Gladbeck. Unter großer Beteiligung wurde die Zukunft des Riesner-Gymnasiums mit Gladbecker Bürgern diskutiert. Die Bebauung des Jovyplatzes ist vom Tisch.

Damit hatte die Verwaltung in Gladbeck nach eigener Angabe nicht gerechnet. 80 Stühle waren in der Mensa des Riesener-Gymnasiums aufgestellt worden, mit 50 Besuchern hatte man zur Infoveranstaltung gerechnet. Letztlich waren es gut 150 Gladbecker, von der Schülerin bis zum betagten Senior, die wissen wollten, wie es baulich mit dem Schulstandort weiter geht. Vor allem die Idee, auf einem Teil des Jovyplatzes einen Erweiterungsbau zu errichten, hatte im Vorfeld zu breitem Protest geführt. Trotz eilig hinzugetragener Stühle mussten einige Besucher stehen. Letztlich ging der Großteil der Forums-Teilnehmenden nach fast drei Stunden Information und Diskussion sichtlich zufrieden nach Hause.

Lesen Sie auch

Wie schon zuvor in der gemeinsamen Sondersitzung von Schul- und Planungsausschuss, begründeten zunächst die zuständigen Dezernate die Hintergründe und Idee der Verwaltung, warum und wie eine Schulerweiterung an der Schützenstraße erfolgen sollte. Darunter die Bekannten Fakten, dass das überalterte Gebäude aus den Anfängen der 1950er Jahren dringenden Sanierungs- und Erweiterungsbedarf hat, um den weiter wachsenden Schülerzahlen (rund 500 zusätzliche Gymnasiasten bis 2032) und Anforderungen modernen Unterrichtes mit Ganztagsperspektive genüge tun zu können. Die Pläne der beabsichtigte Aufstockung einer Etage auf dem Hauptgebäude mussten dann eilig gestoppt und sogar die Räume im Obergeschoss gesperrt werden, nachdem entdeckt worden war, dass die Tragfähigkeit der Flachdachkonstruktion nicht sichergestellt werden konnte.

Die Bürger kamen mit ihren Fragen und Anregungen zu Wort

Stadtbaurat Volker Kreuzer erklärte dann das so genannte „Phasenmodell“ als Vorschlag der Verwaltung, das zu Protesten geführt hatte. Es sei die beste Lösung als Ergebnis umfassender Überlegungen und Prüfungen der Verwaltung. Mit der Absicht, zügig moderne Fachräume für die Naturwissenschaften und allgemeinen Unterricht zur Verfügung zu haben und den Schulbetrieb trotz Bauphase möglichst reibungslos fortführen zu können. Demnach könnte zunächst bis 2027 ein Neubau auf dem jetzigen Lehrerparkplatz entstehen. Und ein weiterer Bau auf dem südlichen Jovylatz, mit Schwerpunkt musisches Zentrum. Nach deren Bezug und Leerzug des Altgebäudes könnte dann dessen noch zu entscheidende Zukunft angegangen werden (Sanierung, Teil- oder Komplettabriss, Neubau).

Unter Moderation von Christiane Schmidt (Leiterin Amt Kommunikation), kamen dann die Bürger mit Fragen und Anregungen zu Wort. Claus Roth dachte wie andere darüber nach, Ersatzräume im Finanzamt oder im Polizeigebäude für den Unterricht zu nutzen. Diese sind laut Verwaltung zu klein und erfüllen nicht die schulrechtlichen Vorgaben. Senior Helmut Schulz favorisierte „die Wiese am Bahnhof West für einen Schulneubau“. Für diesen Standort sei auch bereits eine gefahrlose Unterführungsmöglichkeit vom Richtung Heisenberg-Gymnasium gegeben. Dieser Standort gefällt auch Ratsherr Marco Gräber (AfD). Rouven Hallays Überlegung, dort gar ein viertes Gymnasium zu realisieren und dann das Riesener zu ertüchtigen, erhielt eine Absage von Schuldezernent Rainer Weichelt. Bedarf für ein viertes Gymnasium gehe aus der Schulentwicklung nicht hervor, zudem gebe es ja auch die Gesamtschule, um das Abitur zu erlangen.

Die Idee eines musischen Zentrums auf dem Jovyplatz fand auch Befürworter

Mit deutlicher Skepsis betrachteten die anwesenden Gladbecker Bürger die von der Verwaltung vorgestellt Idee eines Phasenmodells mit Bebauung des Jovyplatzes.
Mit deutlicher Skepsis betrachteten die anwesenden Gladbecker Bürger die von der Verwaltung vorgestellt Idee eines Phasenmodells mit Bebauung des Jovyplatzes. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Anwohnerin Ute Epping kritisiert zu einem Jovy-Neubau, „ein fetter Klotz geht dort gar nicht, denn das Areal ist nicht nur eine Sichtachse, sondern auch eine wichtige Frischluftschneise zur Innenstadt“. Ein regelmäßiger Schülerfußverkehr zu einem solchen Neubau über die Schützenstraße würde, neben den Gefahren für die Kinder, zudem das Rückstauproblem am Kreisverkehr drastisch verstärken. Müzeyyen Dreessen sprach sich für die interkulturelle Frauengruppe auch gegen eine Bebauung im denkmalgeschützten Ensemble Jovyplatz aus. Sie forderte zudem einen schönen Schulbau über einen Architektenwettbewerb „und keine unansehnlichen Schachtel- oder Kastenbauten“.

