Gladbeck. In der Gladbecker Fußgängerzone hat sich ein Angebot für bedürftige Senioren etabliert. Ein neuer Verein verteilt dort gespendete Lebensmittel.

Immer mehr sind es geworden, mittlerweile rund 100 Seniorinnen und Senioren, die regelmäßig die niederschwellige Möglichkeit in der Fußgängerzonein Gladbeck nutzen, kostenlos Lebensmittel zu erhalten. Initiatorin Sina Mind schätzt: „Obwohl sie das Anrecht haben, werden 80 Prozent von diesen bedürftigen Menschen nicht das Angebot der bald wieder startenden Gladbecker Tafel in Anspruch nehmen. Weil sie sich schämen, sich registrieren zu lassen, um diese Hilfe in Anspruch nehmen zu können“. Der neu gegründete Verein Lichtblick will so die Lebensmittelausgabe für alte Menschen in der Stadtmitte verstetigen, obwohl anfangs etwas anderes beabsichtigt war.

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Denn zunächst als Schülerhilfe zur Unterstützung in der Corona-Krise angedacht, sorgten die Ukraine-Krise und die mit wenig Hab und Gut in Gladbeck ankommenden Kriegsflüchtlinge dafür, dass das Vereinsengagement sich auf diese Menschen konzentrierte, um sie mit Kleidung, Mobiliar und Lebensmitteln zu versorgen. „Sobald das Gladbecker DRK das Tafelangebot startet, werden wir unsere Lebensmittelausgabe für Ukrainer aber einstellen, da die Geflüchteten als Hartz IV-Empfänger ja für dieses Angebot berechtigt sind“, erklärt Sina Mind. Das Angebot für Senioren werde aber bleiben, „da wir ständig mitbekommen, wie wichtig die Unterstützung mit gespendeten Lebensmitteln für sie ist“.

Senior sucht im Container nach Pfandflaschen, um die kleine Rente aufzubessern

Zum Team der ehrenamtlichen Helfer gehören auch einige Frauen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, denen hier zuvor selbst geholfen wurde.
Zum Team der ehrenamtlichen Helfer gehören auch einige Frauen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, denen hier zuvor selbst geholfen wurde. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Die Ausgabe kostenloser Lebensmittel im ehemaligen Obst- und Gemüseladen an der Hochstraße 50 hat sich über Mundpropaganda herumgesprochen. Sie spreche aber selbst auch Senioren gezielt an, sagt Sina Mind und berichtet von anrührenden Erlebnissen. Etwa von dem Senior, den sie beobachtete, „wie der Mann in einem Altglascontainer nach Flaschen angelte“, um seine kleine Rente aufzubessern, wie sich im Gespräch herausstellte. Oder die gut gekleideten Seniorin mit gepflegter Frisur, die an der Supermarktkasse aus dem übersichtlich gefüllten Einkaufswagen beschämt die Joghurts zurücklegen musste, „weil das vermeintliche Angebot erst am Folgetag galt, und ihr Geld nicht reichte“.

Kleines Café für Kunden in Planung

Der Verein „Lichtblick Gladbeck“ wartet auf die Bestätigung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt in Marl. Die Vereinssatzung ist eingereicht, so Initiatorin Sina Mind. Eine wichtige Voraussetzung, um Quittungen für Spenden ausstellen zu können. Die dann hoffentlich auf das Vereinskonto fließen, „da wir in unserem Ladenlokal gerne ein kleines Café einrichten möchten, damit sich bedürftige Senioren bei schlechterer Witterung aufhalten und auf die Lebensmittelausgabe warten können“.

Haltbare und gut lagerbare Trockenwaren (Reis, Nudeln, Konserven etc.) sind als Spenden von Privatpersonen jederzeit im Lichtblick-Laden an der Hochstraße 50 willkommen (Spendenannahme Mo-Fr 9-15 Uhr und Sa 9-12 Uhr), „auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum schon etwas abgelaufen ist“, so Sina Mind. Eine Box für Geldspenden steht im benachbarten „Home Store Heib“ an der Hochstraße 47 bereit.

