Mülheim. Holzhäuser, die in Mülheim einst Flüchtlingen Obdach gewährt haben, werden nun von der GGS Styrum genutzt. Ein gutes Beispiel für Nachhaltigkeit.
In der Flüchtlingskrise 2015/16 ist die Stadt Mülheim eigene Wege gegangen und hat sich – anders als etwa Essen – für Holzhäuser als Unterkünfte entschieden. Man war überzeugt von der Idee, schon allein, weil sich die Neuankömmlinge in den stabilen Bauten wohl besser fühlten als in einfachen Zelten, die andernorts aufgebaut wurden. „Es war eine menschenwürdige Unterkunft“, findet Frank Buchwald, Leiter des Immobilien-Service. Auch heute hält er die Entscheidung noch für richtig: Die vom Architektenbüro Plan Forward entwickelten Holzhäuser lassen sich nämlich exzellent weiterverwenden, wie ein Neubau an der Gemeinschaftsgrundschule Styrum zeigt. Für Buchwald „ein gelungenes Beispiel für Nachhaltigkeit“.
Lange Jahre hat man am Schulstandort Augustastraße gehofft und gewartet. Darauf, dass endlich etwas passieren möge mit dem maroden Gebäude. Der älteste Teil des rot geklinkerten Hauses stammt aus dem Jahr 1899, aber auch jüngere Teile waren in schlechtem Zustand. Seit diesem Schuljahr ist man nur noch froh: Nach gut zwei Jahren Bauzeit steht ein modernes OGS-Gebäude mit Mensa. Und jüngst ist der 810 Quadratmeter große Pavillon fertig geworden, jenes besondere Gebäude, das aus zwei Holzhäusern des Flüchtlingsdorfs auf dem Kirmesplatz in Saarn herangewachsen ist. So hat die Stadt genug Ausweichfläche geschaffen, um das baufällige Haupthaus vorübergehend leerzuziehen und in Ruhe zu sanieren.
Wo sich heute Erst- bis Viertklässler wohlfühlen, waren einst Flüchtlinge zu Hause
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Wo sich heute Erst- bis Viertklässler wohlfühlen, waren einst Flüchtlinge zu Hause. Die beiden 40 Meter langen, 10 Meter breiten und 3 Meter hohen Holzhäuser sind als solche allerdings kaum mehr zu erkennen; der Besucher nimmt den Komplex als Einheit wahr, von einer Seite strahlend weiß verputzt, von der anderen mit schwarz beschichtetem Aluminium versehen. Ein großzügiger, gläserner Eingangsbereich verbindet die zwei Teile, die auf Betonplatten stehen und voll ausgestattet sind. Einzig an den Außenanlagen wird noch gewerkelt, Bäume werden gepflanzt, massive Natursteine verlegt, Wege und Sitzgelegenheiten geschaffen.
Das Gebäude ist wegen der allgemein schwierigen Lage in der Baubranche sechs Monate später fertig geworden als angepeilt, doch das ist mittlerweile fast egal. Buchwald freut sich über das Ergebnis: „Das Gebäude sollte auch gestalterisch etwas hermachen“ und das sei gelungen. Simone Müller-Dausel, Leiterin der GGS Styrum, bestätigt ihn voll und ganz: „Es sind richtig schöne Schulräume geworden, groß und hell.“ Sie spricht von „Luxus“. Vier Klassen und die Vorschulgruppe nutzen den Pavillon. Auch das Lehrerzimmer, das Sekretariat sowie das Schulleiterzimmer befinden sich derzeit dort.
Bis 2023 soll die Generalsanierung des Altbestandes abgeschlossen sein
Die anderen drei Klassen der GGS Styrum haben vorübergehend im OGS-Gebäude auf der anderen Seite des Altbaus Platz gefunden. Bis 2023 soll die Generalsanierung des Altbestandes abgeschlossen sein. Die Schadstoffsanierung läuft; später geht’s an die Fußböden, Decken, Türen, Toiletten, Fenster. . . Und ein Anbau wird hochgezogen. Wenn alles fertig ist, ziehen die sieben Klassen zurück ins Haupthaus. Und auch die Schülerinnen und Schüler, die jetzt noch am Ableger Meißelstraße unterrichtet werden, kommen hinzu. „Dann wird es nur noch einen Standort geben“, so Müller-Dausel.
Verwendung der Holzhäuser hatte auch finanzielle Vorteile
Rund zweieinhalb Millionen Euro hat der Bau des aus den zwei Holzhäusern errichteten Pavillons gekostet. Für den OGS-Neubau sowie die jüngst begonnene Rundumerneuerung des Altbaus fallen weitere zehneinhalb Millionen Euro an, schätzt Frank Buchwald, Amtsleiter Immobilienservice.
Der Großteil des Geldes kommt aus der Stadtkasse, an der Finanzierung des OGS-Gebäudes aber hat sich auch das Land NRW beteiligt: mit 2,2 Millionen Euro aus dem Programm „Gute Schule 2020“.
Der Bau, in dem eines Tages bis zu sechs OGS-Gruppen Platz finden werden, ist aus so genannten Modulen entstanden. Hätte man den Pavillon entsprechend errichtet, wäre er mehr als 20 Prozent teurer geworden, so Buchwald. Auch von daher sei die Zweitverwertung der Flüchtlingsunterkünfte ein Gewinn. Die Holzhäuser werden auch an anderen Mülheimer Schulstandorte zum Einsatz kommen, kündigte er an.
Ihre Schule wird wachsen, da ist sie sich sicher. Das zeigten alle Daten. Aus den heute 250 Jungen und Mädchen könnten womöglich 300 werden und aus elf Klassen zwölf. Die Schulleiterin rechnet zudem mit sechs OGS-Gruppen. Durch den Ausbau sei das zum Glück kein Problem. Selbst mit Blick auf den angekündigten Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz für jedes Kind bleibe sie „noch entspannt“.
Der Kunstbereich der Willy-Brandt-Schule soll später einziehen
Die Grundschule wird nach Abschluss aller Arbeiten nur noch ihr angestammtes Gebäude nutzen sowie den OGS-Bau. Aus dem jetzt schon liebgewonnenen Pavillon müssen die Kinder dann wieder raus. Das bedeutet aber keinesfalls das Ende der schönen Geschichte von der Zweitverwendung der Flüchtlingshäuser. Die Schüler der benachbarten Willy-Brandt-Schule werden einziehen. Künftig wird dort Kunst in allen bunten Facetten unterrichtet.
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Auch an anderen Mülheimer Schulen und Sportstätten – so am Styrumer Stadion – sollen Gebäude aus den ehemaligen Unterkünften entstehen. Für Frank Buchwald steht fest: „Dass wir uns damals für die Holzhäuser entschieden haben, war in allen Punkten richtig. Wir haben die Weitsicht gehabt, uns gleich zu Beginn zu fragen, was eigentlich mit den Unterkünften passiert, wenn die Flüchtlinge versorgt sind.“