Gladbeck. Das Bau-Gutachten zu den Aufstockungsplänen für das Riesener-Gymnasium in Gladbeck hat ein deutliches Ergebnis. Die Lokalpolitik ist geschockt.

Mit Spannung war das baufachliche Gutachten zur Sanierung des Riesener-Gymnasiumserwartet worden. Was dann dem Schulausschuss am Montagabend präsentiert wurde, kann man wohl als Worst-Case-Szenario, also als schlimmsten anzunehmenden Fall, bezeichnen. Denn die Expertise des beauftragten Gutachterbüros kam zu dem Ergebnis, dass beim Altbau an der Schützenstraße „von einem Großschadensfall gesprochen werden“ müsse. Zur Behebung des desolaten Gebäudezustandes wurden fünf mögliche Varianten vorgestellt. Sie reichen von der minimal nötigen Sanierung bis hin zur größten denkbaren Veränderung: Dem kompletten Abriss und Neubau des Riesener-Gymnasiums.

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Welche Variante auch letztlich favorisiert werde, „alle kosten fürchterlich viel Geld“ unterstrich Gutachter Christoph Debiel (Ingenieurbüro Dr. Henning, Dortmund). Kostenschätzungen werde er nicht nennen, das sei die Aufgabe weiterer Gutachten. Ein grober Anhaltspunkt könnten die Kosten des Abrisses und jüngst in Betrieb genommenen Neubaus des Heisenberg-Gymnasiums von rund 40 Millionen Euro sein. Dass es zumindest in zweistellige Millionenbeträge gehen wird, wurde beim vorgestellten Schadensbild klar.

Entdeckte Schadstoffe im Gebäude müssen auf jeden Fall entsorgt werden

Im Februar 2021 waren dem Hauptausschuss Pläne mit fotorealistischen Ansichten zum Ausbau des Riesener-Gymnasiums vorgestellt worden, das am Hauptgebäude um eine Etage aufgestockt werden sollte.
Im Februar 2021 waren dem Hauptausschuss Pläne mit fotorealistischen Ansichten zum Ausbau des Riesener-Gymnasiums vorgestellt worden, das am Hauptgebäude um eine Etage aufgestockt werden sollte. © Stadt Gladbeck | Kurscheid und Partner

Zunächst werde „niemand am Rückbau und der Entsorgung“ der im Gebäude vor 65 Jahren üblichen verbauten und heute bekannten Schadstoffe vorbeikommen, so Debiel. Einzelheiten wurden nicht genannt, vermutlich ist auch Asbest vorhanden. Der Hochbauingenieur malte ein weiteres düsteres Bild: Auch die gesamte Installation des Trinkwassersystems und der Heizungsanlage seien abgängig, entsprächen teils nicht mehr den Vorschriften. Die erdberührten Kellerwände weisen erhebliche Feuchteschäden auf. Aus energetischer Sicht sei auch ein Austausch der Fensteranlagen alternativlos, das Beleuchtungssystem sei schlecht, so wie die gesamte Energiebilanz des Gebäudes. Zur zeitgemäßen Belüftung von Klassenräumen und Lehrerzimmer sollte eine RLT-Anlage eingebaut werden.

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Mit diesem Horrorszenario wischte der Gutachter quasi schon selbst die von ihm vorgestellten minimaleren Sanierungsvarianten Eins und Zwei als nicht zielführend vom Tisch. Erstere umfasste nur die Sanierung des zurzeit gesperrten Obergeschosses im Hauptgebäude und Klassenflügel mit nicht mehr tragfähiger Deckenkonstruktion und Aufstockung um eine Etage auf dem Hauptgebäude wie geplant. Die zweite eine Grundsanierung aller Geschosse und die Aufstockung. Den Raumgewinn bewerten die Gutachter aber letztlich als zu gering für ein Gymnasium, das zu G9 wechselt und künftig so mehr Schülerinnen und Schüler zählen wird (derzeit 730).

Drei Varianten zur Zukunft des Riesener-Gymnasiums rücken in den Fokus

Realistisch zu betrachten sind demnach die drei restlichen Varianten, die Beschulung von rund 850 Gymnasiasten ermöglichen: Nummer Drei sieht die Grundsanierung aller Geschosse und neben der Aufstockung auf dem Hauptflügel auch eine ebensolche auf dem Klassenflügel vor. Vorteil: Bei schneller Realisierung könnte die Fertigstellung 2029 möglich sein.

Die Finanzierung muss noch geklärt werden

Im weiteren Verfahren zur Zukunft des Riesener-Gymnasiums soll jetzt zunächst eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der Sanierungs- bzw- Neubauvarianten durch weitere beauftragte Gutachter (DKC Kommunalberatung Köln) erfolgen. Das Ergebnis wird dem Schulausschuss als Entscheidungsgrundlage bei der nächsten Sitzung im Mai vorgelegt. Im weiteren Schritt muss dann untersucht und bis 2023 entschieden werden, wie die favorisierte Variante finanziert werden soll.

Geplant war beim Riesner Gymnasium zunächst, zur Raumgewinnung ein drittes Obergeschoss auf das Hauptgebäude aufzusatteln. In der Folge wurde in einem naturwissenschaftlichen Raum des Dachgeschosses die Decke zur Überprüfung der Abluftleitungen geöffnet. Dabei wurden erhebliche Mängel in der Dachkonstruktion festgestellt, wonach die oberste Etage im Haupttrakt und nach Überprüfung ebenso die im Klassenflügel gesperrt werden mussten.

Variante Vier bedeutet Generalsanierung und Erhalt des Hauptflügels mit seinem vertrauten Anblick, Abriss des Klassenflügels und Ersatz durch einen modernen Neubau mit möglicher Fertigstellung zum Schuljahr 2030/31. Für die Gutachter die beste Variante neben einem kompletten Abriss und Neubau des Riesener-Gymnasiums als Variante Fünf, der in gleicher Zeit in acht Jahren fertig gestellt sein könnte. Um trotz Sanierungs- oder Bauphase Unterricht zu ermöglichen, besteht die Idee, den nahe gelegenen Jovyplatz vis-a-vis als Interimsfläche zu nutzen, um ein Behelfsgymnasium (Containermodule) zu errichten.

Schuldezernent Rainer Weichelt informierte zum weiteren Fahrplan (siehe Infobox). Die Verwaltung richte eine neue Informationsgruppe Schulneubauten ein, besetzt mit Verwaltungsfachleuten und je einem Schulausschussvertreter der Fraktionen, um die Lokalpolitik zeitnah über aktuelle Entwicklungen zu informieren. Deren Vertreter zeigten sich geschockt: „Ich glaube, die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden“, so Ausschussvorsitzender Dustin Tix.

Schulpolitik kritisiert auch das Vorgehen der Gladbecker Verwaltung

Sebastian Steinzen (FDP) bewertete letztlich nur die Varianten Vier und Fünf als weiter diskussionswürdig und plädierte für eine zügige Entscheidung. Marcus Schützek von der AfD kritisierte blauäugiges Vorgehen der Verwaltung, da man bei den Aufstockungsplänen nicht sogleich die Gesamtsubstanz des Gebäudes mitgeprüft habe. Jörg Baumeister (CDU) kritisierte ebenfalls das Vorgehen. Wäre der Zustand vor einem Jahr bekannt gewesen, hätte die CDU die Investition in eine marode Immobilie verneinen müssen. In der nächsten Schulausschusssitzung im Mai soll anhand der dann vorliegenden weiteren Informationen beraten werden, welche Variante weiterverfolgt werden soll.