Gladbeck. König Fußball dominierte im Gladbecker Erzählcafè im Lange-Haus. Zwei Profis hatten viel zu berichten. Dann ging‘s noch um Graf von Luckner.
Rainer Weichelt, Beigeordneter der Stadt Gladbeck und bekennender BVB-Fan, nutzte die Chance und ließ sich das jüngst erworbene Trikot seines Herzensvereins, das zum 50-jährigen Bestehen des Dortmunder Westfalenstadions verkauft worden ist, von Klaus Albert signieren. Klaus wer?
Eine Geschichte vom gerade eröffneten Westfalenstadion, vom BVB und Schwarz-Weiß-Essen
Klaus Albert, gebürtiger und überzeugter Gladbecker, war einer der Gäste bei der Veranstaltung „Jupp, erzähl‘ mal“, zu der der Seniorenbeirat ins Fritz-Lange-Haus eingeladen hatte und die Rainer Weichelt als baldiger Ruheständler moderierte. Und Albert war der Fußballer, der vor 50 Jahren, am 28. April 1974, das erste Pflichtspieltor im gerade neu eröffneten Westfalenstadion erzielte – leider nicht, wie die Dortmund-Fans bedauern werden, für den BVB, sondern für Schwarz-Weiß Essen, wo Klaus Albert von 1970 bis 1977 Fußball spielte.
Das Premierentor – es war eine von vielen Anekdoten, die die Gäste im Erzählcafé des Seniorenbeirats zum Besten gaben. Mathias Schipper war auch dabei, ebenfalls in den 1970er-Jahren Fußballer beim FC Schalke 04 und bei Alemannia Aachen. So gut dotiert wie heutzutage waren die Profikicker seinerzeit nicht, wie die Gäste im Fritz-Lange-Haus erfuhren. Sowohl Klaus Albert als auch Mathias Schippert kümmerten sich neben ihrer Fußballer-Karriere um ihre berufliche Zukunft. Albert besuchte die Abendschule und arbeitete später als EDV-Experte bei der Bundesagentur für Arbeit.
Vom Fußballprofi zum Physiotherapeuten, der Paul McCartney massiert hat
Mathias Schippert, für den als Kind und Jugendlicher „die Schule eine nicht so große Bedeutung“ hatte, machte ebenfalls parallel zum Fußball einen höheren Schulabschluss, um eine Ausbildung als Physiotherapeut anzuschließen. In Gladbeck hatte er seine eigene Praxis, seinen prominentesten Patienten behandelte er allerdings in einem Hotel in Castrop-Rauxel. Dorthin hatte ihn die Tochter von Schalke-Manager Rudi Assauer, die in dem Hotel arbeitete, geholt, um Paul McCartney zu massieren.
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Viel zu viele Gäste hatte der Seniorenbeirat eingeladen, sodass für die Einzelnen mitunter nur wenig Zeit blieb, um mehr aus ihrem Berufsleben zu erfahren. Das hat Lehrerin Ruth Scheller an einer einzigen Schule verbracht – an der Lambertischule in Gladbeck. Ihr erster Eindruck, als sie sich die Schule von außen anschaute: O Gott, hier bleibst du aber nicht lange. Sie habe es dann doch 40 Jahre ausgehalten, erzählt die gebürtige Viersenerin – wegen des tollen Kollegiums, der tollen Eltern und Kinder und wegen der Offenheit, Ehrlichkeit und Freundlichkeit, mit der sie aufgenommen worden sei. Da hat es sie auch nicht gestört, als sich ein Schüler in der Unterrichtsstunde, in der sie der Schulrat begutachtete und in der es um ihre Verbeamtung ging, gleich zu Beginn meldete und fragte: „Hast du dich wegen des Mannes dahinten so schön gemacht?“
Als Lehrer nach Bottrop – die „Höchststrafe“
Georg Hänel, Ur-Gladbecker, bekam 1988 eine Stelle als Lehrer angeboten – in Bottrop. „Höchststrafe.“ Der Sport- und Englischlehrer trat sie aber an und wechselte später in die Lehrerausbildung. Was hat sich dort geändert?, will Moderator Rainer Weichelt wissen. In früheren Jahren, antwortet Hänel, der erst vor einem halben Jahr in den Ruhestand gewechselt ist, sei die universitäre Ausbildung sorgfältig und breiter aufgestellt gewesen.
Und dann ging‘s auch noch um die Zeitung, um WAZ und Ruhrnachrichten
Und dann ging’s im Erzählcafé des Seniorenbeirats auch noch um die Zeitung. Ältester Gast und einziger echter Jupp: Josef Wolters, viele Jahre Redaktionsleiter der Ruhr-Nachrichten in Gladbeck. Der 91-Jährige wollte eigentlich Bergbau studieren, aber dann zog es ihn doch zur Zeitung. Er erinnerte an die Zeiten, „als Gladbeck noch sehr lebhaft war“ und viele Prominente begrüßen konnte. Wolters hat zum Beispiel den Seeteufel Felix Graf von Luckner interviewen dürfen, der bekannt dafür war, dass er Telefonbücher zerreißen und mit einem 50-Mark-Schein einen Bleistift durchtrennen konnte. Hinter der Bühne habe ihm der Seeoffizier und Schriftsteller sogar erklärt, wie’s funktioniere.
Maria Lüning-Heyenrath leitete die WAZ-Redaktion in Gladbeck von 2004 bis 2019. Sie berichtete davon, wie sich der Journalismus in den vergangenen Jahren verändert hat. Gleichwohl lässt sie auf den Beruf nichts kommen. Sie habe nach drei Tagen im Praktikum gewusst, dass der Journalismus ihre berufliche Zukunft sei. „Es ist ein Beruf, der sehr, sehr viel Spaß macht, der aber auch sehr anstrengend ist.“ Das konnte Fotograf Peter Braczko, der viele Jahre für die Ruhr-Nachrichten gearbeitet hat, nur bestätigen. Über 15 Termine an einem Tag, das sei keine Seltenheit gewesen, erzählte der Gladbecker den Seniorinnen und Senioren im Fritz-Lange-Haus.
Und was machen die Ruheständler heute?
Was machen die Ruheständler heute? Viele von den Gästen im Erzählcafé engagieren sich ehrenamtlich – Maria Lüning-Heyenrath zum Beispiel als Leselernhelferin an Bottroper Grundschulen, Klaus Albert als „seelsorgender Begleiter“ in einem Pflegeheim und zusammen mit Mathias Schipper auch im Verein „Golfende Fußballer“, die bei Benefizturnieren Geld für Spiel- und Bolzplätze sammeln. Im Laufe der Jahre seien über zehn Millionen Euro zusammengekommen, berichtet Schipper. Ruth Scheller hat im Ruhestand eine Ausbildung für den ehrenamtlichen Begräbnisdienst absolviert. Peter Braczko hat ein Buch über die Firma Nikon geschrieben, Georg Hänel ist noch dabei sich zu sortieren. Sie alle vermittelten den Eindruck, dass auch mit dem Wechsel in den Ruhestand noch spannende Jahre folgen können. Rainer Weichelt wird’s erfreut festgestellt haben, geht er doch Ende Juli in Pension.
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