Mülheim. Das Land hat Zahlen zur Personalausstattung der Mülheimer Schulen vorgelegt: Danach sind viele unterbesetzt. Wie Experten die Situation bewerten.

An den Schulen in NRW fällt viel Unterricht aus, es fehlen Lehrer. Regelmäßig wird deshalb über die Personalausstattung diskutiert. Wer hat wie viele Lehrkräfte, wo ist es besonders eng? Nun liegen neue Zahlen vor, die die Debatte anheizen. In Mülheim klaffen zwischen Stellenbedarf und tatsächlicher Personalsituation teils riesige Lücken. Trauriger Spitzenreiter ist die Wilhelm-Busch-Schule, die auf eine Personalausstattungsquote von gerade 87,9 Prozent kommt.

Die SPD hatte das Thema aufs Tapet gebracht, eine Kleine Anfrage im Landtag gestellt. Die in den vergangenen Jahren durch die Landesregierung (CDU und FDP) getroffenen Maßnahmen reichten nicht aus, um dem Personalmangel effektiv zu begegnen, hieß es in der Begründung. Die Unterrichtsqualität verschlechtere sich, die Bildungschancen schrumpften. „NRW steuert in eine drohende Bildungskatastrophe hinein.“

Schulministerium weist Vorwürfe zurück: Man habe in den letzten Jahren viel investiert

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Das Schulministerium wies die Vorwürfe in der Antwort zurück: Es gebe 13.300 Lehrkräfte und Bedienstete mehr an den NRW-Schulen als noch vor fünf Jahren, hieß es unter anderem, und den Schuletat habe man um mehr als 3,1 Milliarden Euro erhöht. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt der Lehrer aber bleibe angespannt. Es sei unmöglich, alle Stellen zeitnah zu besetzen.

Die Daten aller Mülheimer Schulen wurden veröffentlicht und das Land hat dargestellt, welche Schule welchen Stellenbedarf hat. Berücksichtigt wurde dabei der Sozialindex und damit so entscheidende Faktoren wie Inklusion und Migration. Die Statistik weist zudem aus, wie es tatsächlich um die Ausstattung jeder Schule bestellt ist – und welche Quote sich eben letztlich daraus errechnet.

In Mülheim zeigen sich zum Teil gewaltige Unterschiede bei der Personalausstattung

In Mülheim zeigen sich zum Teil gewaltige Unterschiede. Nicht nur die Wilhelm-Busch-Förderschule liegt deutlich unter der 100-Prozent-Marke. Auch diese Schulen sind negative Spitzenreiter in ihren Schulformen: Die Barbaraschule hat eine Personalausstattungsquote von gerade 93,8 Prozent, das Berufskolleg Stadtmitte von 95 Prozent, die Realschule Broich von 96,1 Prozent, die Willy-Brandt-Schule von 96,9 Prozent und das Gymnasium Heißen von 97,6 Prozent.

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Die Werte stimmen nachdenklich, doch das Ministerium beruhigt: Sie bedeuteten nicht gleich, dass der Unterrichtsbedarf der Schule nicht gedeckt werden könne. Das unterstreicht auch Schulamtsdirektorin Heike Freitag: Alle Schulen in Mülheim seien „so besetzt, dass die Mindeststundentafel erfüllt werden kann, wenn es keine akuten Krankheitsfälle gibt“. Und auch eine Sprecherin der Bezirksregierung betont: Die Schulaufsicht vor Ort könne Besonderheiten – zum Beispiel hinsichtlich einer Alters- oder Schwerbehindertenermäßigung im Kollegium – im Rahmen der Personalzuweisung berücksichtigen.

„Die Quote sagt nichts darüber aus, wie viele Lehrkräfte aktuell tatsächlich fehlen“

Dass auch der Umkehrschluss nicht erlaubt ist – also eine Personalausstattungsquote jenseits der 100 Prozent sofort bedeutet, dass eine Schulen exzellent dasteht –, macht Andreas Illigen, Leiter der Schildbergschule und Sprecher der Schulleitervertretung, klar: „Die Zahlen sind überhaupt nicht repräsentativ. Die Personalausstattungsquote sagt ja zum Beispiel nichts darüber aus, wie viele Lehrkräfte durch Elternzeit, Schwangerschaft oder Krankheit gerade nicht an der Schule sind.“

„Ankommen nach Corona“ ermöglicht weiteres Personal

Laut Bezirksregierung Düsseldorf ermöglicht das Landesprogramm „Ankommen nach Corona“, das „erhebliche Mittel“ bereitstelle, zusätzliches Personal einzustellen. Hiervon profitiere auch die Wilhelm-Busch-Schule. Kletter- und Hip-Hop-Angebote könnten dort durchgeführt werden, die von den Schülern „sehr gut angenommen“ würden. „Diese zusätzlichen Angebote entlasten die Gesamtsituation, weil dadurch die regulären Lerngruppen temporär kleiner sind“, so die Sprecherin.

