Gladbeck. Zum ersten Mal seit langer Zeit ist die CDU wieder Wahlsieger in Gladbeck. Doch auch die Rechtspopulisten von der AfD triumphieren. Eine Analyse.
Ein genauer Blick auf die Ergebnisse der Europawahl zeigt, dass die Hochburg der AfD längst nicht mehr nur der Gladbecker Süden ist. Im Gegenteil, am besten schnitten die Rechtspopulisten im Wahlbezirk Schultendorf ab. Dort stimmten 27,16 Prozent der Wähler für die AfD. Dahinter landete der Bezirk Ellinghorst (24,4 Prozent) und der Rosenhügeler Süden (24,28 Prozent). Auch in den beiden Zweckeler Wahlbezirken machten mehr als 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz bei der AfD.
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Dabei gehört die Gladbecker AfD auch innerhalb der NRW-AfD zu denen, die offen rechts auftritt. So hatte die Partei zu einem Infostand mit dem Dortmunder Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich eingeladen. Das ist der Abgeordnete, der sich selbst als „freundliches Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet hat. Helferich ist nicht Mitglied der AfD-Fraktion im Bundestag, seine Anträge auf Aufnahme scheiterten.
Stattdessen will ihn die Landespartei aus der AfD werfen, da er gegen das Grundgesetz verstoßen haben soll. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Der Auftritt in Gladbeck kam letztlich nicht zustande, weil Helferich überraschend in den Landesvorstand der NRW-AfD gewählt worden war und zur konstituierenden Sitzung des Gremiums musste, auf der Facebook-Seite der Gladbecker Partei war der Auftritt jedoch lange vorher beworben worden.
Gladbecks AfD rechnet den Erfolg dem umstrittene Spitzenkandidaten Krah an
Auch der umstrittene AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, kommt auf dem Facebook-Auftritt der Gladbecker AfD ausführlich zu Wort. Und das, obwohl die Bundesspitze ihren Kandidaten eigentlich aufs Abstellgleis geschoben hatte, nachdem Krah in einem Interview in Frankreich die SS verharmlost hatte. Das brachte bei den europäischen Partnern der Rechtspopulisten das Fass zum Überlaufen, sie schlossen die Deutschen aus ihrer Fraktion aus. Zuvor schon war ein enger Mitarbeiter Krahs verhaftet worden, er wird beschuldigt, für China spioniert zu haben. Krah selbst sagt man eine große Nähe zu Russland und Putin nach.
Gladbecks AfD-Sprecher Marco Gräber macht indes ausgerechnet Maximilian Krah für den Erfolg seiner Partei bei jungen Wählerinnen und Wählern verantwortlich. Denn bei den Jungwählern haben CDU und AfD mit Abstand am besten abgeschnitten. „Krah hat bei TikTok eine unfassbare Reichweite“, so Gräber. Dort habe er die Themen der AfD direkt bei den jungen Menschen platzieren können. Das zeigt, dass die Strategie der AfD funktioniert, die sozialen Medien geschickt als Plattform einzusetzen, um gezielt Jugendliche auf ihre Seite zu ziehen. Bleibt die Frage, warum sich nicht auch die demokratischen Parteien hier stärker einbringen, dieses Instrument für sich nutzen.
Gladbecks Bürgermeisterin will in politische Bildung investieren
Auch die vorher schon bekannt gewordenen Pläne der AfD zur massenhaften „Remigration“, wie sie in einer Konferenz in Potsdam besprochen worden waren – ging es nach den Teilnehmern, sollten auch Menschen, die seit vielen Jahren legal in Deutschland leben, gedrängt werden, das Land zu verlassen –, führten nicht dazu, dass die Gladbeckerinnen und Gladbecker sich von der AfD abwandten. Erneut konnte sie in der Stadt hinzugewinnen, steht nun bei knapp 20 Prozent und wäre um ein Haar sogar vor der SPD gelandet. Daran geändert hat auch die große Demonstration im Januar nichts. Damals waren rund 1000 Menschen in Gladbeck auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren.
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Für Bürgermeisterin Bettina Weist wirft das gute Abschneiden der AfD viele Fragen auf. Eines steht für sie dabei fest: „Wir müssen mehr in die politische Bildung junger Menschen investieren.“ In einer Stadt wie Gladbeck sieht sie zudem vor allem große Herausforderungen hinsichtlich der sozioökonomischen Lage. Da sei die Hilfe von Bund und Land gefragt.
Bündnis Sarah Wagenknecht kommt in Gladbeck aus dem Stand auf fast sechs Prozent
Der SPD-Vorsitzende Dustin Tix sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass alle AfD-Wählerinnen und Wähler die Denkmuster dieser Partei teilten. Das mag stimmen, trotzdem sollte jedem, der sein Kreuzchen bei dieser Partei gemacht hat, inzwischen klar sein, wen er da wählt. Eine Partei, die sich zunehmend radikalisiert, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird und die Rechtsextreme in herausragenden Positionen in Partei und Parlamenten duldet.
