Mülheim. 543 Container, sechs Einheiten: Die Stadt Mülheim will die Styrumer Container-Hochschule für Flüchtlinge nutzen. Doch das hat seinen Preis.

Mit nur einer Gegenstimme der AfD hat der Hauptausschuss des Stadtrates jetzt Verhandlungen zur Anmietung der Styrumer Container-Hochschule für eine Flüchtlingsunterbringung grünes Licht erteilt, ein Votum des Stadtrates ist für den 28. April vorgesehen. Die Stadt hat Not, weiteren Flüchtlingen aus der Ukraine ein Dach über dem Kopf bieten zu können. Das wird seinen Preis haben – der Markt ist gnadenlos.

„Ein Geschenk des Himmels“ oder „perfekt“ – so äußerten sich Politiker des Hauptausschusses am Donnerstag bei einer kurzen Begehung der Container-Hochschule an der Dümptener Straße. Diese war vor zehn Jahren zunächst im Zuge des Anwachsens der Hochschule Ruhr West errichtet worden. Nach deren Umzug zum neuen Campus in Broich fand sich – in glücklicher Fügung – mit der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW eine Anschlussmieterin. Von der größten Container-Uni Europas war seinerzeit die Rede.

Mülheims OB rechnet schon vor Sommer mit der Belegung von Sporthallen

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Nun wird die Polizei-Hochschule den Standort in diesem Sommer räumen – und der Stadt liegt ein Angebot der örtlichen Imoba vor, die aktuell sechs Gebäude – aus 543 Containern zusammengebaut – ab September anzumieten und für geschätzt 800.000 Euro so umzubauen, dass dort geflüchtete Menschen wohnen können. Die Anmietung soll vermeiden, dass die Stadt womöglich in größerem Umfang Turnhallen zweckentfremden müsste, womit OB Marc Buchholz bei allen Unsicherheiten zur Entwicklung des Ukraine-Krieges schon vor dem Sommer rechnet.

Bis zu 800 Menschen könnten in den Styrumer Containern untergebracht werden; zum Vergleich: Das Flüchtlingsdorf auf dem Saarner Kirmesplatz bietet, wenn der aktuelle Ausbau abgeschlossen sein wird, maximal 380 Menschen Platz. Daneben könnte die Stadt die Harbecke-Sporthalle binnen einer Woche für weitere 200 bis 300 Menschen einrichten.

Überwältigende Mehrheit der Politik sieht Möglichkeit zur Container-Miete als Glücksfall

Sozialdezernentin Daniela Grobe verweist auf die ungeheure Dynamik der aktuellen Fluchtbewegung aus der Ukraine. Sie übertreffe selbst den Zuzug zu Höchstzeiten der Flüchtlingskrise 2015/16 deutlich. Stand Freitag waren bei der Stadt 1028 ukrainische Flüchtlinge erfasst – und das nur knapp mehr als 40 Tage nach Ausbruch des Krieges. Von „Dramatik“ spricht Grobe, auch wenn der Großteil der Flüchtlinge (zumindest vorerst) privat untergekommen ist.

Imoba-Geschäftsführer Heinz-Theo Höckesfeld (re.) führte Mitglieder des Mülheimer Hauptausschusses am Donnerstag durch die Container-Hochschule in Styrum.
Imoba-Geschäftsführer Heinz-Theo Höckesfeld (re.) führte Mitglieder des Mülheimer Hauptausschusses am Donnerstag durch die Container-Hochschule in Styrum. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Stadt und Politik verfolgen wie 2015 eine möglichst humane Unterbringung, wollen den Geflüchteten im Vergleich zu einer Unterbringung in Zelten oder Turnhallen zumindest etwas Privatsphäre in beengtem Raum gewähren. Die im Sommer freiwerdende Container-Hochschule wird da von der überwältigenden Mehrheit als Glücksfall betrachtet. Auf fünf Jahre mit möglichen Verlängerungsoptionen soll sie angemietet werden. Kämen weniger Flüchtlinge, habe Mülheim auf jeden Fall auch Container-Bedarf wegen der steigenden Schülerzahlen und des nahenden OGS-Rechtsanspruches, ist eine alternative Nutzung für den Fall der Fälle vorgezeichnet.

Der aufgerufene Mietpreis hat es in sich: 22 Euro pro Quadratmeter

Der Preis aber hat es in sich. Wie aus einem nicht-öffentlichen Bericht der Verwaltung hervorgeht, verlangt Imoba pro Quadratmeter und Monat rund 22 Euro Miete für die Container (Energiekosten noch nicht inbegriffen). In seiner Vorlage für die Politik schreibt Kämmerer Frank Mendack, dass dies gar die gleichen Konditionen sein sollen, zu denen das Land die Container zuletzt für ihre Hochschule angemietet habe – was sich Mendack von Imoba noch belegen lassen will.

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Vergleiche mit dem örtlichen Mietspiegel, so der Kämmerer im Gespräch mit dieser Redaktion, verböten sich, das sei „ein Vergleich von Äpfel und Birnen“. Hier gehe es um die Anmietung einer Interimslösung. Allein dies habe schon einen Preiszuschlag zur Folge. Um der Redaktion überdies nachzuweisen, wie überhitzt der Container-Markt aktuell ist, gewährte Mendack der Redaktion am Freitag Einblick in alternative Angebote für Container.

Wucherpreise: Ein Anbieter fordert 124 Euro pro Quadratmeter und Monat

Ohne dass diese schon installiert wären wie jene in Styrum, rufen Firmen hier tatsächlich noch viel höhere Preise auf. Ein Unternehmen mindestens bewegt sich gar im Bereich des Wuchers, verlangt für einen Quadratmeter nackte Wohneinheit 124 Euro. Mendack legte der Redaktion einen Schriftverkehr mit einem seiner Mitarbeiter vor, in dem dieser dem Kämmerer schildert, bei der betreffenden Firma mehrfach telefonisch nachgefragt zu haben, „ob wir das Angebot richtig verstanden haben. Antwort: Ja, Angebot und Nachfrage“. . .

Insofern hofft die Stadtspitze, dass die außergewöhnliche Gelegenheit, derart viele Container mieten zu können, nicht an ihr vorüberzieht und es sich Imoba noch anders überlegt – um in einer anderen Stadt womöglich (noch) mehr Rendite einzufahren. OB Buchholz ist sich jedenfalls sicher: „Wir werden eine Unterbringung zu keinem günstigeren Preis stemmen können.“

Zum Vergleich: Investitionen in vorherigen Jahren

Kämmerer Frank Mendack stellt noch eine weitere Rechnung auf, die verdeutlichen soll, dass die Stadt unter jetzigen Voraussetzungen mit einem Deal in Styrum eine wirtschaftliche Lösung erzielen würde.

So habe die Stadt für die Flüchtlingsunterkünfte am Blötter Weg, an der Holzstraße, an der Mintarder Straße, am Klöttschen und an der Oberheidstraße 2018 und 2019 Wohnraum für 1090 Menschen geschaffen – für seinerzeit rund 27 Millionen Euro. „Unter 40 Millionen Euro würde das heute nicht mehr möglich sein“, so Mendack; dabei sei der „Ukraine-Zuschlag“ nicht mal berücksichtigt.

40 Millionen Euro heute in die Hand nehmen zu müssen, bedeute eine Investition pro Flüchtling in Höhe von 36.000 Euro. Im Vergleich dazu seien die aufgerufenen Mietkosten an der Dümptener Straße mit 3750 Euro pro Jahr und Person zu betrachten.