Gladbeck. Gladbeck hat genügend Hausärzte – noch. Doch viele sind über 60, der Nachwuchs-Druck ist erheblich, zumal junge Ärzte genaue Vorstellungen haben.
Die Zahl der Hausärzte ist gemessen an der Einwohnerzahl in Gladbeck gut. Mit einer Versorgungsquote von 106,6 Prozent ist die Situation „recht komfortabel“ und „über Soll“. „Das haben wir nicht überall“, sagt Ansgar von der Osten, Leiter des Geschäftsbereichs Sicherstellungspolitik und -beratung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Aber an der derzeitigen Lage gibt es einen großen Haken.
Das Gesundheitssystem stehe aufgrund des demografischen Wandels unter einem enormen Druck. Denn nicht nur die Patientinnen und Patienten werden immer älter, auch die Ärztinnen und Ärzte. In Gladbeck sind 38 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre. Das heißt, dass sie in den kommenden Jahren Nachfolger suchen werden müssen. „In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Hausärzte leicht zugenommen, Gladbeck steht so relativ stabil da“, sagte von der Osten am Dienstagnachmittag vor dem Sozial- und Gesundheitsausschuss. CDU-Verteter Michael Dahmen beruhigten die guten Zahlen für Gladbeck nicht, „da die Altersstruktur eine Belastung ist, die uns bedrängen wird“.
Der Großteil der Hausärzte in Gladbeck ist selbstständig
Hinzu kommt: Der ärztliche Nachwuchs habe andere Ansprüche an und Vorstellungen von ihrer Arbeitsweise. So achte die folgende Generation verstärkt auf eine Work-Life-Balance, arbeite öfter in Teilzeit und häufiger als angestellter Arzt, nicht mehr selbstständig in einer eigenen Praxis. „Die Selbstständigkeit ist aber das Rückgrat der ärztlichen Versorgung“, so der KVWL-Vertreter. In Gladbeck sind aktuell 19 Prozent der Hausärzte angestellt, der Rest ist selbstständig. Die Jüngeren ziehe es zudem öfter eine Gemeinschaftspraxis, die alleinige Verantwortung wollen nur noch wenige tragen. Von der Osten weiß außerdem: „Es muss verhindert werden, dass wir den Nachwuchs ans Ausland oder auch an Pharmakonzerne verlieren.“
Wie aktuell die meisten Betriebe, hat auch die Medizin-Branche mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen. „Das betrifft nicht nur Ärzte, sondern auch die medizinischen Fachangestellten. Wir erleben Praxisschließungen, weil kein Personal mehr da ist“, berichtet von der Osten aus dem Zuständigkeitsbereich der KVWL. Dort seien zudem über 40 Prozent der Ärzte über 60 Jahre alt und arbeiteten immer länger, da niemand da sei, der ihre Praxen übernehmen wolle.
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Auch die Attraktivität einer Kommune ist für den Ärzte-Nachwuchs entscheidend
Zwar wachse die Zahl der Weiterbildungsassistenten in der Allgemeinmedizin, die Zahl der Altersaustritte könne so aber nicht aufgefangen werden. „Wir müssen uns Maßnahmen überlegen, um das gute Gesundheitssystem aufrecht zu halten“, so von der Osten. Der Nachwuchs achte nicht nur auf das Gehalt, die Arbeitsumgebung und darauf, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Auch eine Kommune muss sich überlegen, was er dem ärztlichen Nachwuchs anbietet“, findet von der Osten. Denn auch etwa Betreuungsangebote für die Kinder seien oftmals entscheidend.
SPD-Ratsherr Norbert Dyhringer fand den Ansatz, dass die Attraktivität der Kommune eine Rolle spiele „spannend“. Und Sozialdezernent Rainer Weichelt räumte ein, dass es noch Ausbaubedarf gebe, was die Wohn- und Freizeitangebote in Gladbeck angehe, aber: „Wir müssen unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen.“ Zudem betonte er, dass es in der Stadt eine Reihe von Ärztezentren gebe, in denen „modern gearbeitet wird“. „Ich fühle mich als Patient dort sicher.“ Von seinem Hausarzt höre aber auch er immer wieder, dass viele junge Medizin-Studenten kein Hausarzt mehr werden wollen. „Im Krankenhaus haben sie zwar schlechtere, aber geregeltere Arbeitszeiten.“
Dr. Gregor Nagel, Hausarzt im Medizincampus Butendorf, berichtete ebenfalls, dass für viele junge Menschen der Weg nicht mehr zielgerichtet in die Selbstständigkeit führe. Als Mitglied des Prüfungsausschusses in Münster höre er immer wieder, dass der Großteil erst einmal als angestellter Arzt arbeiten wolle. „Vielen Kollegen reicht dieses Angestelltengehalt und sie sind auch nicht dazu bereit, 50 bis 60 Stunden in der Woche zu arbeiten und sich um all die Dinge zu kümmern, um die man sich als Selbstständiger kümmern muss.“
>>> Der Versorgungsgrad bei Fachärzten ist gut
Auch bei den Fachärzten, beispielsweise Augenärzten und Gynäkologen, sei der Versorgungsgrad mit 110 Prozent gut. „Die tatsächliche Wahrnehmung in der Bevölkerung ist unter anderem aufgrund langer Wartezeiten oft anders“, weiß Ansgar von der Osten. Weitere Fachärzte könnten sich entsprechend der gesetzlichen Vorgaben gerade nicht in Gladbeck niederlassen.
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