Mülheim. Im Mülheimer Impfzentrum ging der Betrieb bis zum letzten Tag weiter. Viele nutzten das Angebot ohne Termin. Impfärzte ziehen positive Bilanz.

Das Impfzentrum schließt wie geplant am 30. September um 20 Uhr – doch bis ganz zum Schluss werden noch Erst-, Zweit- und Drittimpfungen verabreicht. „Business as usual“ also, auch wenn der Oberbürgermeister zwischendurch vorbeischaute, um sich beim gesamten Team ganz persönlich für den Einsatz zu bedanken. Am 9. Februar begannen die Impfungen, über 102.000 Dosen wurden letztlich im Impfzentrum verabreicht. Die leitenden Impfärzte Dr. Stephan von Lackum und Notarzt Thomas Franke ziehen nach fast acht Monaten eine positive Bilanz.

Hundertjähriger kam erst vor wenigen Tagen zur Erstimpfung

Manche haben es sich schon sehr spät überlegt mit der Corona-Schutzimpfung, erzählt Dr. von Lackum. Letzte Woche erst sei ein betagtes Mülheimer Ehepaar zur Erstimpfung vorbeigekommen: Sie ist 98 Jahre, er 100 Jahre alt. „Der Mann fühlte sich nicht gefährdet.“ Die absolute Ausnahme, denn die Generation über 80 war ja schon im Februar als erstes an der Reihe, als es losging mit den Schutzimpfungen auf dem ehemaligen Tengelmann-Gelände. Viele Mitbürger bekamen jetzt, in den letzten Tagen des Impfzentrums, schon ihre dritte Injektion.

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Darunter Björn Gliem (53), der mit einer Spenderniere lebt. Er kam am Donnerstag vorbei, ohne Termin, aber mit Ehefrau Heike. Beide finden es schade, dass das Impfzentrum schließt: „Das geht hier so schnell und unkompliziert“, lobt der Altenpfleger. „Und man weiß ja gar nicht, ob auch alle Hausärzte impfen.“ Unbedingt dort nachfragen, rät Dr. von Lackum, der weiß, dass derzeit 44 Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mülheim alle Impfwilligen versorgen. Und viele Praxen die eigenen Patienten sowieso.

Ein Impfkandidat versuchte, Barcodes und Stempel zu klauen

Die Polizei musste selten einschreiten im Impfzentrum: Aber in der vergangenen Woche wurde ein Impfkandidat dabei erwischt, wie er versuchte, Barcodes und einen Stempel mitgehen zu lassen, berichtet Stephan von Lackum. Damit könne man möglicherweise Impfpässe und -zertifikate fälschen. Auch wegen Ruhestörung und Belästigung musste die Polizei einmal eingreifen. Den Rest habe der Sicherheitsdienst erledigt, der zum Schutz der Einrichtung und des Personals täglich vor Ort war. „Das war auch notwendig“, so der Impfarzt.

Jetzt übernimmt die Koordinierende Covid-Impfeinheit (KoCI)

Auch wenn das Impfzentrum schließt, werden mobile Impftermine weiterhin angeboten. Dafür sorgt ab Oktober in Mülheim die Koordinierende Covid-Impfeinheit (KoCI), die in jeder Kommune eingerichtet wird.

„Das muss man sich als Impfzenrum light vorstellen“, erklärt Impfarzt Dr. Stephan von Lackum, der mit seinem Kollegen Thomas Franke auch bei der KoCI mitarbeitet.

Die KoCI erarbeitet Perspektiven für das Impfgeschehen und ist zentraler Koordinationspartner für Ärzteschaft und Einrichtungen z. B. in der Pflege.

Einmal wurde ein Impfgegner, der auf dem Gelände Flugblätter verteilte, weggeschickt. Auch musste der Ordnungsdienst Autorität zeigen, als zu Beginn, als der Impfstoff noch so knapp war, Impfdrängler auf einer Impfung bestanden, obwohl sie noch nicht an der Reihe waren, so von Lackum. Manche hätten es gar mit Bestechung versucht: „Es gab unlautere Angebote, von Geld über Sex bis zu Gewalt“, schmunzelt von Lackum. „Wurde aber alles abgelehnt.“ Auch die fünfstellige Summe eines Mannes, der dann wohl im Ausland vorzeitig eine Impfung bekam.

Das seien aber Einzelfälle gewesen, betont von Lackum, es habe nur wenige gegeben, die die Impfreihenfolge nicht akzeptieren wollten, und da gab es allenfalls verbale Auseinandersetzungen: „Die Mülheimer Bevölkerung hat sich vorbildlich verhalten: diszipliniert, freundlich und verständnisvoll“, lobt der Impfarzt.

Akut mussten keine schweren Impfreaktionen behandelt werden

„Ernste Impfreaktionen unmittelbar nach der Impfung, wie etwa eine schwere allergische Reaktion, das hatten wir nicht“, sagt Impfarzt Thomas Franke. Für Unwohlsein, Schwindel und andere Befindlichkeitsstörungen waren die Sanitäter vom DRK im Einsatz, insgesamt 160 Mal, bilanziert Franke. 42 Mal wurde ein Krankenwagen gerufen, 13 Mal auch ein Rettungswagen, der den Patienten unter Beobachtung ins Krankenhaus brachte. Dreimal musste ein Notarzt gerufen werden. „Wir hatten hier viele über 80-jährige Impflinge“, erinnert Thomas Franke. „Diese Menschen sind auch schon vorher krank gewesen und haben während ihres Aufenthalts im Impfzentrum ärztliche Hilfe benötigt.“ Darunter sei etwa auch ein Bürger gewesen, der auf dem Parkplatz mit dem Knöchel umgeknickt war.

Stromausfall und der plötzliche Stopp für Impfungen mit Astrazeneca

In Erinnerung bleibt dem Team auch der große Stromausfall am 22. März: Das Gebäude musste geräumt, Notstrom gelegt werden. „Wir haben aber alle geplanten Impfungen bis zum Abend noch geschafft“, erinnert sich Thomas Franke, der als leitender Impfarzt im Einsatz war. Auch der plötzlich vom Land verhängte Stopp der Impfungen mit Astrazeneca wenige Tage später am 30. März hat das Impfzentrum mitten im Betrieb kalt erwischt. „Die Leute waren natürlich enttäuscht, aber sie haben eigentlich alle sehr verständnisvoll reagiert“, erinnert sich Franke.

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n Mülheim wurde kein Impfstoff gestohlen, und auch so kam nichts um: Man habe immer versucht, den überschüssigen Impfstoff an andere weiterzugeben, etwa an die Krankenhäuser. „Darauf sind wir auch stolz“, betont Sabine Schön, die als Einsatzleitung vom Dienst für die KV über die verwendeten Impfdosen Buch führt. Am Donnerstagabend schließt sie die Tür im Impfzentrum zum letzten Mal ab.