Sina Mind überredete die Dame, doch mal bei der Lebensmittelausgabe an der Hochstraße vorbeizuschauen. Mit ihren mehr als 80 Jahren zählt die Seniorin jetzt zu den älteren Stammgästen, die sich zunächst schämt, über ihre Situation zu reden. „Wenn meine Kinder wüssten, dass ich regelmäßig hierher komme“, sagt sie und Tränen schießen in ihre Augen. „Sie sagen ja, Mama, wenn du etwas brauchst, sag’ Bescheid, aber ich will ihnen doch nicht zur Last fallen.“ Von ihrer kleinen Witwenrente blieben ihr etwa 200 Euro zum Leben, da sei frisches Obst ein Luxus, den sie sich kaum erlauben könne. Es falle ihr schwer, Hilfe anzunehmen, hier beim Lichtblick sei das aber ganz unkompliziert, so dass sie gerne herkomme und sich über jede Spende freue, die sie mit heimtragen könne.

Aussortierte Lebensmittel von Privatspendern und aus Supermarktregalen

Die Lebensmittel seien Privatspenden und aus Supermarktregalen aussortierte Ware; Obst und Gemüse, das nicht mehr frisch aussehe, oder Lebensmittel, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum ablaufe. „Sie werden an bedürftige Gladbecker ab 60 Jahren abgegeben, komplikationslos, ohne dass wir einen Bedürftigkeitsnachweis verlangen“, sagt Sina Mind. Zusammengetragen über die Gladbecker Foodsharing-Gruppe, die noch brauchbare Lebensmittel vor der Mülltonne rettet. An drei Tagen in der Woche wird das, was an der Hochstraße angekommen ist, an die Senioren verteilt (Mo., Mi., Fr. 12-13 Uhr). Mal ist es mehr, mal weniger. Nach dem Wochenende sind die Kühlschränke und Regale im Lichtblick-Laden gut gefüllt, auch Fleisch ist in größerer Menge vorhanden.

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Lichtblick-Initiatorin Sina Mind möchte auch ein kleines Café für bedürftige Senioren als Wartebereich im Ladenlokal einrichten.
Lichtblick-Initiatorin Sina Mind möchte auch ein kleines Café für bedürftige Senioren als Wartebereich im Ladenlokal einrichten. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Kunde Horst packt zudem freudig Gemüse und Obst ein. Bei dem 66-Jährigen ist es ebenfalls mau im Portemonnaie. Etwas mehr als 150 Euro blieben ihm von der kleinen Rente im Monat übrig. „Obwohl ich rund 50 Jahre bei der Stadt gearbeitet habe, als Saisonarbeiter auf dem Friedhof“, erzählt er. Der Braucker freut sich über das Angebot, er ist aber auch bereit, wieder das Tafelangebot zu nutzen, das ja mit mobilem Fahrzeug in etwa zwei Wochen die Stadtteile anfahren solle.

Flüchtlinge aus der Ukraine helfen ehrenamtlich im Lichtblick-Team mit

Nach dem Wochenende sind die Regale im Lichtblick-Laden gut und mit vielen schönen Lebensmittelspenden gefüllt.
Nach dem Wochenende sind die Regale im Lichtblick-Laden gut und mit vielen schönen Lebensmittelspenden gefüllt. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Theodor ist aus Schultendorf gekommen, er erzählt von seiner krebskranken Frau und der kleinen Rente. „Das Angebot hier entlastet einen, wenn jeder Euro zählt.“ Zudem sei er auch begeistert von dem Foodsharing Gedanken. „Es ist doch wichtig und sinnvoll, alle Lebensmittel zu nutzen und sie nicht achtlos wegzuwerfen“, so der 77-Jährige. Der Verein setze sich für eine gute Sache ein, lobt der Gladbecker, die unterstützenswert sei. „Und wenn ich selber doch mal einen Euro übrig habe, spende ich den gerne“. Unterstützt wird die Lebensmittelausgabe auch ehrenamtlich von Flüchtlingen aus der Ukraine, denen hier selbst geholfen wurde, darunter Iryna. Man müsse doch mit anpacken, wenn man sehe, „dass bedürftigen Senioren geholfen werden kann“, sagt die 41-Jährige. Für sie ist es auch eine schöne Möglichkeit, etwas nach der selbst erfahrenen Unterstützung in Gladbeck an die Menschen hier zurückgeben zu können.