Gelsenkirchen. Die Grünen trauen sich, die SPD setzt alles auf Porträts und die CDU verpasst eine Chance: ein Überblick über die Wahlplakate in Gelsenkirchen.
Kaum ein Laternenmast kommt in Gelsenkirchen aktuell ohne sie daher: die Wahlplakate. In allen Farben, Formen, voller Versprechen und lächelnder Menschen präsentieren sie sich den Bürgerinnen und Bürger kurz vor der Kommunalwahl am 13. September. Wer hinterlässt dabei eine gute Figur? Wer eher weniger? Und welche Themenschwerpunkte setzen die Parteien? Ein Überblick.
SPD setzt alles auf Porträts
Themen setzen? Die SPD schlägt hier einen anderen Weg als der Rest ein und wirbt auf ihren 554 Kleinplakaten durchgehend mit Köpfen. „Wir haben gute Direktkandidaten, die wir den Menschen in den Stadtteilen auch zeigen wollen. Themen finden bei uns auf den großen Plakaten statt“, erklärt Wahlkampfmanager Sebastian Watermeier die „Pro-Kopf-Entscheidung“.
Dass die SPD Themenplakate kann, beweist sie auf den meisten der großformatigen Tafeln, so genannten Wesselmänner. Fünf Motive zeigen OB-Kandidatin Karin Welge, eingebettet in Gelsenkirchener Standorte von Ückendorf über den Hauptbahnhof bis zur Schalker Arena. Arbeit, Zukunft, Familie, Bildung und Sicherheit verpackt die Partei in ausdrucksstarker Bildsprache mit VR-Brillen und Schalker Rasenmähern. Die Botschaften kommen aber etwas stakkatohaft daher.
CDU verpasst Chance für ein rundes Paket
Die CDU präsentiert Malte Stuckmann als OB-Kandidat aus Gelsenkirchen für Gelsenkirchen – und setzt auf die Losung „Gelsenkirchen. Besser. Machen.“. Den Weg der Heimatverbundenheit gehen die Christdemokraten allerdings nicht konsequent bis zum Ende und verpassen so die Chance eines runden Pakets, denn auf vielen der kleinen Themenplakate entfachen teils sterile Fotos ohne Lokalbezug kaum Begeisterung.
Botschaften wie „Weg von den letzten Plätzen!“, „GE sicherer machen!“ oder „GE muss auch Spaß machen!“ stellen hingegen einen direkten Bezug zur Stadt her. Die Textblöcke der einzelnen Themen wie Wohnen, Bildung, Wirtschaft und Mobilität gehen flott von der Zunge. Und dennoch bleibt das Gefühl: Da wäre mehr drin gewesen.
Grüne: Eine Künstlerfeder mit Humor
Das Selbstvertrauen der Grünen, gewachsen durch erfolgreiche Wahl- und gute Umfrageergebnisse, drückt sich in ihren kleineren Plakaten aus. Für die zeichnet der niedersächsische Künstler Malte Müller verantwortlich – und das wortwörtlich: Insgesamt 30 Illustrationen standen zur Verfügung, aus denen sich der Kreisverband acht Motive auswählte. Pflicht waren nur die Schlagworte „Grün ist“. Echten Lokalbezug haben die aber auch nicht.
Die Grünen schaffen es, die beherrschenden Themen wie Mobilität, Kampf gegen Faschismus, Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung mit einem Augenzwinkern zu verknüpfen – und somit im Kopf zu bleiben. Die Forderung nach dem ÖPNV für einen Euro pro Tag kommt als rollendes Sparschwein auf Schienen daher, besser ausgestattete Schulen als „Schulklo, auf dem man gerne sitzen bleibt.“ Und: Auf den Plakaten bildet die Partie die gesamte Gesellschaft ab: Eine Rollstuhlfahrerin findet ebenso ihren Platz wie eine Dunkelhäutige. Lediglich das „Mehr Arten in deinem Garten“-Plakat irritiert mit einer Biene auf nacktem Zeh. Wer bleibt bei dem Brummer auf Fußfühlung derart gelassen?!
Die Linke prangert Armut in Gelsenkirchen an
„Wann, wenn nicht jetzt?“, fragt Die Linke Gelsenkirchens Bürgerinnen und Bürger auf ihren Wahlplakaten – und sieht die Zeit für einen Kurswechsel gekommen. Für OB-Kandidat Martin Gatzemeier und Co. steht die Bekämpfung der (Kinder-)Armut in dessen Mittelpunkt. Auf 50 der 300 Klein-Plakate im Stadtgebiet prangt der Slogan „Zukunft in Armut verhindern.“
Insgesamt acht Themen bauen die Linken auf den Werbebannern immer nach dem gleichen Prinzip auf: Roter Grund, die Botschaft zentral in schwarzer Schrift mit weißem Kasten, farbig dann der Aufruf zum Wechsel. Lediglich ein Plakat hebt die Partei durch veränderte Aufmachung und Text nochmal heraus: „Nazis entgegen treten. Immer und überall!“ Weitere Themen sind höhere Steuern für Reiche, kostenloser ÖPNV, bezahlbares Wohnen und mehr Geld für Pflege sowie Gesundheit.
