Gladbeck. Die Kita Superhelden steht im Finale beim Deutschen Kita-Preis. Warum die Gladbecker Einrichtung zu den besten zehn in ganz Deutschland gehört.
Die Aufregung und die Freude sind in den Gesichtern der Beteiligten abzulesen, dass ihre Superhelden-Kita zu den zehn Besten gehört, die die Finalrunde für den Deutschen Kita-Preis 2023 erreicht haben. Eine Delegation aus Gladbeck ist am Wochenende nach Wuppertal gereist, „um sich im Finale den Fragen der Interviewer zu stellen“, berichtet Einrichtungsleiterin Yvonne Müller. Jetzt heiße es Daumen drücken: „Am 16. Mai werden die Sieger in Berlin von der Jury prämiert, wir hoffen, dass wir mit unserem Konzept überzeugen konnten.“
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Die Einrichtung der Falken an der Uhlandstraße wurde als erste Not-Kita von der Stadt 2021 als Modulbau für rund 100 Kinder ab drei Jahren eröffnet, um den akuten Mangel an Kitaplätzen abzumildern. Der Zuzug aus dem Ausland hat die Situation in Gladbeck gleichwohl weiter zugespitzt, denn zum Start des laufenden Kita-Jahres im August 2022 konnten 792 angemeldete Kinder keinen Platz erhalten. Mit Kriegs-Flucht und EU-Binnenwanderung sind auch viele Familien mit Kindern nach Gladbeck gekommen, „die kein Deutsch sprechen“, so Yvonne Müller. Die aktuelle Migrationsquote von 34 bis 80 Prozent an Gladbecker Grundschulen dürfte sich ähnlich auch in den Kindertageseinrichtungen widerspiegeln. Das Konzept der Superhelden-Kita, die den Schwerpunkt Sprache und Inklusion hat, kann so in Sachen Integration und Förderung ein gutes Beispiel geben.
Die Kita setzt als Besonderheit auf eine gebärdengestützte Kommunikation
„
Wir haben unsere praktische Arbeit in Wuppertal vorgestellt, die als Besonderheit auf eine gebärdengestützte Kommunikation setzt, die versucht, die Eltern mit einzubeziehen und die dabei auch moderne digitale Möglichkeiten und Medien einbindet“, berichtet Yvonne Müller. Für die Kita-Preis-Interviews waren so die Sprachfachkraft der Superhelden-Kita, Paulina Szymankiewicz, und die Vorsitzende des Elternbeirates, Luise Neumann, angetreten, in der Kategorie Bündnisse mit dem Verbund Solinger Kinderstuben. „Indem die Sprachvermittlung durch Gebärden begleitet wird, die leicht ohne Deutschkenntnisse zu begreifen sind, lernen die Kinder die ihnen fremde Sprache deutlich schneller“, berichtet die Sprachfachkraft. Zunächst würden Grundbedürfnisse wie essen oder trinken vermittelt, bei Letzterem etwa die Gebärde des Ansetzens einer Trinkflasche gemacht. „Wir erleben, dass über diese Form der Kommunikation die Hemmschwelle schneller sinkt, sich in der fremden Sprache auszudrücken, da die Kinder weniger Verständnisschwierigkeiten haben.“
Vom schnelleren Sprachfortschritt profitierten aber nicht nur für Kinder aus dem Ausland, unterstreicht Elternvertreterin Luise Neumann. Das habe sie selbst bei ihrer dreijährigen Tochter erlebt. Die konnte Sprachdefizite, die durch den Corona-Lockdown und die fehlende Möglichkeit mit anderen Kindern zu spielen und zu kommunizieren entstanden seien „flott altersgerecht ausgleichen und wurde auch in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt“. Ganz anders als das Kind einer Freundin, das leider keinen Kitaplatz erhalten habe „und dem die Interaktion mit gleichaltrigen Kindern sichtlich in der Entwicklung fehlt“. Positiv habe sie auch im Interview berichtet, „wie an der Superhelden-Kita Eltern mit unterschiedlichen Muttersprachen in die Sprachentwicklung eingebunden werden und moderne Digitaltechnik genutzt wird, um Sprachbarrieren abzubauen“.
Die Kinder gehen mit Computer-Tablets als kleine Forscher auf Exkursion
„Wir haben zum Beispiel ein Bilderbuchkino-Projekt mit den Eltern durchgeführt. Dabei wurde eine Geschichte mit bunten Bildern über einen Beamer an die Wand projiziert und in verschiedenen Sprachen dazu von den Eltern vorgelesen“, erzählt Yvonne Müller. „In deutscher, türkischer, arabischer, französischer, englischer und polnischer Sprache“, zählt sie auf. Man habe den Kindern dadurch die unterschiedlichen Lautfarben der Sprachen vermittelt und verdeutlicht, „dass bei uns alle Sprachen wertgeschätzt werden und es etwas positives ist, wenn man mehrere Sprachen beherrscht“. Als digitale Medien werden an der Superhelden-Kita auch Tablets eingesetzt, um Lernspiele zu machen oder als kleine Forscher die Pflanzen im Außenbereich der Kita zu erkunden und sie abzufotografieren und über eine App zu bestimmen.
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Besondere Helfer sind auch so genannte Talking Tiles, auf deutsch: Sprechende Fliesen. Nichts anderes als digitale Sprachrekorder, über die Begriffe, Anweisungen oder Erklärungen bis zu einer bestimmten Länge aufgenommen werden können. Beim Drücken der Fliese, die auch mit Bild- oder Wortkarten bestückt werden können, wird die Aufnahme abgespielt. Die digitalen Helfer werden auch für die multikulturelle Elterninfo genutzt. Yvonne Müller: „Wir befestigen sie an unserem Infobrett und versehen sie mit Flaggen oder Schriftzeichen, damit auch Eltern wichtige Nachrichten in ihrer Muttersprache anhören können, die noch kein Deutsch lesen können oder verstehen.“
Forderung, dass die Sprachförderung an allen Gladbecker Kitas verstetigt wird
Mit der Hoffnung, beim Deutschen Kita-Preis auf einem der fünf vorderen Plätzen zu landen, die prämiert werden, gehe es allen weniger um das Preisgeld. „Denn wir hoffen, dass damit auch ein Zeichen gesetzt wird, wie wichtig die Sprachförderung ist und dass sie an den Kindergärten überall fester Bestandteil der frühkindlichen Bildungsarbeit sein muss“, so Yvonne Müller. Dafür müssten dann freilich auch finanzielle und personelle Ressourcen bereitgestellt werden. Ihr fehle, wie fast allen Kitas in Gladbeck, immer noch ausreichend Personal und die halbe Stelle der Sprachfachkraft werde immer nur über ein halbes Jahr gefördert, „die ich dann immer wieder neu beantragen muss“.
Insgesamt sind für den Kita-Preis 2023 rund 750 Bewerbungen eingegangen. Zwei Kategorien werden prämiert: Die „Kita des Jahres“ und das „Lokale Bündnis für frühe Bildung des Jahres“. Je 25.000 Euro erhalten die Erstplatzierten in den beiden Kategorien. Außerdem erhalten die vier Zweitplatzierten je Kategorie 10.000 Euro.