Gelsenkirchen. Die Linke sieht die Kommunalpolitik in Gelsenkirchen immer in Verbindung mit der Bundespolitik. Ihr Ziel: Die Mandate auf jeden Fall halten.
Einen „rasenden Stillstand“, wie der Medienkritiker Paul Virilio, sehen die Kandidatin und die Kandidaten der Linken in Gelsenkirchen für die Wahl am 13. September derzeit in der Lokalpolitik bestimmt nicht. „Eher Rückschritte“, wirft Martin Gatzemeier, Inhaber von Listenplatz 1 für die Wahl zum OB und auch in der Bezirksvertretung Ost, ein. Bettina Angela Peipe, die Stadtverordnete, tritt bei der Vorstellung des Elf-Punkte-Programms der Partei dagegen gleich aufs Gas: Das Recht auf Selbstverwaltung von frei verfügbaren Mittel außer Kraft und ein großer Teil der Bevölkerung der Stadt „abgehängt“, das ist für sie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. „Konsequent und radikal“, so bringt es der Kreisverbandssprecher Hartmut Hering die Forderungen auf eine Formel.
Die elf Punkte kreisen denn auch immer wieder um die zentralen Pole, an denen sich die Linke reibt. Sie ist mit drei Mandaten und damit in Fraktionsstärke im Rat und in jeder Bezirksvertretung mit einem Platz vertreten. Diese Zahl soll realistisch gehalten, optimistisch erhöht werden. Der Spitzenkandidat Martin Gatzemeier ist ins Stadtteilparlament GE-Ost nachgerückt und will dort von der Arbeit nicht lassen, würde auch das Doppelmandat wahrnehmen.
Armut und Abgehängtheit
Ein „soziales und lebenswertes Gelsenkirchen“ betitelt die Linke ihr Programm, will dazu die „sozial-ökologische Wende“ hin zu einer „Stadt für alle“. Zahlen tauchen im Programm nicht oft auf, eine Marke wird dafür immer wieder genannt: Über 40, und gemeint ist der Prozentsatz der Kinder, die in Gelsenkirchen in Armut aufwachsen - bundesweiter Spitzenplatz. Armut und Abgehängtheit, ein Makel, mit dem Bettina Angela Peipe sich nicht abfinden will.
Die Abgehängten, die Nicht-Arbeitenden, weil sie nicht arbeiten können oder nicht arbeiten dürfen, „das kann ja alles nicht sein“, ärgert sie sich. Und lächelt wieder bei: „Dafür gibt’s uns“. Denn das, was in der Kommune offenbar am meisten fehlt, das Geld, „das ist ja da“, sind sich die Kandidaten und die Kandidatin einig, „es ist nur falsch verteilt“. Weil: „Nur Reiche können sich eine arme Kommune leisten.“ Weshalb die Linke jegliche Form der Privatisierung öffentlicher Leistungen ablehnt und die bereits privatisierten Leistungen zurück zur Kommune holen will.
Bürgerzentren in jedem Stadtteil
Um eine bürgerfreundliche Verwaltung und eine „leistungsfähige und handlungsfähige Personalausstattung der Kommune“ bieten zu können, müsse der öffentliche Beschäftigungssektor massiv ausgeweitet werden, müsste es in jedem Stadtteil Bürgerzentren mit den verschiedensten Angeboten geben. Die müssten dann auch dauerhaft öffentlich gefördert werden und nicht am Tropf der Finanzen hängen.
Noch einmal wird Peipe energisch. „Alle tun so, als wäre die Armut vom Himmel gefallen“, dabei hätte Rot-Grün schließlich Hartz IV eingeführt. „Aber von 400 Euro leben zu sollen, das ist schlichtweg unmöglich.“ Ebenso, wie sich einen Laptop für 600 Euro leisten zu können, um Kindern das digitale Lernen zu ermöglichen. Was die Forderung eines dichten Netzes kostenfreier öffentlicher Daseinsvorsorge einleitet, durch die eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle möglich werden soll. Dazu zählt die Linke zum Beispiel den Öffentlichen Nahverkehr, das Musiktheater und kommunale Bäder. Peipe: „Hartz IV schädigt die Menschen und damit die Kommune, die Menschen werden regelrecht sediert und stillgelegt.“ Weshalb die Linke die Grundsicherung propagiert, „ein nicht kürzbares Existenzminimum.“
Mit Wagenknecht
Ihren Wahlkampf-Höhepunkt hat Die Linke Gelsenkirchen für Mittwoch, 9. September, beim Ordnungsamt angekündigt. Von 17 bis 19 Uhr werden dann auf dem Heinrich-König-Platz in der City der NRW-Landessprecher Christian Leye und die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht erwartet.
Ihre Themen sollen soziale Gerechtigkeit, Armut, Arbeitslosigkeit, Kinderarmut und Bildungsgerechtigkeit sein. Der Kreisverband Gelsenkirchen stellt fest, dass Masken- und Abstandspflicht sowie eine Teilnehmerbegrenzung gelten werden.
Noch eine Zahl taucht konkret auf, auf mindestens 28 Prozent soll der kommunale Anteil im Gemeindefinanzierungsgesetz wieder ansteigen, dazu zählt dann auch die grundlegende Befreiung von Altschulden, alles gegenfinanziert durch eine Vermögenssteuer („Reichensteuer“) und eine höhere Erbschaftssteuer. „Denn das fehlt den Kommunen für soziale Zwecke“, meint Martin Gatzemeier.