Gelsenkirchen. 2023 wurden einige große Beschlüsse in Gelsenkirchen gefasst. Warum es in der Politik jetzt sogar heißt: „Wir bemerken ein Umdenken“.

Jedes Jahr fragt die WAZ Gelsenkirchen die Fraktionen und Gruppen im Stadtrat nach den wichtigsten kommunalpolitischen Erfolgen und Fehlleistungen des vergangenen Jahres sowie nach den wichtigsten Zielen fürs neue Jahr. In Teil eins des Rück- bzw. Ausblicks sprechen die Lokalpolitiker über die größten Erfolge 2023.

SPD Gelsenkirchen freut sich über „einmaliges Städtebauprojekt“

Axel Barton (Fraktionsvorsitzender): „Die sogenannte ,Zukunftspartnerschaft‘, die OB Karin Welge durch Unterstützung des Bundes mit dem Land NRW schließen konnte, umfasst ein einmaliges Städtebauprojekt. Dadurch ist die Möglichkeit geschaffen, innerhalb der kommenden zehn Jahre rund 3000 nicht marktgängige Wohneinheiten vom Markt zu nehmen, in qualitativen Wohnraum zu investieren und hunderte sogenannter Schrottimmobilien aus dem Stadtbild zu entfernen. Gemeinsam mit der Gründung der Infrastrukturgesellschaft und dem Beschluss zum Bau des neuen Zentralbads zählt sie zu den großen kommunalpolitischen Erfolgen des Jahres 2023.“ (Anm. d. Rdk.: Die Zukunftspartnerschaft wurde zwar bereits im November 2022 beschlossen, 2023 erhielt Gelsenkirchen jedoch die ersten Millionen aus dem Projekt.)

CDU Gelsenkirchen: „Alte Muster helfen nicht bei den Problemen“

Sascha Kurth (Fraktionsvorsitzender): „Die neue Wirtschaftsförderung gewinnt flankiert von viel positiven Feedback aus unseren Unternehmen an Performance, die dringend nötige Neuaufstellung des Sports mit der Kündigung des Gelsensport-Modells ist beschlossen, der Schulbau steht an der Schwelle zu einer besseren Zeit mit der GE GmbH, und mit den nötigen Änderungen am Masterplan Mobilität haben wir die verkehrspolitischen Weichen arbeitnehmer- und bürgerorientiert gestellt. Wir sind an vielen Stellen einen Schritt weiter. Und wir bemerken ein Umdenken: Die alten Muster helfen nicht bei den Problemen. Mit dem beginnenden, massiven Rückbau von Wohnraum durch die NRW-Zukunftspartnerschaft haben z. B. hoffentlich alle verstanden, dass nur mit einem neuen Mindset der Turnaround klappt!“

Grüne finden: Gelsenkirchen hat die Zeichen der Klimakrise verstanden

Peter Tertocha (Co-Fraktionsvorsitzender): „Als Grüne spielten wir von Anfang an eine zentrale Rolle bei der Standortfrage und der Einigung der demokratischen Fraktionen zum Beschluss für den Neubau des Zentralbads. Damit ist klar: Das Zentralbad verbleibt im Stadtzentrum und damit gut erreichbar. Die Pläne erfüllen richtigerweise die Wünsche der Schulen und Vereine, sodass die Jugendförderung maßgeblich verbessert wird. Das Ziel, das Schwimmbad als bilanzielles Null-Energie-Gebäude zu bauen, ist ein deutliches Zeichen, dass Gelsenkirchen die Zeichen der Klimakrise verstanden hat.“