Dabei sah es zu Anfang so aus, als habe die AfD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Konkurrenz bekommen. Tatsächlich kam die neue Partei auch in Gladbeck aus dem Stand auf 5,46 Prozent. Dabei gibt es in NRW noch nicht einmal einen Landesverband, auch vor Ort keine Gruppierung. Es existiert lediglich eine E-Mail-Adresse, an die sich Interessenten wenden können. Zudem hat das BSW auch in Gladbeck fleißig plakatiert, vor allem das Porträt ihrer Gründerin. Dass die gar nicht zur Wahl stand, spielte letztlich keine Rolle. Aber schließlich hatten sich auch Olaf Scholz und Friedrich Merz nicht um einen Parlamentssitz in Brüssel und Straßburg beworben.
Grüne sind die Verlierer des Wahlsonntags in Gladbeck
Zu den Verlierern des Wahlsonntags in Gladbeck zählt aber nicht nur die SPD. Auch die Grünen in Gladbeck wurden von den Wählerinnen und Wählern abgestraft – wie alle Berliner Ampel-Parteien. Dabei hatten sich die Grünen im Straßenwahlkampf engagiert und waren in Gladbeck auch in den sozialen Netzwerken aktiv. Schwierig zu sagen, ob die Niederlage nicht ein Stück weit auch auf die internen Querelen der hiesigen Grünen zurückzuführen ist. Die vergangenen Monate waren geprägt von Personalwechseln in Fraktion und Partei, ganz aktuell hat sich herausgestellt, dass Frederic Uschmann seinen Vorstandsposten abgegeben hat, aus der bisherigen Doppelspitze ist nun allein Sandra Borgwerth im Amt.
Zuletzt war auch in der Ratssitzung ein Konflikt in der Grünen-Fraktion öffentlich geworden. Fraktionsvorsitzende Ramona Karatas hatte sich im Namen der gesamten Fraktion von Äußerungen ihrer Stellvertreterin Elke Marita Stuckel-Lotz distanziert, die zuvor in der Sitzung das Auswahlverfahren für den neuen Schuldezernenten kritisiert hatte.
Investitionsoffensive für die Region wäre auch Investition in die Demokratie
Doch welche Lehren lassen sich aus der Wahl ziehen? Richtig ist sicher, dass es vielfach auch bundespolitische Themen waren, die die Entscheidung an der Urne beeinflusst haben. Trotzdem sollte man das Ergebnis vor Ort nicht einfach abtun. Ein Gegensteuern dürfte jedoch schwierig sein, vielleicht ist es allein vor Ort sogar gar nicht mehr zu schaffen. Dustin Tix verweist auf das Ergebnis in Münster. Dort hat die AfD weniger als fünf Prozent der Stimmen erhalten. Im strukturschwachen Ruhrgebiet und insbesondere in der Emscher-Lippe-Region schnitt die Partei umso besser ab.
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Für Tix ist das ein Indiz, dass Bund und Land endlich das Ruhrgebiet stärker in den Fokus nehmen müssten. Zeige die EU-Wahl doch, dass überall dort, wo in den Haushaltsberatungen um jeden Euro gekämpft werden müsse, wo nicht in dem Maße in Infrastruktur investiert werden könne, wie es eigentlich nötig wäre, wo Kita-Plätze fehlten, die extremen Ränder erstarken würden. Es brauche dringend einen Altschuldenschnitt und eine Investitionsoffensive. „Das wäre dann nämlich auch eine Investition in die Demokratie“, so die Überzeugung des SPD-Chefs.
Probleme nicht nur ansprechen sondern konstruktiv nach Lösungen suchen
Tatsächlich sind auch beim Wahlsieger CDU neben der Freude über den Erfolg in Gladbeck nachdenklich Töne zu hören. Vorsitzender Dietmar Drosdzol nennt es beängstigend, wie gut die AfD bei einer Europawahl abschneide. Aber auch er sieht strukturelle Probleme, gerade im Ruhrgebiet. Und die ließen sich ohne Unterstützung von Bund und Land nicht lösen. Hinzu komme aber auch, dass es aus seiner Sicht nötig sei, bestehende Probleme auch deutlich anzusprechen.
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Wichtig ist dann aber auch, auf kommunaler Ebene die Probleme nicht nur anzusprechen, sondern gemeinsam konstruktive Lösungen zu finden und angesichts der knappen Kassen Prioritäten zu setzen, immer in der Hoffnung, dass Bund und Land sich womöglich doch noch bewegen und einen Teil dazu beitragen, die im Grundgesetz festgehaltene „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“, zu erreichen.
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