Gladbeck. Der ehemals Vize-Betriebsleiter des ZBG, Landschaftsarchitekt Bernhard Schregel ist gegen die Jovyplatz Bebauung. Der Experte nennt Alternativen.
Eigentlich, sagt Bernhard Schregel, habe er sich fest vorgenommen, „mich im Ruhestand in Fragen zur Stadt- und Grünplanung zurückzuhalten und keine Stellungnahmen abzugeben“. Zur Zukunft des Riesener-Gymnasiums meldet sich der pensionierte ehemalige stellvertretende Betriebsleiter des ZBG und Fachbereichsleiter Grünflächenunterhaltung aber mit Kritik zu Wort. Denn zu den Vorschlägen des Baudezernates, einer Teilbebauung des Jovyparkes zur Erweiterung des Riesner-Gymnasiums, platze ihm „der Kragen“.
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Im Gespräch mit der WAZ geht der Landschaftsarchitekt auf die Punkte ein, die ihm zur Begründung seines Standpunktes wichtig sind. Zunächst gehe es „um den Problembereich Städtebau und Stadtgeschichte“, sagt Schregel. Der repräsentative Park und seine umliegende mondäne Bebauung seien von Stadtdirektor Jovy vor 100 Jahren „bewusst als Eingangstor und Visitenkarte für die aufstrebende Stadt Gladbeck konzipiert worden“. Diese bis heute unangetasteten positiven Sichtachsen auf das denkmalgeschützte Ensemble gelte es zu erhalten „und jeglicher Gedanke einer Bebauung des Jovyplatzes sollte unterbleiben“.
Häufig querende Schüler könnten die Stauproblematik am Kreisverkehr verschärfen
Ein weiteres Problem sei der Kreisverkehr Wilhelmstraße/ Schützenstraße, „der schon jetzt ein bekannter neuralgischer Verkehrsknotenpunkt ist“. Mit Rückstau zu Verkehrsstoßzeiten, was Probleme für die Feuerwehr- und Sonderfahrzeuge schaffe, „wenn sie dann zu Einsätzen von der nahe gelegenen Wache in westliche Richtung ausrücken müssen“. Diese Nadelöhr könne zur Dauerstaustelle mit erhöhter Unfallgefahr während der Unterrichtszeiten werden, wenn vor jeder Schulstunde Gymnasiasten „mit dem Smartphone unachtsam vor dem Gesicht über den Zebrastreifen vom Haupt- zu einem Nebengebäude auf dem Jovyplatz wechseln“.
Ein weiteres Problem sieht Schregel beim Klimaschutz. Denn auch die Umwelt leide, „wenn sich der Verkehr dort bei laufenden Motoren dauerstaut“, oder Grünflächen bebaut würden. Seit 1980 verantwortlich für die Grünanlagen, habe er sich mit weiteren Aktiven „für eine Vermehrung der Grünanlagen und Wälder sowie eine intensive Durchgrünung der gesamten Stadt mit Straßenbäumen eingesetzt“. Die Ergebnisse sprächen für sich, „Gladbeck hat heute die höchste Alleendichte im gesamten Emscher-Lippe-Ahr-Bereich“. Mit einer Bebauung würde die Stadt Gladbeck als Mitglied des Klimaschutzbündnisses und nach Ausrufung des Klimanotstandes ihre Ziele konterkarieren, die ja zudem selbst in Broschüren mit hoher Lebensqualität durch wohnungsnahe Erholungsflächen werbe. Aufgrund mahnender Beispiele vorheriger städtischer Baudezernenten, die vornehmlich sich selbst durch Baudenkmäler verwirklichen wollten, müssten weitere irreversible Bausünden und der Gedanke, „dass Grünanlagen Bauerwartungsland sind“, vermieden werden.
Die Lehrerparkplätze könnten am Alt-Standort in einer Tiefgarage verschwinden
Hierzu nennt Schregel auch das Problem Lehrer-Ausweichparkplatz im Rathauspark, denn die Erfahrung zeige, dass nichts so dauerhaft ist wie ein Provisorium. Der kleine Parkplatz hinter dem Hallenbad sei vor 20 Jahren auch zunächst als Provisorium in der Grünanlage angelegt worden – und längst dauerhaft etabliert. Gleiches sei für den neu angedachten Riesener-Ausweichparkplatz auf der noch verbliebenen Hallenbad-Restwiese zu befürchten, die als neues Refugium das gekappte und dorthin umgesetzte Tausendfüßler-Bürgerkunstwerk von Karoline Dumpe (anlässlich Ruhr.2010) beherbergt. Und das unmittelbar angrenzende Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen, das einst mit „Wohnen im Grünen“ beworben wurde, „hätte dann stattdessen einen exklusiven Parkplatzausblick“.
