Gelsenkirchen. Gelsenkirchen steigt jetzt konkret in die Arbeit für das neue Klimakonzept ein. Die Ziele sind groß, die Liste an Aufgaben lang. So geht es los.
In Zeiten von allumgreifendem Personalmangel und finanziellen Belastungen durch zahlreiche Krisen ist das zweifellos eine Hausnummer: 16,5 neue Stellen sollen bis Mitte nächsten Jahres in der Gelsenkirchener Stadtverwaltung besetzt werden, ausschließlich um das „Klimakonzept 2030/2045“ voranzubringen. Das laut Oberbürgermeisterin Karin Welge „ambitionierte Ziel“ hinter dem Papier: Gelsenkirchen soll seinen bestmöglichen Teil dazu beitragen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird – und damit soll schnellstmöglich begonnen werden.
„Bereits in den kommenden drei Jahren werden wir mit einem kurzfristigen Maßnahmenpaket starten“, kündigte Welge bei der offiziellen Vorstellung des neuen Konzepts an. Das heißt: Von den 43 Aufgaben, die im Maßnahmenkatalog des Klimakonzeptes aufgelistet werden, soll mit fast 40 bereits in den Jahren 2023-2025 begonnen werden. Das Rad neu erfinden muss die Stadt dabei an vielen Stellen nicht – denn zahlreiche im Konzept genannte Punkte beziehen sich auf Felder, die die Stadt bereits bedient.
Da ist zum Beispiel das stadteigene Förderprogramm für private Photovoltaik-Anlagen, Fassaden- und Dachbegrünung und den Ersatz von privaten Kohleheizungen, da sind die längst gepflegten Energiespar-Projekte in Schulen und Kitas, da ist die Energieberatung der Verbraucherzentrale, die Mitmach-Kampagne „klimaGEnial“ oder die Optimierung der Straßenbeleuchtung, also die komplette Umstellung auf LED-Leuchten, mit der die Stadt in diesem Jahr deutlich vorangekommen ist. Also alles weiter wie bislang – und es wird schon mit der Klimaneutralität?
Darum kümmern sich die 16,5 neuen Klima-Stellen in Gelsenkirchen konkret
Das wohl nicht, denn die 16,5 (und langfristig sogar 21) neuen Planstellen sollen dafür sorgen, dass in allen fünf Handlungsfeldern, die das Klimakonzept herausstellt (Infobox) mehr Gas gegeben wird: Acht Stellen sind nach Angaben der Stadt bei Gelsendienste angesiedelt. Denn zwar soll die Stadt immer grüner werden, wodurch Regen im Fall von Starkregen besser natürlich versickern soll und mehr Schattenplätze für Hitzesommer geschaffen werden können. Aber schließlich muss das ganze Grün auch gepflegt werden.
OB Welge: Alle sollen mitwirken
Zur Erreichung der Ziele benennt das Klimakonzept fünf Handlungsfelder: „Vorbild Stadt“, „Klimatransformation der Stadtgesellschaft“, „Klimagerechte Wirtschaft“, „Klimaneutrale Energieerzeugung und –versorgung“ sowie „Anpassung an den Klimawandel“.
Erreichen kann Gelsenkirchen die Klimaneutralität in all diesen Bereichen laut OB Welge nicht alleine: „Dafür sind Rahmensetzungen durch die EU, Bund und Land erforderlich. Außerdem erforderlich sind enorme Anstrengungen von anderen Akteuren, wie Energieversorgern, Wohnungswirtschaft, Unternehmen, aber auch von allen Bürgerinnen und Bürgern.“ Es komme darauf an, dass jeder mitmacht.
Versickerung und Abwasser sind auch Kern-Aufgabenbereiche von fünf weiteren Stellen, „Klimaanpassungsstellen“, nennt sie Stadtbaurat Christoph Heidenreich. „Wir müssen das Kanalsystem und die Entwässerung auf den städtischen Liegenschaften verstärken.“ Es soll also mit Hochdruck daran gearbeitet werden, dass das Abwassersystem bei heftigen Regenfällen nicht überreizt wird und das Wasser zurückgehalten wird.
3,5 Stellen sind im Umwelt-Referat der Stadt vorgesehen. Sie übernehmen laut Heidenreich etwa Aufgaben wie die „intensivere Beratung“ der Bürgerinnen und Bürger, beispielsweise zur energetischen Sanierung der eigenen Immobilie.
Ein neuer Mitarbeiter kümmert sich um das Thema Energiewirtschaft und Bebauungspläne. Heidenreichs Plan ist es, innerhalb von zwei Jahren Energiekonzepte für Bebauungspläne fest zu verankern. „Es soll nicht mehr der Einzelne entscheiden müssen: Ich nehme die Wärmepumpe, ich nur die Photovoltaik-Anlage, ich versorge mich über Fernwärme. Sondern es soll ökologische Gesamtkonzepte für Neubaugebiete geben.“ Das Risiko, dass sich Baugenehmigungsverfahren so weiter verlangsamen, sieht der Stadtbaurat nicht.
Vier neue Stelleninhaber „kümmern sich um den Gebäudebestand der Stadt Gelsenkirchen“, also die Frage, wie man endlich mehr Solaranlagen auf die Dächer der städtischen Liegenschaften bekommt und wie zur energetischen Sanierung bestimmte Fördergelder herangeschafft werden können.
Gelsenkirchens Klimakonzept 2030/2045: Jetzt ist die Politik am Zug
Hinzukommt: Die Stadt verspricht sich besonders gezieltes Vorgehen, indem viel mit Daten gearbeitet wird. Über entsprechende Sensorik und Software sollen Erkenntnisse gesammelt werden wie: Welches städtische Gebäude verbraucht besonders viel Energie und ist deshalb besonders sanierungsbedürftig? „Bisher gehen wir bei der Sanierung eher von baulichen Schäden aus und weniger von den Energiekosten“, erläuterte Heidenreich. Auch bei dem Dialog mit der Wirtschaft will die Stadt noch mehr machen, also Initiativen wie den Klimahafen zur Produktion mit grünem Wasserstoff weiter voranbringen.
Zusammengebunden ergibt all dies ein Konzept, das laut OB Welge „alles andere als starr“ sein soll. „Der Gutachter hat aus der heutigen Sicht formuliert, was wir bis 2045 brauchen. Was er nicht weiß ist, ob wir in zehn Jahren eine technische Revolution haben oder ob sich Prioritäten verschieben“, ergänzte Heidenreich zu dem Konzept, das über mehrere Jahre in Zusammenarbeit mit einem Berater-Konsortium entstanden ist.
Anbieten würde sich, das laut Heidenreich „gute Paket mit einem guten Mix“ immer in Drei-Jahres-Schritten zu denken, also dann wieder Ende 2025 darüber nachzudenken, was aus dem Konzept bis 2028 abgehakt werden soll. Mitzureden hat dabei natürlich noch die Politik, die das Klimakonzept nun bereits zur Vorberatung erhalten hat, aber Anfang 2023 dann final darüber abstimmen soll. Dann soll ihr auch der nicht minder bedeutsame „Masterplan Mobilität“ vorgelegt werden, der das Klimakonzept im Bereich Verkehr an vielen Punkten ergänzen soll.