Gladbeck. Die Corona-Krise hat einen positiven Effekt auf die Luftqualität in Gladbeck. Fachleute lassen sich zudem einiges zur Verbesserung einfallen.
Über die Auswirkungen der Corona-Krise lässt sich wohl kaum etwas Positives sagen. Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Erkenntnis: Die Pandemie tut der Luft in Gladbeck gut. Das stellt Jürgen Harks, Leiter der städtischen Umweltabteilung fest. Weniger Straßenverkehr aufgrund von Kontaktbeschränkungen und Homeoffice – das macht sich bemerkbar. Ein Baustein, der das Klima günstig beeinflusst.
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Der Experte: „Ich denke, dass die Grenzwerte durch Corona stärker zurückgegangen sind. Die Verbesserung der Luftqualität wurde durch die Pandemie beschleunigt.“ Wie groß der Anteil der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung an der erfreulichen Entwicklung allerdings tatsächlich ist, vermag Harks derzeit nicht abzuschätzen: „Das wird sich erst in Post-Corona-Zeiten zeigen.“
Gladbeck: Ein Paket mit Maßnahmen soll die Luftqualität verbessern
Denn schließlich haben Fachleute – nicht nur in Gladbeck, sondern landauf, landab – auch in den Jahren vor der Ausbreitung des gefährlichen Virus’ nicht in die Hände in den Schoß gelegt, sondern eine Vielzahl von Schritten unternommen, um Feinstaub und Stickstoffdioxid zu stoppen. Mit erwünschten Resultaten, wie Harks, beispielsweise mit Blick auf die Situation an der Grabenstraße (siehe Info-Box), hervorhebt: „Das ist insgesamt eine Erfolgsstory. Es ist nachweisbar, dass die Maßnahmen wirken.“
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Und die Stadtverwaltung hat sich noch einiges vorgenommen, um die Luft in Gladbeck sauberer zu bekommen. Darunter sind so „Klassiker“ wie die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, beispielsweise die Tempo-30-Zone auf der Wilhelm-/Grabenstraße, und eine Optimierung der Ampelschaltung an der dortigen Kreuzung.
„Grüne Welle“: Nicht das Mittel erster Wahl, die Mobilitätswende zu gestalten
Auf kurz oder lang, so Fachleute, wird sich der Straßenverkehr als ein Verursacher von Schadstoff-Ausstoß sowie Luft- und Klimabeeinträchtigung wandeln (müssen). Harks zieht als Beispiel die „Grüne Welle“ heran: „Sie war ein Teil vieler Maßnahmen, die dazu führten, dass die Werte heruntergegangen sind. Aber eine ,grüne Welle’ ist nicht das Mittel erster Wahl, die Mobilitätswende zu gestalten.“ Schließlich sollten Autofahrer nicht bevorzugt werden, indem sie freie Bahn haben. Auch wenn durchaus ins Auge gefasst ist, Kreuzungen derart umzugestalten, dass Kreisverkehre, wo es möglich ist, den Verkehrsfluss begünstigen.
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Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) soll bevorrechtigt sein. Aber Harks sieht auch diverse andere Wege, von A nach B zu gelangen: „So sind wir in der Umweltabteilung dran, die Möglichkeiten des Carsharings zu prüfen.“ Also die Nutzung eines Fahrzeugs von mehreren Menschen – gerne auch als E-Mobil: „Wir glauben, das kann ein wichtiges Mittel sein. Die Nachfrage muss jedoch stimmen, es sollte nicht so sein, dass die Stadt Carsharing subventioniert.“ Ein selbsttragendes Angebot sei das Ziel. Die Verwaltung stehe mit Anbietern in Kontakt. Harks: „Das Thema ist in Gladbeck nicht vielgefragt.“ Das eigene Auto sei hier eben weiterhin das gängigste Fortbewegungsmittel.
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Manch einer ist bereits auf einen batterieelektrischen fahrbaren Untersatz umgestiegen. „Zur Zeit haben wir 180 davon in Gladbeck und 160 hybride Fahrzeuge“, so der Fachmann. In der städtischen Flotte, inklusive ZBG, rollen derzeit sechs Elektro-Modelle. Harks sieht Potenzial – bis zu 18 Exemplare.