Einige Teilnehmer wollte auch wissen, warum Teile des Jugendzentrums (Dröhnschuppen, Mikado) oder das Pastoratswäldchen direkt neben der Schule von den Erweiterungsplänen ausgeblendet seien. Das kritisierte auch Ratsherr Sebastian Steinzen, Teile des Wäldchens könnte man doch mit zum Schulhof deklarieren. Das gefiel auch Michael Düing. Der sich zudem outetet (und immerhin von wenigen Applaus erhielt), „die Idee den Jovyplatz zu entwickeln, gefällt mir gut“. Hier ein musisches Zentrum zu schaffen, könne auch dem Riesener mit seinem musischen Profil als Aushängeschild zugute kommen. Das befürwortet auch Riesener-Direktorin Verena Wintjes.

Die Stadt will einen Container für naturwissenschaftlichen Unterricht finanzieren

Schuldezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt will jetzt ohne Jovyplatz-Bebauung eine Lösung für die Erneuerung des Riesener-Gymnasiums finden.
Schuldezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt will jetzt ohne Jovyplatz-Bebauung eine Lösung für die Erneuerung des Riesener-Gymnasiums finden. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Um Platz zu gewinnen, so Besucherin Charlotte Luggenhölscher, sei für sie das Altgebäude eher Verfügungsmasse als der Jovyplatz. Zudem frage sie sich, ob es nicht möglich ist, die große Turnhalle mit in die Überbauung einzubeziehen, „über ein Ständerwerk“. Zu aufwendig und teuer, so die Antwort. Franz Kruse und sein Bruder Peter sehen Raumgewinn durch Abriss der alten kleinen Sporthalle, „um die Schule von dort L-förmig Richtung Wilhelmstraße zu erweitern, ohne den Schulhof zu verkleinern“. Auch darüber denke man nach, so Baurat Kreuzer.

Im weiteren Verlauf des Forums wurde deutlich, dass die Verwaltung sich freilich zu Alternativen schon Gedanken gemacht, und dazu mit Elternvertretern wie Riesener-Schulleitung Gespräche geführt hat. Rainer Weichelt verdeutlichte, um die räumliche Notsituation bis zur Fertigstellung des Entlastungsbaus zu überstehen, könnten für den NW-Unterricht Kooperationen mit den nahen Realschulen an der Kortestraße sowie dem Rats- und Heisenberg-Gymnasium genutzt werden. Alle ungenutzten Raumpotenziale im Altgebäude sollten für den Regelunterricht ausgeschöpft werden (z.B. Töpferei, Werkraum, Fotolabor, Putzmittellager etc.). Auch Möglichkeiten des Nachmittagsunterrichtes, sowie am Samstag, könne die Schulkonferenz beschließen. Denn die Stadt sei bereit, „einen Einraum-NW-Container auf dem Schulgelände als Interim aufzustellen und zu finanzieren“, der dann aber mit Unterricht auch mal bis 16 Uhr ausgelastet sein müsste.

Direktorin Verena Wintjes schlägt zur Lösung vorübergehende Zweizügigkeit vor

Riesener-Direktorin Verena Wintjes nannte Lösungsvorschläge, die die Wünsche des Kollegiums, der Schüler und Eltern berücksichtigen.
Riesener-Direktorin Verena Wintjes nannte Lösungsvorschläge, die die Wünsche des Kollegiums, der Schüler und Eltern berücksichtigen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Schulleiterin Verena Wintjes ergriff schließlich das Wort. Wie auch schon zuvor Elternvertreter, lehnte sie den generellen Nachmittags- und Samstagsunterricht ab. „Das kommt für uns als junges Kollegium nicht in Frage“, da man selbst Familienzeit benötige und schätze. Man begrüße den NW-Interimsbau und die Kooperation mit dem Ratsgymnasium laufe auch super. Man habe sich selbst Gedanken gemacht und sehe eine Alternative, die Zeit bis 2027 zu überbrücken. Mit dem Ziel, dass kein Profil der Schule als Alleinstellungsmerkmal (musisch-künstlerische sowie fremdsprachlich) hintenüberfällt und alle Inhalte des Lehrplans erfüllt werden können. „Wir können alles hier im Gebäude hinkriegen bis der Ersatzbau steht, wenn wir etwas kleiner werden.“ Klartext: Das Riesner-Gymnasium geht für diese Zeit freiwillig von der Drei- in die Zweizügigkeit.

+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook+++

Die Ratsherren Wolfgang Wedekind (SPD Fraktionschef), Dustin Tix (Schulausschussvorsitzender, SPD), Sebastian Steinzen (FDP) hatten deutlich gemacht, was durch Stellungnahmen schon vor dem Riesener-Forum klar geworden war: Dass alle Ratsfraktionen eine Jovyplatz-Bebauung ablehnen. Und mit dem Meinungsbild der Anwesenden räumte auch Schuldezernent und Erster Beigeordneter Rainer Weichelt ein „wenn wir den Jovyplatz nicht für die Planungen haben, so sieht es für mich derzeit aus“, dann müsse man sehen, wie mit den beengten Platzverhältnissen umgegangen werden könne („bauen auf der Briefmarke“). Und Stadtbaurat Kreuzer verdeutlichte: „Wenn man sagt, die Idee ist untragbar, dann müssen wir uns den Alternativen stellen, mit allen Vor- und Nachteilen“, das müsse die Politik dann letztlich abwägen und entscheiden. Damit das Ziel gelinge, möglichst schnell die Situation am Riesener-Gymnasium zu verbessern, erwarte die Verwaltung jetzt zunächst „ein Go zur Planungsfreigabe“ für das Baufeld B (Lehrerparkplatz). Kreuzer: „In der nächsten Sitzungsrunde der Ratspolitik im März.“