-Direktkandidat, zudem seien kleinere Klassen, geeignete Schulgebäude und Digitalisierung vonnöten, damit „wir in Deutschland nicht noch weiter absacken.“

Mülheimer AfD-Kandidat forder Todesursachenstatistik

Mit Blick aufs Gesundheitssystem sieht der studierte Pharmazeut und Mediziner vor allem zu viel Bürokratie und das Fehlen einer Todesursachenstatistik als Probleme in Deutschland. „Hier werden die Verstorbenen so gut wie nie seziert“, schildert Lessau. Aber nur durch diese posthume Untersuchung könne man zu Erkenntnissen gelangen, die für die Gesellschaft grundlegend seien, etwa über die Häufigkeit von Tumoren. „Nur so kann Aufklärung und Vorsorge geschehen“, mahnt Lessau.

In der AfD sieht der Mülheimer Landtagskandidat Wolfgang Lessau das Potenzial, dass sich die Partei zu einer „gut-bürgerlichen und konservativen Partei“ entwickle.
In der AfD sieht der Mülheimer Landtagskandidat Wolfgang Lessau das Potenzial, dass sich die Partei zu einer „gut-bürgerlichen und konservativen Partei“ entwickle. © dpa | Marcus Brandt

Andere Länder, auch benachbarte wie die Niederlande, seien da längst weiter und deutlich besser. Entlarvend sei zudem die Situation während der Corona-Pandemie gewesen, die aufgezeigt habe, wie schlecht die deutschen Gesundheitsämter ausgestattet sind.

Wie AfD-Kandidat Wolfgang Lessau die Zuwanderung sieht

Knackpunkt Migration: Bei der Zuwanderung wolle man einen Stopp, bevor nicht die bisherigen Flüchtlinge integriert sind, hatte AfD-Spitzenkandidat und Landtagsfraktionschef Markus Wagner beim Wahlkampfauftakt gesagt. In ihrem Programm für die Landtagswahl fordert die Partei zudem eine „Leitkultur statt Multi-Kulti-Doktrin“.

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Wolfgang Lessau indes sagt: „Ich habe die Flucht selbst erlebt, war vier Jahre alt, als wir aus Memel weg mussten.“ Die Menschen, die nun vor dem Krieg in der Ukraine flüchteten und Schutz in Deutschland suchten, müssten „jetzt aufgenommen und vernünftig versorgt – da bin ich dafür, auch wenn das eine Million werden. Ein Teil von denen ist aber ja eh schon wieder zurück in der Ukraine.“ Über Ukrainer, die eine längere Bleibeperspektive in Deutschland sehen, sagt Lessau: „Die Menschen sollen ja ganz gut ausgebildet sein und die Kinder sind es gewohnt, viel zu lernen.“

Wolfgang Lessau (AfD): „Wir müssen wissen, wen wir in unser Land lassen.“

Auch für den Umgang mit Einwanderern aus anderen Kulturkreisen hat der AfD-Politiker eine Vorstellung: „Die guten müssen wir behalten und die anderen zurückschicken. Und diejenigen fördern, die was können und was wollen“, ist Lessau der Meinung. „Man darf sie nicht ablehnen, dann sonst erzieht man sich vielleicht schon einen Kriminellen“, lautet dabei seine Devise, die er unterstreicht: „Wir müssen wissen, wen wir in unser Land lassen.“

Noch rund drei Wochen bleiben für den Wahlkampf vor der Landtagswahl am 15. Mai. Die allergrößten Chancen rechnet sich der Mülheimer AfD-Landtagskandidat für seine Partei nicht aus: „Ich bin froh, wenn es für die AfD 5 Prozent oder in bisschen mehr gibt – mit mehr rechne ich nicht.“

Zur Person

Wolfgang Lessau wurde Ende 1939 im ehemaligen ostpreußischen Memel, dem heutigen litauischen Klaipeda geboren. Seine Eltern mussten Memel im Krieg verlassen, sie zogen zunächst nach Sachsen, dann nach Thüringen, wo Lessau aufwuchs. Sein Vater war bei der Wehrmacht.

Nach dem Schulabschluss ging er als 17-Jähriger alleine in den Westen, er wollte studieren. Zunächst schloss er eine Pharmazie-Studium ab und schloss ein Medizin-Studium an. „Wer solch eine Herkunft hat, die durch den Krieg geprägt ist, muss sich für Politik und Geschichte interessieren“, findet der 82-Jährige.

Seine Hobbys sind unter anderem Sport und sein Garten. Zudem lernt Lessau Sprachen, spricht etwa Schwedisch fließend und beherrscht auch Russisch.