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Ohnehin lege die Stadtverwaltung Wert darauf, dass ihre Fahrzeuge – zum Beispiel Müllautos beim ZBG – mit moderner Technik auf die Straßen kommen. Nicht im Sinne Harks’ ist es, wenn Autofahrer sich ein schnelle Abkürzung suchen, weil die Hauptstraße dicht ist. Er sagt: „Durch eine Verkehrsbündelung auf den Hauptsträngen können Wohnviertel und Seitenstraßen entlastet werden.“ Obendrein steige ohne Durchgangsverkehr die Verkehrssicherheit in diesen Gebieten.
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Mit gutem Beispiel gehen Beschäftigte in der Stadtverwaltung voran. „16 Kollegen nutzen das vergünstigte Firmenticket, das es unter anderem über die Vestische gibt“, berichtet Harks. Viele steigen auf einen (privaten) Drahtesel – auch im Beruf. Der Abteilungsleiter berichtet: „Es gibt zudem die Möglichkeit eines Zuschusses für ein Fahrrad, das dienstlich genutzt wird.“
Einhaltung der Grenzwerte
Erstmals wurden im vergangenen Jahr in ganz Nordrhein-Westfalen alle Luftqualitätswerte eingehalten. Eine deutliche Verringerung von Stickstoffdioxid (NO2) und eine weiter sinkende Belastung beim Feinstaub (PM10) seien registriert worden, so das Landesministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.
Die positive Entwicklung gilt auch für Gladbeck. So verzeichnet die Stadt seit dem Jahr 2014 fast kontinuierlich sinkende Werte. Der Passivsammler an der Grabenstraße erfasste anno 2009 noch einen Wert von 48 µg/m³ für NO2, in der Spitze wurden dort 50 µg/m³ gemessen – bei einem zulässigen EU-Grenzwert für das Jahresmittel von 40 µg/m³. Für das Corona-Jahr 2020 ist ein vorläufiger Wert von 30 µg/m³ feststellbar, aufgenommen wurden bisher die Monate Januar bis November.
Die Messstation an der Grabenstraße, die die Belastung durch Feinstaub und Stickstoffdioxid seit 2015 erfasste, wurde Mitte Januar abgebaut. Erfreulicher Grund: die anhaltende Unterschreitung der Kurz- und Langzeit-Grenzwerte. Der zulässige Tagesmittelwert für PM10 beträgt 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Einzuhaltender Jahresmittelwert: 40 µg/m³.
Überhaupt: Welche Rolle spielt das Rad für die Verkehrswende? Die Bewertung von Velo-Nutzern beim Fahrradverkehrstest – gerade mal ein „ausreichend“ – war nicht allzu rosig. „Daran arbeiten wir“, versichert Rathaus-Sprecher David Hennig. Das Ergebnis solle Ansporn sein, besser zu werden. Harks beteuert: „Wir haben ein Interesse daran, zu lernen, wie wir in der Struktur besser werden können. Wir wollen Lust machen, aufs Fahrrad zu steigen. Das ist eine große Aufgabe. Aber wir wollen das Fahrrad als wirkliche Alternative zum Auto.“
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Daher nehme die Verwaltung komfortable Lösungen für Radler in den Blick, beispielsweise breitere Wege. Diese seien oft durch motorisierte Falschparker versperrt, lautete ein Kritikpunkt. Hennig: „Wir ahnden das regelmäßig, zum Beispiel auf der Humboldtstraße.“ Der Idee von künstlichen Sackgassen, wie sie Vera Bücker vom ADFC ins Gespräch brachte, verpasst Hennig einen Dämpfer: „Autofahrer beklagen dann, dass sie Umwege in Kauf nehmen müssen. Wir müssen aber alle Interessensgruppen berücksichtigen – nicht nur Fahrradfahrer.“
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Da sind all jene nicht zu vergessen, die per pedes unterwegs sind. „Bei der Förderung des Fußgängerverkehrs gibt es keine Denkverbote“, unterstreicht Harks. Hennig: „Eine Maßnahme wäre, Bereiche zu beruhigen.“ Ein Projekt, das Harks anpeilt: den Schüler-Bring-und-Holverkehr. Schließlich können kürzere Strecken auch zu Fuß zurückgelegt werden.