Mülheim. In Rekordzeit verschwinden die großen Wahlplakate in Mülheim. Impf-Reklame ersetzt sie. Was die städtische Aktion kostet und wie sie wirken soll.

Olaf Scholz hat in Mülheim ausgedient, noch ehe die ersten Koalitionsgespräche beginnen. Nicht besser ergeht es Armin Laschet oder Annalena Baerbock. Kaum sind die letzten Stimmen ausgezählt, entfernt die Stadt die übergroßen Abbilder aller Kandidatinnen und Kandidaten, überklebt jede einzelne Plakattafel. Seit Montag ist statt Wahlreklame zu sehen: Werbung für die Corona-Impfung.

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In Mülheim werden 101 Wahlplakate mit Impfwerbung überklebt

Insgesamt 101 Aufsteller - in Anlehnung an die Werbefirma auch „Wesselmänner“ genannt - wurden im gesamten Stadtgebiet überklebt. Die Idee stammt von Oberbürgermeister Marc Buchholz, der absolut begeistert wirkt von der „partei- und gesellschaftsübergreifenden Aktion“. Denn neben führenden Köpfen aus der Verwaltung, Lokalpolitikerinnen und dem leitenden Impfarzt stehen auch Repräsentanten des Integrationsrates oder von Moscheevereinen mit ihrem Porträtfoto für die Kampagne ein.

Die Slogans lauten: „Nur Impfen hilft!“ und „Impfen rettet Leben!“ Sie tauchen in neun Sprachen auf. Bis Anfang, Mitte nächster Woche sollen die Plakatwände stehen bleiben, rund 5000 Euro hat die Aktion nach Auskunft des OB gekostet. Allerdings hat die bisherige Impfkampagne in Mülheim, haben die vielfältigen Sonderimpfungen gezeigt, dass sich viele Menschen nicht von Papier überzeugen lassen, eher von Vertrauenspersonen.

Insgesamt 101 große Wahlplakate in Mülheim tragen jetzt Impfwerbung, wie diese Stellwände vor den historischen Mauern von Schloß Broich.
Insgesamt 101 große Wahlplakate in Mülheim tragen jetzt Impfwerbung, wie diese Stellwände vor den historischen Mauern von Schloß Broich. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Die Plakataktion soll daher nicht nur im Stadtbild auffallen, sondern auch digital verbreitet werden. So will Gilberte Raymonde Driesen, stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrates, die Kampagne über WhatsApp teilen. Außerdem, kündigt sie an, soll im Rahmen der gerade gestarteten Interkulturellen Woche für das Impfen geworben werden.

Vorbeter beim Freitagsgebet spricht das Thema Impfen an

Ebenso steht Nuk Yener, Vertreter eines türkischen Moscheevereins, mit seinem Gesicht für die Impfkampagne. Er betrachtet vor allem die Freitagsgebete als günstige Gelegenheit, um viele Menschen zu erreichen: „Der Vorbeter spricht das Thema dort an.“ Vorbehalte gegen die Corona-Impfung nimmt Yener übrigens eher bei jungen Leuten wahr.

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Zu den Protagonisten der Kampagne gehört auch Dr. Stephan Lackum, leitender Impfarzt in Mülheim, dem nur noch bis 30. September ein öffentliches Impfzentrum zur Verfügung steht. Er meint: „Jede Art von Ansprache ist wichtig. Viele tausend Impfwillige werden wir nicht mehr kriegen, aber für die letzten Prozente müssen wir hohen Aufwand betreiben.“

Bei Sonderimpfungen stehen jetzt Biontech oder Johnson & Johnson zur Wahl

Wirkung zeigt offenbar auch eine Anpassung des Angebotes: Da einige Menschen die Impfung mit Biontech offen ablehnen, etwa weil sie den Zweittermin scheuen, werden jetzt bei den Sonderimpfungen in Mülheim zwei Impfstoffe zur Auswahl gestellt. Wer möchte, bekommt Johnson & Johnson. In dieser Form hat es am Samstag eine erneute Impfaktion in der Diskothek „Ballermann“ gegeben, wo beim ersten Mal nur 73 Impfwillige gezählt wurden. Dieses Mal lief es besser. 101 Personen wurden geimpft, sogar Drittimpfungen fanden dort statt.

Sonderimpfungen im Oktober

Im Oktober finden an jedem SamstagSonderimpfungen (Erst- und Zweitimpfungen) im Einkaufszentrum Forum statt, jeweils von 10 bis 18 Uhr.

Termine sind der 2., 9., 16., 23. und 30. Oktober. Wahlweise wird Johnson & Johnson (Einmalimpfung) oder Biontech verimpft.

Am 28. September und 19. Oktober laufen jeweils von 13 bis 18 Uhr Impfaktionen in der VHS Mülheim an der Aktienstraße. Auch dort werden beide Impfstoffe angeboten.

Zwar soll die Plakatkampagne den Weg zu den Hausarztpraxen weisen, doch ohne weitere Sonderimpfungen werde es nicht gehen, betont Krisenstabsleiter Dr. Frank Steinfort: „Wir rechnen mit rund 20.000 Menschen, die noch ihre erste, zweite oder dritte Impfung bekommen wollen - bei 44 Hausarztpraxen. Das wird die Praxen überfordern, sie müssen entlastet werden.“ Mit mobilen Teams will die Stadt ab Oktober regelmäßige Impfangebote machen, etwa jeden Samstag im Einkaufszentrum Forum.