AfD Gelsenkirchen konnte Aufsichtsratsposten und Schöffenamt besetzen

Jan Preuß (Fraktionsvorsitzender): „Ein Erfolg ist, dass unser Zuspruch in Gelsenkirchen weiter ungebrochen wächst: „Wahlkreisprognose: SPD verliert alle Direktwahlkreise im Ruhrgebiet - Fünf gehen an die AfD“ (so titelte der Blog Ruhrbarone.de am 8. Dezember mit Bezug auf eine Trendanalyse des Berliner Instituts Wahlkreisprognose). Dies haben wir auch der Bürgernähe vor Ort, unserem offenen Ohr für die Sorgen der Menschen und unserer hohen Aktivität auf kommunalpolitischer Ebene zu verdanken. Außerdem sind die Altparteien mit ihrer Ausgrenzungspolitik zunehmend überfordert, denn unsere Anträge werden mittlerweile fast ausschließlich begründungslos abgelehnt, weil schlichtweg Argumente fehlen. Wir schaffen es darüber hinaus weiter, wichtige Aufsichtsratposten und ein Schöffenamt zu besetzen, was die Lokalpresse sogar zu immer schrilleren Tönen gegen uns bringt, obwohl es sich einfach nur um demokratische Normalität handelt, die man sich als AfD-Fraktion allerdings erkämpfen muss.“ (Anm. d. Rdk.: Anträge der AfD werden oft auch mit Begründungen abgelehnt oder in andere Ausschüsse verwiesen. Die WAZ kommentierte die Wahl eines AfD-Ratsmitglieds zum Schöffen mit Stimmen der SPD, CDU und Grünen vor allem als Zeichen mangelnder Glaubwürdigkeit der anderen Fraktionen, die sonst konsequent gegen die AfD stimmen.)

FDP ist „stolz“ auf mobilen Bürgerservice in Gelsenkirchen

Susanne Cichos (Fraktionsvotsitzende): „Wir sind schon stolz darauf, dass der Bürgerservice in den Stadtteilen in Zukunft mit einem Bürgerbus verbessert werden soll. Als eine der kleinsten Fraktionen muss die FDP immer Verbündete für ihre Vorhaben finden. So auch bei dem Projekt ämterübergreifender Service. Das Vorhaben wurde auf Wunsch der FDP als Zielvereinbarung in den Haushalt 2023 aufgenommen. Außerdem sind wir gespannt, was die Machbarkeitsstudie zu einer möglichen Seilbahn in Gelsenkirchen ergibt, die Ende des Jahres vergeben werden sollte. Der einzige Wermutstropfen dabei: Die FDP hat als erste Stadt im Ruhrgebiet eine solche innovative ÖPNV-Lösung vorgeschlagen. Inzwischen haben uns Städte wie Herne, Essen und Oberhausen aber mit ihren Planungen überholt.“

Linke: Menschen während der Energiekrise unterstützen

Martin Gatzemeier (Fraktionsvorsitzender): „Die Linke hat sich für einen ,Runden Tisch Energiearmut‘ eingesetzt, der im vergangenen Jahr institutionalisiert werden konnte. Uns war es wichtig, Menschen, die ohnehin von Armut betroffen waren, während der Energiekrise zu unterstützen. Das ist uns nach unserer Initiative endlich gelungen.“

PARTEI spricht von „epochaler Luftnummer“

Gregor Stein: „Erinnern Sie sich an das Klimakonzept? Ein 1000-seitiges Folterinstrument (für Leute, die es lesen müssen), in dem eine Bestandsaufnahme der „Klimasituation“ und Handlungsempfehlungen aufgeführt werden. In Zusammenhängen zum Thema Verkehr verweist es auf den parallel beschlossenen ,Masterplan Mobilität‘, Selbstredend war es als kleine unseriöse Oppositions-Ratsgruppe nicht unser Erfolg, diese epochalen Luftnummern abgestimmt, oder gar formuliert zu haben – wir begnügen uns nur damit (im Gegensatz zur €DU), nicht die Mehrheit aller sinnvollen Maßnahmen zugunsten des Autoverkehrs (auch nur augenscheinlich) rausgestrichen zu haben.“

Die WIN-Fraktion, die Ratsgruppe „Tierschutz Hier!“ und die AUF haben dieses Jahr nicht an der Umfrage teilgenommen.