Gladbeck. Die Energiekrise belastet viele Menschen und Branchen in Gladbeck. Die WAZ sprach mit Bürgermeisterin Weist über Hilfen, den Haushalt und Corona.
Energie-Krise, Corona-Krise, Ukraine-Krise: Die Herausforderungen in diesen Zeiten sind groß. Die WAZ Gladbeck sprach im Sommerinterview mit Bürgermeisterin Bettina Weist unter anderem über die wirtschaftlichen Folgen für Gladbeck, das Stadtbild und das Appeltatenfest.
Mit der Broschüre zu „Gladbeck dreht runter“ werben Sie bei Bürgerinnen und Bürgern um energiebewusstes Verhalten. Was tun Sie selbst, um Energie zu sparen? Duschen Sie jetzt kälter, oder kürzer?
Bettina Weist: Ich habe zwei junge Männer im Haus. Da frage ich mich immer wieder: Wie kann man nur so lange duschen!? Da gab es zuhause einige Diskussionen, und die Ansage lautet jetzt, kürzer zu duschen. Ich bade so gerne. Aber mein Vollbad ist nun auch erst einmal gestrichen. Man muss als Familie schauen, wo man Energie einsparen kann. Wir haben daher zudem beispielsweise unsere Therme warten lassen, die Heizungen entlüftet. In unserer Gesellschaft war es ja immer unvorstellbar, dass etwas nicht verfügbar ist, oder man aus seiner Komfortzone heraus muss.
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Viele Menschen sind – gerade in einer armen Stadt wie Gladbeck – enorm durch die hohen Preise, etwa für Energie und Lebensmittel, belastet. Wie viele Sorgen machen Sie sich um die Bürger?
Besonders Sorgen mache ich mir um Seniorinnen und Senioren. Das ist eine Generation, die sich nicht so schnell meldet, wenn sie Hilfe benötigt. Wir haben in Gladbeck aber ein gutes Netzwerk, bestehend beispielsweise aus dem Seniorenbeirat. Zudem müssen wir jetzt etwa über das Familienbüro Beratungsangebote für kinderreiche Familien machen. Dazu zählen Energiespar-Workshops. Wir müssen über unser gutes ehrenamtliches Netzwerk an die Menschen heran, die sonst in Armut abgleiten würden. Die, die ohnehin Sozialleistungen beziehen, werden aufgefangen, sie bekommen die Heizkosten schließlich vom Amt bezahlt. Aber auch für sie wird das zur Verfügung stehende Geld durch die Inflation weniger. Hier müssen wir auch verstärkt auf Hilfen etwa durch die Tafel aufmerksam machen.
Befürchten Sie eine weitere Abwärtsspirale für Gladbeck aufgrund des Verlustes an Kaufkraft?
Ja, und vor allem wird es für Gruppen wie Händler und Gastronomen noch ganz extrem werden. Sie werden selbst hohe Abschlagszahlungen zu tragen haben und hinzu kommt, dass die Menschen viel genauer überlegen müssen, welche Investitionen sie tätigen. Da fällt der Restaurant-Besuch eher mal hinten rüber. Die städtische Wirtschaftsförderung macht gerade eine Bestandsaufnahme und fragt, wie es diesen Branchen geht. Ich habe aber auch die Hoffnung, dass es Landes- und Bundeshilfen geben wird. Sonst würden wir riskieren, dass es diese Bereiche nicht durch die Krise schaffen.
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Was bedeutet die Krise für den städtischen Haushalt?
Allein durch höhere Energiekosten haben wir bis 2027 einen Mehraufwand von zehn Millionen Euro. Und die steigenden Zinsen belasten uns zusätzlich bei den Investitionskrediten. Wir müssen als Kommune aber natürlich weiter investieren, beispielsweise in Klimaanpassungsmaßnahmen, Bildung und Digitalisierung. Und da kommen wir jetzt eben in eine andere Zinsphase. Ich hoffe, dass das Land in den nächsten Wochen Ideen entwickelt, wie die Kommunen unterstützt werden können. Denn wir brauchen Handlungsfähigkeit. Beim Thema Altschulden hoffe ich, dass die Landesregierung die im Koalitionsvertrag angekündigte Hilfe auch umsetzt.
War es nicht herausgeschmissenes Geld und zu hastig entschieden, das millionenteure Containerdorf – bislang ungenutzt – zu errichten?
Man muss immer in der jeweiligen Situation handeln. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach und die Menschen zu uns kamen, haben wir vor dem Hintergrund des Königsteiner Schlüssels gerechnet, welche Kapazitäten wir brauchen. Wir haben täglich gesehen, wie die Preise für die Container nach oben gingen. Da waren wir sehr schnell mit der Anmietung und darauf auch sehr stolz. Wir wollten auf keinen Fall säumig sein. Toll war das Engagement der Gladbecker, die viele Menschen privat Wohnraum angeboten haben. Aktuell leben 537 geflüchtete Menschen aus der Ukraine bei uns. Wir haben auch weiter, wenn auch gedrosselt, Zulauf von Menschen aus der Ukraine. Abzuwarten bleiben die weiteren Eskalationsstufen in dem Kriegsland. Das Containerdorf halten wir daher auch vorsichtshalber weiter vor. Wir haben die Container für ein Jahr angemietet.
