Gladbeck. Fast ein Jahr ist es her, dass eine Flutkatastrophe das Ahrtal heimsuchte. Immer noch tut Unterstützung not. Fluthilfe Gladbeck ist zur Stelle.
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Vor bald genau einem Jahr, Mitte Juli 2021, wütete Tief Bernd in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Schwere Sturzfluten und Überschwemmungen radierten ganze Orte von der Landkarte, rissen Menschen in den Tod. Doch eine Welle der Hilfsbereitschaft ergriff das Land. Mit dabei: die Fluthilfe Gladbeck. Auch wenn viele Menschen die Hochwasser-Katastrophe nicht mehr auf dem Schirm haben: Die Ehrenamtlichen sind immer noch im Einsatz.
Und das aus gutem Grund. Die betroffenen Gebiete sind zwar weitgehend aus den Nachrichten verschwunden, doch eitel Sonnenschein herrscht noch lange nicht. Spuren der verheerenden Flut sind unübersehbar. So sagt denn Christina Wienforth von der Gladbecker Fluthilfe: „Wir sind weiterhin aktiv.“ Gerade sei ein kleines Team wieder einmal, wie so oft nach dem Hochwasser, in Dernau an der Ahr gewesen. Wienforth: „Wir sind fast ausschließlich in diesem Ort im Einsatz.“
Die Gladbecker Helferin Nadine Müller: „Der Schutt ist zwar weggeräumt, aber es liegt noch jede Menge Handwerksarbeit an“
Nadine Müller, die gerade erst mit ihrem Mitstreiter Achim Petersen für ihr Engagement in der Gladbecker Fluthilfe eine Ehrenplakette bekommen hat, erklärt die jüngste Baustelle: „Es gibt im Ahrtal drei unterschiedliche Materialien für den Hausbau. Eines davon ist tückisch, denn das bei der Flut ausgetretene Öl lauert im Mauerwerk und tritt erst bei höheren Temperaturen aus.“ Also sei ein Trüppchen Gladbecker zur Hilfe geeilt.
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„Wir haben einen guten Kontakt zum Ortsvorsteher. Ähnlich wie bei einer Siedlergemeinschaft werden wir auf Nachfrage aktiv, das haben wir von Anfang an so gemacht“, berichtet Nadine Müller. Auf gut Glück hinzufahren und dann erst zu schauen, welche Arbeiten anliegen, ist nicht die Strategie der Gladbecker Helfer. Gezielte Unterstützung tut immer noch not.
Nadine Müller erzählt: „Alle paar Wochen fährt von uns eine Gruppe hin. Der Schutt ist zwar weggeräumt, aber es liegt noch jede Menge Handwerksarbeit an. So gibt es immer noch keine Gärten.“ Von Normalität könne keine Rede sein. „Manche Prozesse dauern einfach unendlich lange. Betroffene warten zum Beispiel ewig auf einen Gutachter“, schildert Müller die Situation, „wir helfen, damit wenigstes ein paar Zimmer in einem Haus bewohnbar sind.“
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In Spitzenzeiten unmittelbar nach der Tragödie packten etwa 140 Freiwillige am Wehlingsweg an, schleppten Kartons mit Spenden, sortierten und beluden Fahrzeuge, um den Opfern im Ahrtal lebensnotwendige Güter wie Trinkwasser zu bringen, aber auch Pumpen, Baumaterial und Handwerkszeug. Dauerhaft geblieben ist ein „harter Kern von ungefähr 40 Leuten“.
Nadine Müller bekräftigt: „Die Hilfsbereitschaft in Gladbeck ist ungebrochen.“ Doch vielleicht tritt die Situation in den Hochwasser-Gegenden etwas in den Hintergrund und wird von einem anderen kritischen Gebiet auf der Erdkugel überlagert: der Ukraine.
Und auch da engagiert sich die unermüdliche Fluthilfe Gladbeck. „Wir sind ein Ort, an dem die Menschen Solidarität zeigen“, freut sich Müller. Ach was, es ist eine ganze Region, die anpackt. Aus Buer, Bottrop und Kirchhellen komme ebenfalls viel Unterstützung: „Jeder macht, was er kann, alle greifen wie Zahnräder ineinander.“ Nur so sei es möglich gewesen, fast von jetzt auf gleich einen 40-Tonner und mehrere Kleintransporter mit Hilfsgütern auf den Weg in die Kriegsregion zu schicken. In rekordverdächtigem Tempo habe ein Gladbecker 10.000 Sandsäcke für Odessa organisiert.
Nadine Müller meint: „Wir sind mittlerweile nicht mehr nur Fluthilfe, sondern Katastrophenhilfe.“ Allerdings sei die Ukraine-Aktion „viel, viel aufwendiger“. Immerhin gehen die Transporte in ein Kriegsgebiet, müssen beispielsweise für Grenzübertritte Zollpapiere vorgelegt werden. Müller: „Wir kooperieren mit dem Verein Osthilfe.“
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Zwei Ukraine-Aktionen hat die Fluthilfe Gladbeck bisher gestemmt. Helferin Müller: „Da muss man genau überlegen, was gebraucht wird. Das sind ganz andere Dinge als im Ahrtal.“ Fluchtgeeignete Lebensmittel wie Müsliriegel, Trinkpäckchen und Fertigsuppen. Keine Bekleidung, schon gar nicht kaputte und verdreckte. „Wir müssen vor Ort hören, was aktuell benötigt wird“, so Müller. „Sind es noch Feldbetten? Oder Medikamente? Wenn ja: welche?“
Vorerst sammelt die Fluthilfe am Wehlingsweg keine Spenden, die Halle ist geschlossen. Müller begründet dies: „Wir sind alle Ehrenamtliche und brauchen eine Verschnaufpause.“ Anfang August will die Gruppe wieder in die Hände spucken und anpacken, wo sie gebraucht wird.