Mülheim. „Impfdrängelei“ wirft ein anonymer Mitarbeiter der Mülheimer Fliedner-Stiftung vor. Dort hakt es beim Impfen. Aber geht es ungerecht zu?

In mehreren Einrichtungen der Theodor-Fliedner-Stiftung hat es schon Corona-Ausbrüche gegeben. Gleich zu Beginn der Pandemie, im März 2020, war das Seniorenheim „Wohnen im Alter“ betroffen. Später gab es nach Auskunft von Fliedner auch Infektionen im heilpädagogisch begleiteten Wohnen und im Hermann-Giese-Haus. Dort leben 53 Menschen mit Behinderung, sie werden von 40 Mitarbeitern betreut.

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Im November, Dezember wurden etwa 20 Bewohner und vier Beschäftigte des Hermann-Giese-Hauses positiv getestet. „Glücklicherweise mit leichtem Verlauf“, teilte eine Fliedner-Sprecherin auf Anfrage mit. In einer Mail, die diese Redaktion erreicht hat, wird den Verantwortlichen der Fliedner-Stiftung jetzt „Fahrlässigkeit“ vorgeworfen und „Impfdrängelei“ unterstellt.

Leitungskräften der Mülheimer Fliedner-Stiftung wird „Impfdrängelei“ vorgeworfen

Im Mittelpunkt der Kritik steht die Vorgehensweise im Hermann-Giese-Haus. Mit Ausnahme der Einrichtungsleiterin sei dort noch niemand geimpft. Offizielle Begründung: Es sei nicht ausreichend Impfstoff vorhanden. Dagegen habe „die übrige Theodor-Fliedner-Stiftung samt Verwaltungsmitarbeitern und Vorstand bereits die zweite Impfung hinter sich“. Seit Ende Dezember würden Bewohner und Mitarbeiter des Hermann-Giese-Hauses vertröstet, „während die Angehörigen der Leitungsebene sich als Impfdrängler entpuppt haben“.

Die Person, die den Führungskräften der christlich verankerten Stiftung diesen Egoismus unterstellt, möchte ihren Namen nicht preis geben. Denn: Fliedner gehe nicht zimperlich um mit Mitarbeitern, die sich kritisch äußern. Offenbar ist es jemand aus dem Team des Hermann-Giese-Hauses. Der Schreiber oder die Schreiberin versichert jedenfalls, dass die Schilderung der Wahrheit entspreche.

Kritiker arbeitet offenbar im Hermann-Giese-Haus, will aber anonym bleiben

Tatsächlich treffen die Fakten in puncto Impfungen auch zu. Die Theodor-Fliedner-Stiftung präsentiert aber auf Nachfrage eine andere Erklärung dafür, dass das Hermann-Giese-Haus bislang zurückstehen musste. Termine seien abgesagt worden, weil der Impfstoff nicht reicht. Bedauerlicherweise.

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Wie eine Sprecherin der Stiftung ausführlich erläutert, gab es bislang zwei Impftermine am Fliedner-Standort in Selbeck: am 21. Januar und am 11. Februar. Eingeladen waren alle Bewohnerinnen und Bewohner und alle Mitarbeitenden in Mülheim.

Auch alle Leiharbeitskräfte, die coronabedingt benötigt wurden, hätten ein Impfangebot bekommen, sowie Beschäftigte von Fremdfirmen, die in den Einrichtungen arbeiten, etwa Reinigungskräfte. „Aufgrund der Menge“ hätten am ersten Termin auf dem Campus jedoch nicht alle zeitgleich geimpft werden können.

Fliedner bedauert: Erstimpfungen abgesagt, weil Impfstoff nicht reichte

Also wurde ein zweiter Termin am 11. Februar angesetzt, für die Zweitimpfungen und für Erstimpfungen, unter anderem im Hermann-Giese-Haus. Zwischenzeitlich sei aber bundesweit Impfstoffmangel eingetreten, hätten Impfstopps verhängt werden müssen. Daher „wurden die Erstimpfungen für den zweiten Termin leider abgesagt“, so die Fliedner-Sprecherin. Dies sei „besonders bedauerlich“, weil man ansonsten allen Fliedner-Mitarbeitern, -Bewohnern und -Nutzern ein Angebot hätte machen können.

Stiftung will für Impfangebot kämpfen

Die Theodor-Fliedner-Stiftung hat nach eigenen Angaben mehr als 2500 Mitarbeitende bundesweit an über 30 Standorten.

Ziel sei, eine möglichst hohe Impfbereitschaft zu erreichen.

Man wolle „mit aller Macht dafür kämpfen“, dass alle Beschäftigten und Bewohner möglichst schnell ein Impfangebot bekommen.

„Ein neuer Termin soll zeitnah erfolgen“, heißt es weiter, „leider liegt uns noch kein konkretes Datum vor“. Aktuell sind nach Angaben der Stiftung mehr als 800 Mitarbeiter und Bewohner in Mülheim bereits geimpft worden. In der nächsten Runde wird auch das Hermann-Giese-Haus an die Reihe kommen. So lange müssen die Bewohner und Beschäftigten sich gedulden. Nur die Einrichtungsleiterin, das bestätigt Fliedner, ist schon geimpft worden. Sie leite aber auch noch ein Wohnangebot im Dorf und in Duisburg.