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Mit den Folgen des Ukraine-Krieges stehen neue Herausforderungen an, dabei ist die Corona-Krise noch gar nicht beendet. Dennoch scheint der Alltag wieder zurückzukehren. Wie froh sind Sie, dass das Appeltatenfest in diesem Jahr wieder ansteht?
Sehr, sehr froh. Für mich wird alles – die Krönung, der Umzug – eine Premiere als Bürgermeisterin beim Appeltatenfest sein. Wir haben Phasen erlebt, in denen das öffentliche Leben komplett heruntergefahren war, jetzt kehrt Normalität zurück, und das ist schön. Bei „Umsonst und draußen“ haben wir vergangenes Wochenende gesehen, wie froh alle waren, dass es wieder stattgefunden hat. Zum Appeltatenfest wird erstmals eine Delegation aus Dernau kommen, die Gladbecker Fluthilfe hat die Stadt im Ahrtal ja besonders unterstützt, und nun gibt es auch die Idee zu einer Städtepatenschaft.
Wie blicken Sie auf den Corona-Herbst? Wie bereitet sich die Stadt auf eine weitere Welle vor?
Im Moment stellen wir eine große Impfmüdigkeit fest. Im Herbst werden wir wieder den nächsten Impfgipfel einberufen, zu dem unter anderem Apotheker, Ärzte und das DRK gehören. Es gab mal die Überlegung, eine Impfwoche zu planen. Da müssen wir schauen, ob es nach wie vor das richtige Format ist. Der Corona-Krisenstab tagt weiter und behält die aktuelle Entwicklung stets im Blick. Im Herbst könnte es dann nötig sein, eigene Maßnahmen wieder hoch zu fahren, dazu kann beispielsweise auch die Maskenpflicht im Rathaus zählen. Klar ist, dass Corona ein ständiger Begleiter sein wird. Und wenn die Zahlen wieder steigen, werden wir einige Schutzmaßnahmen wieder reaktivieren müssen.
>>>Stadtgrün hat immer mehr Arbeit mit vermüllten Parkanlagen
Den Menschen ist ein ordentliches Stadtbild sehr wichtig. Doch immer öfter sind zuwuchernde Straßenränder, zu selten gepflegte Grünanlagen und vermüllte Grünstreifen zu beobachten. Warum?
Mir fällt das natürlich auch auf. Und ich werde zu diesem Thema oft angesprochen oder angeschrieben. Einige Flächen sind aber eigens Flächen für Wildblumen. Wenn man eine grüne Stadt haben möchte, dann muss man auch damit leben, dass es auch mal wuchert. Es ist alles eine Kostenfrage und die Frage, was will sich eine Stadt leisten. Und eine kurz gemähte Rasenfläche bringt für die Biodiversität nichts. Auf der anderen Seite haben sich die Aufgabenschwerpunkte beim Stadtgrün verschoben. Dort haben die Mitarbeiter immer mehr mit der Beseitigung von Vermüllung in Parkanlagen zu tun. Dazu zählt auch die Vermüllung nach Hochzeitsfeiern. Das Zeitkontingent ist also ein anderes als noch vor ein paar Jahren. Sobald die Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben ist, reagieren wir aber natürlich sehr schnell.
Wieso gibt es noch immer keinen Fortschritt bei der Problem-Immobilie Steinstraße?
Wir haben immer gesagt, dass das ein Marathonlauf ist, das Problem lässt sich nicht innerhalb eines halben Jahres lösen. Gerade in den Sommermonaten wird die Situation dort immer schlimmer, das ist auch eine Mentalitätsfrage. Die Wohnung, die die Stadt dort gekauft hat, soll am 5. September bezugsfertig sein. Dann sind wir Bestandteil der Eigentümerversammlung, haben einen Fuß in der Tür und einen ganz anderen Zugang zur Hausverwaltung. Bisher sind wir dort immer vor verschlossene Türen gelaufen. Wir werden einen Stundenplan erarbeiten, damit immer jemand vor Ort ist, mal der KOD, mal Wohlfahrtsverbände, die Sozialberatungen und Hausaufgabenbetreuung anbieten. Wir müssen Vertrauensarbeit leisten, gepaart mit Kontrolle.
Eine attraktive Innenstadt ist ebenfalls entscheidend für eine Stadt. Wie ist der Stand beim Handlungskonzept Innenstadt?
Wir haben einen Förderantrag für ein Bundesprogramm zur Förderung der Innenstadt gestellt, warten aber noch auf offizielle Genehmigung. Wir haben zwar schon Bescheid bekommen, dass wir förderungswürdig sind, aber erst wenn wir die tatsächliche Zusage haben, können wir die Stelle eines Citymanagers ausschreiben. Es wäre super, wenn wir einen Förderer für die Innenstadt hätten, auch zur Stärkung von