FDP fordert den Abbau der Lenin-Statue
Während Die Linke Rechtsextremisten ins Visier nimmt, ist der FDP das ultralinke Lager ein Dorn im Auge. „Lenin raus aus Horst!“ fordern die Liberalen in Anspielung auf die kontrovers diskutierte Statue des Kommunisten und Revolutionärs – und nehmen damit direkt Bezug auf Gelsenkirchen. Auch das ehemalige Bergwerk Hugo zu einem „Ideenwerk-Start-up“ zu machen spielt in diese Kategorie.
Die weiteren drei Themenplakate beschäftigen sich mit der Digitalisierung der Schulen, den Arbeitsplätzen der Zukunft und der Sicherheit. Die Aufmachung ist gewohnt frisch, geprägt von Neonfarben und springt die Wählerinnen und Wähler fast an. Es dominieren die Weiß, Pink, Gelb und Blau. Was allen etwa 350 Plakaten gemein ist: der Leitsatz „Schauen wir nach vorn!“
Die AfD grenzt sich ab
Die Alternative für Deutschland flaggt Niederländisch – zumindest wenn es um die Unterteilung ihrer Wahlplakate geht. Rot, weiß und blau sind die Untergründe für Slogan und Schrift, während im oberen Teil Alltagsmotive das jeweilige Thema unterstützen.
Im Mittelpunkt stehen unter anderem die Wirtschaft, das Pflegepersonal und die Sicherheit. Als einzige Partei spricht die AfD in ihrer Devise die eigene Wählergruppe an und grenzt ab: „Für unsere Leute“ suggeriert ein „wir“ und ein „die Anderen“ – für „Gemeinsam“ bleibt kein Platz.
Die kleinen Parteien: Nazis, Corona und Regenbogen
Da ist Zoff einkalkuliert: Die Partei um Gründer und Satiriker Martin Sonneborn knallt den Gelsenkirchenern ihr Plakat „Nazis töten.“ vor den Latz. Und provoziert so heftige Reaktionen auf der Skala von Zustimmung bis Verständnislosigkeit. Die antifaschistische Partei möchte den Satz als Feststellung verstanden wissen und weißt auf die rechtsterroristischen Morde von Hanau oder an Walter Lübcke hin. Vandalismus wie etwa in Düsseldorf oder eine Klage, die das Amtsgericht Bielefeld abschmetterte, halten die Kontroverse am Köcheln – und damit die Aufmerksamkeit.
Die restlichen acht Motive auf 156 Plakaten im Stadtgebiet bewegen sich zwischen Klamauk und Konfrontation. Einerseits fordert der Kreisverband Kiffer-Bereiche am Hauptbahnhof, andererseits adressiert er an die türkischsprachigen Mitbürger: „Kimi seçeceğini bilmediğinde“. Das bedeutet ein schlichtes „Wenn Sie nicht wissen, wen Sie wählen sollen“.
AUF Gelsenkirchen setzt auf jede Menge Farbe
Den Regenbogen im Logo, jede Menge Farben und Köpfe (fehlt fast nur noch ein Einhorn) – das sind die Plakate von AUF , dem Gelsenkirchener Wählerbündnis mit dem Dreiklang „alternativ, unabhängig und fortschrittlich“. Die stramm Linken verbinden ihre 156-fache Wahlwerbung stets mit dem Wortspiel des „Aufstands“ oder des „Aufstehens“ gegen Klimakiller und Neonazis, für Zusammenhalt und Arbeits- bzw. Ausbildungsplätze.
Weitere Themen sind das finanziell klamme Gelsenkirchen sowie der Kampf gegen die Armut und gegen den Giftmüll unter Tage. Da auf den Themenplakaten allerdings derart viel passiert, sei es durch die Farben, die Schrift und die Bilder, fällt die Fokussierung beim flüchtigen Betrachten schwer.
Ein Herz und der Tierschutz
Das kann bei der Wählerinitiative NRW (WIN) nicht passieren. Ein Herz mit vielen farbigen Punkten unterstützt den Slogan „Stark durch Vielfalt“, mit dem OB-Kandidat Ali-Riza Akyol um Stimmen wirbt. Und dann wäre da noch die „Tierschutz hier“-Partei .
Die schwimmt völlig gegen den Trend, indem sie die dominierende Thematik Coronavirus benennt. „100 % Tierschutz“ und das Bild von einer Sau im Kastenstand mit „0 % Corona“ zusammenzubringen erfordert dann aber doch Einiges an Fantasie.
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