Bei der Umsetzung aller Maßnahmen sei zu beachten, „dass derzeit bedauerlicherweise ein Lehrkräftemangel besteht, sodass die Gewinnung von Lehrkräften sehr schwierig und leider nicht immer erfolgreich ist“. Dies sei darin begründet, dass nicht ausreichend Lehrkräfte für eine Einstellung zur Verfügung stehen, so die Sprecherin.

In Mülheim haben 25 Schulen eine Ausstattungsquote von über 100 Prozent, liegen zum Teil sogar deutlich darüber: Zu den Spitzenreitern der Statistik gehören die Otto-Pankok-Schule mit 109,6 Prozent, die Realschule Mellinghofer Straße mit 104,6 Prozent und die Schule am Hexbachtal mit 107,6 Prozent. Viele Grundschulen landen sogar noch über diesen Werten: Die Zunftmeisterstraße hat eine Quote von 125,7 Prozent und die Augustastraße eine von 124,8 Prozent. Doch all das bedeutet für Illigen wenig: Er wisse, dass in Mülheim keine einzige Grundschule überbesetzt ist, auch wenn sich die Liste so lesen lasse. So gebe es zum Beispiel auch an der Augustastraße mit fast 125 Prozent „teilweise personelle Probleme“.

Die Schulen werden aus einem flexiblen Pool an Hilfslehrkräften aufgestockt

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Die Schulen würden aus einem flexiblen Pool an Hilfslehrkräften aufgestockt. „Und wenn es massive Unterschiede zwischen der Zahl der regulären Lehrkräfte gibt, werden sie auch an einer anderen Schule eingesetzt.“ In der Realität gebe es daher nicht so drastische Unterschiede wie etwa zwischen der Grundschule an der Trooststraße mit – laut Statistik – 97,3 Prozent und der Pestalozzi-Schule mit 120,9 Prozent.

Auch Heike Freitag betont: „Das ist nicht der physische Stellenplan, sondern eine Übersicht, wie es wäre, wenn alle da sind.“ Sie selbst habe die Übersicht über die tatsächlich arbeitenden Lehrkräfte – und da sei das Bild ein ganz anderes. „Langzeiterkrankungen und Ähnliches werden hier nicht mitberücksichtigt, aber eben auch keine Vertretungslehrkräfte.“

Freude im Mülheimer Schulamt über mehrere Einstellungen in den kommenden Monaten

So lang es keine Vielzahl akuter Krankheitsfälle gebe, könnten die Mülheimer Schüler umfassend unterrichtet werden, so Freitag. Drei Covid-19-Erkrankungen auf einen Schlag aber könnten schon eine schmerzhafte Lücke reißen. Freitag freut sie sich aktuell über weitere Einstellungen in den kommenden Monaten: „Bisher konnten wir 14 neue Lehrkräfte einstellen und es sollen noch mehr kommen.“

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Die Sprecherin der Bezirksregierung weist darauf hin, dass bei der Interpretation der Daten eines zu beachten sei: „Es handelt sich um eine stichtagsbezogene Momentaufnahme.“ Alle noch in Bearbeitung befindlichen Vorgänge wie etwa Neueinstellungen, Pensionierungen, Elternzeit oder Altersteilzeit könnten nicht berücksichtigt werden. Einen Rückschluss auf Unterrichtsausfall lasse die Quote nicht zu.

Bezirksregierung: An der Wilhelm-Busch-Förderschule wird der Stundenplan „voll erfüllt“

Mülheims Wilhelm-Busch-Schule hat eine Personalausstattungsquote von gerade 87,9 einmal Prozent.
Mülheims Wilhelm-Busch-Schule hat eine Personalausstattungsquote von gerade 87,9 einmal Prozent. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Selbst an Mülheims vermeintlichem Problemfall Nummer eins, der Wilhelm-Busch-Förderschule, werde der Stundenplan „aktuell voll erfüllt“, betont die Sprecherin. Der Schulaufsicht liege kein Antrag auf Kürzung des Unterrichts vor. „Einzelne Angebote der inneren und äußeren Differenzierung“ seien vorübergehend aber „angepasst oder reduziert“ worden.

47,5 Stellen stehen der Schule laut der Statistik zu, 41,7 sind besetzt. Laut Bezirksregierung wird die Situation vor Ort genau analysiert und es werde viel getan, um zu helfen: So sei zu Beginn des Schuljahres die Stelle einer Lehrkraft von der Rembergschule an die Wilhelm-Busch-Förderschule umverteilt worden. Außerdem bestehe die Möglichkeit, zum 1. Mai 2022 drei Stellen zu besetzen.

Diese sind auch zugänglich für Seiteneinsteigende, um den Bewerberkreis zu erweitern. Zudem wurde eine Stelle für eine Lehrkraft in eine Stelle für Schulsozialarbeit umgewandelt – ebenfalls wegen besserer Erfolgsaussichten. Im März kehre eine Lehrkraft aus der Elternzeit zurück. Schulleiterin Silke Schraven wollte zu dem Fall übrigens selbst keine Stellung nehmen und verwies an die Behörden.