Bernhard Schregel betont, dass er keinerlei nachtragende Ressentiments gegen die Verwaltung habe, vielmehr noch gute Kontakte zu vielen Ex-Kolleginnen und -Kollegen pflege. Er wolle so nicht nur kritisieren, sondern auch Vorschläge zur Lösung des Dilemmas mit den Platzproblemen am Riesener-Standort machen. Gut sei die Idee, den Lehrerparkplatz für ein Schulgebäude zu nutzen, das zunächst errichtet wird. Dieser Neubau könnte mit so vielen Etagen wie nötig entstehen, „so dass der Plan für einen weiteren Bau auf dem Jovyplatz entfallen kann“. Nach Fertigstellung des Hochbaus könnten die Gymnasiasten hier einziehen, zudem weitere räumliche Entlastung erfolgen, „indem in den vielen ungenutzten Räume der nahe gelegenen Polizeiwache am Jovyplatz unterrichtet wird“ (z.B. Oberstufe).
Die noch zu entscheidende weitere Zukunft des leer gezogenen maroden Altgebäudes (Sanierung, Teil- oder Komplettabriss mit Neubauten) könnte dann umgesetzt werden. Eine Möglichkeit, die Lehrerparkplätze am Standort zu erhalten, sei über eine Tiefgarage gegeben. Mehr Pausenhofbereich könnte entstehen, „indem der Neubau (teils) auf Stelzen errichtet wird, wie es schon an der Mosaikschule geschehen ist“. Auch eine Dachterrasse als Aufenthaltsbereich sei denkbar, das gebe es an anderen Schulen in Deutschland schon. Bislang sei der Vorschlag der Verwaltung ja nur ein Gedankenspiel, so Bernhard Schregel abschließend. Er sagt zuversichtlich: „Ich denke unser Bauamt hat das Knowhow, das Platzproblem am Riesener-Gymnasium auch ohne Jovyplatz-Bebauung gut lösen zu können.“
Weitere Stellungnahmen üben Kritik an den Ideen der Verwaltung
Die Pläne der Bauverwaltung zur Jovyplatz-Bebauung erfüllten sie mit „Trauer und Wut zugleich“, schreibt die interkulturelle Frauengruppe um Ex-Ratsfrau Müzeyyen Dreessen in einer Stellungnahme an Bürgermeisterin Bettina Weist. Man habe auch im heißen Sommer gemerkt, wie wichtig Grünanlagen im Innenstadtbereich „für die Frischluftzufuhr sind“. Die Frauengruppe kritisiert die Bebauungsidee aus der Bauverwaltung und bezweifelt, dass ein Schulbau auf dem Jovyplatz der Stadtgesellschaft einen Mehrwert gebe. Ein Schulbau im derzeitigen Stil wäre „eine Bausünde“, man solle doch Ressourcen schonen. So fragt die Frauengruppe: Warum man bestehende Architektur nicht restaurieren und weiterentwickeln könne, „statt ständig abzureißen und neu zu bauen“?
AuchGrünplaner Manfred Schlüterkritisiert die Ideen der Verwaltung und favorisiert den von dieser als zu klein verworfenen Alternativstandort am Bahnhof West. Dies wäre doch „ein Areal für die Schulneubauten mit Potenzial und guter Verkehrsanbindung“. Er mahnt, dass Gladbeck nur noch „wenige geschichtsrelevante Stadtstrukturen“ habe . Denn alte Zechen und Fachwerkhäuser seien abgebrochen, der einst schöne Marktplatz „mit einem Investorenmodell versaut“ worden.
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Der Gladbecker Künstler Hermann Sperl hat sich ebenfalls mit einem offenen Brief an die Bürgermeisterin gewandt. Der erwähnte Baukörper auf dem jetzigen Parkplatz zwischen Sporthalle und dem Oberstufenzentrum (Aquarium) scheine „eine vertretbare Lösung“. In einem weiteren Schritt könnte das offensichtlich marode Hauptbau, – nach Entkernung und Stabilisierung der Restsubstanz oder ggf. nach einem gänzlichen Abriss, – „näher zur Straße hin - siehe Baulinie Amtsgerichtsneubau - erweitert, aufgestockt oder gänzlich neu gebaut werden“. Dieses Vorgehen würde die unsinnige Bebauung des für das Gladbecker Stadtklima wertvollen Jovyplatzes unnötig machen. Weiterer Vorschlag Sperls, da die Gladbecker Gymnasien ja teils in der Oberstufe schon kooperieren würden: Darüber nachzudenken, für alle drei „an einem zentralen Ort ein gemeinsames Oberstufenzentrum mit genügend räumlicher Kapazität zu schaffen“.