Gladbeck. Aufgrund einer nicht umgesetzten DIN-Norm sind Hangrutschen in Gladbeck gesperrt. Aber was hat es eigentlich mit diesen Vorgaben auf sich?
Der Aufschrei war groß, als Ende März in Gladbeck die Hangrutschen auf den Spielplätzen gesperrt wurden. Für viele Eltern und auch die Politik kam dieses rigorose Vorgehen wie aus heiterem Himmel. Die Fachleute beim Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG) und in der Stadtverwaltung überraschte die Schließung hingegen nicht sonderlich, hatten sie doch seit Jahren dieses Gewitter aufziehen sehen. Denn die DIN-Norm für Hangrutschen ist in Experten-Kreisen seit zig Jahren bekannt. Was hat es eigentlich mit dieser vielzitierten Vorgabe auf sich? Warum sie in Gladbeck ignoriert wurde, weiß Ralf Sonnenberg vom ZBG zu erklären. Und so manches andere verblüffende Detail.
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Da wäre vor allem die Kernaussage Sonnenbergs: „Normen sind Handlungsempfehlungen, keine Gesetze!“ Ach ja? Warum dann die Schließung der Hangrutschen? Zum Einstieg in die komplexe Problematik holt der ZBG-Fachmann ein bisschen aus. „Normabweichungen führen auch dazu, dass es Verbesserungen gibt. Es kann ein gewünschter Prozess in Gang kommen“, so Sonnenberg, räumt allerdings in einem Atemzug ein: „Juristen beurteilen das aber als negativ.“
Gladbecker Experte unterstreicht: Auch mit DIN-Norm gibt’s keine absolute Sicherheit
Wenn’s um den Sicherheitsbereich geht, werde eine DIN-Norm wie ein Gesetz behandelt. „Das heißt aber nicht, dass absolute Sicherheit gewährleistet ist. Menschen sind ja auch nicht genormt.“ Sonnenberg nennt ein Beispiel: Es gebe eine Vorgabe für die Beschaffenheit der Glieder einer Schaukelkette – ja, man glaubt’s kaum. Denkbar sei gleichwohl, dass die Fingerchen eines besonders zierlichen Kindes darin stecken bleiben – Verletzungsgefahr Der Norm zum Trotz.
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Erinnern wir uns an den Stöckelschuh auf der Goethestraße, in dem eine Rutsche steckt. „Das war der Entwurf eines namhaften, weltweit agierenden Herstellers, der nach der alten Norm gebaut hat“, berichtet Sonnenberg. Aber siehe da: Die Einstiegsöffnung war zu klein für Kinder der vorgesehenen Altersklasse. Also eine Norm-Regelung, die auf die Realität nicht passt. Die Konstruktion war erst gesperrt, wurde dann geändert.
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Mit Blick auf die kritisierten Hangrutschen, die oft in ein komplettes Konzept mit Felsen, Aufschüttungen und so weiter eingebettet sind, sagt der ZBG-Experte: „Irgendwann einmal ist ein Kind aus einer Rutsche gefallen und hat sich den Kopf eingeschlagen. Da hat ein Richter gesagt: ,So geht das nicht!’“ Sonnenberg weist aber zugleich ausdrücklich darauf hin, dass dieser Fall sich nicht auf Gladbecker Boden abgespielt hat. Doch sei es auch einmal auf einem hiesigen Spielplatz zu einem Unfall gekommen: „An einem anderen Gerät, das lag an der mangelnden Aufsicht der Eltern.“
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Norm-Änderungen „müssen nicht ad hoc umgesetzt werden“. Das sei aus diversen Gründen auch nicht immer möglich. Sonnenberg erklärt: „Das ist oft bei den Spielgeräte-Herstellern ein langwieriger Prozess, der Jahre dauern kann.“ Nicht nur das: „Die Umsetzung ist auch aus finanziellen Gründen manchmal nicht möglich, weil sie hohe investive Mittel nach sich zieht.“
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Sonnenberg gibt zu, dass die Fachleute in Gladbeck die für Hangrutschen geltende DIN-Norm „nicht plötzlich entdeckt haben“: „Sie war uns seit längerem bekannt.“ Um ganz korrekt zu sein: Die Vorgaben waren seit dem Jahr 2008 in der Welt.
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Das leistet der ZBG
Der Zentrale Betriebshof Gladbeck (ZBG) ist unter anderem zuständig für die Erstabnahme eines Spielgeräts und die Jahreskontrolle. „Wir sind wie der TÜV, führen auch einige Reparaturen durch, dokumentieren und prüfen“, so Ralf Sonnenberg, Fachbereichsleiter für die Friedhofs- und Grünflächenunterhaltung.
Im Zusammenhang mit der Jahresinspektion arbeite der Betriebshof mit den städtischen Fachämtern zusammen – zum Beispiel wenn Ersatzbeschaffungen notwendig werden. Der „schlimmste Fall“: die Stilllegung von Spielgeräten oder gar ganzen Anlagen.
Während andere Städte sofort darauf reagiert und die Umsetzung betrieben haben, passierte in Gladbeck nichts in dieser Richtung: „Da gibt’s nichts zu beschönigen.“ Die Fachleute hätten geschaut, ob es Unfälle auf Spielgeräten gegeben hat, dementsprechend ein Handlungsbedarf bestehe – eine Frage der Abwägung.
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Auf den hiesigen Spielplätzen sei viel mit Holz gebaut worden, an dem Alter und Benutzung, Wind und Wetter nagen. Während der Corona-Pandemie blieben die Anlagen geschlossen, „danach haben wir die Flächen und Geräte instandgehalten, so dass man sie benutzen konnte“. Doch irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht: „Eine normgerechte Instandhaltung ist nicht mehr möglich.“ Das sei nicht nur ein Kostenproblem. Der Fachkräftemangel gehe eben auch an diesem Gebiet keineswegs vorüber. Die Nachwuchskräfte beim ZBG kommen an dem Thema nicht vorbei, denn „die Spielplatz-Norm ist Teil der Ausbildung“.
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Doch all’ die Einsichten helfen derzeit – und das auf unbestimmte Zeit – mitnichten weiter. Das Bauamt kann nach Verwaltungsangaben die geforderten Umbauten nicht selbst in die Hand nehmen – das Personal fehlt. Also muss NRW-Urban ‘ran. Und dieser Auftrag an die Externen treibt die Kosten in die Höhe. Bedeutet unterm Strich für Kinder, die sich auf Gladbecker Hangrutschen vergnügen wollen derzeit: nur angucken, nicht draufklettern...