Gelsenkirchen-Horst. Am Morgen nach der Enthüllung schauen in Gelsenkirchen viele Neugierige bei der Lenin-Statue vorbei. MLPD bewachte Standbild die ganze Nacht.

Da steht sie nun also. Frisch lackiert im Farbton Perlgrau. Umringt von knallroten Blumengebinden. Und am Fuße liegt ein Kranz, auf dessen Schleife in goldenen Lettern neben einem Willkommensgruß noch die Botschaft prangt: „Revolutionäre Grüße aus dem Bergischen Land“. Und für die MLPD fast das Wichtigste: Die erste Nacht hat ihre Lenin-Statue, die am Samstag im Rahmen eines Festaktes enthüllt wurde, unbeschadet überstanden.

„Wir haben unseren Lenin die ganze Nacht bewacht“, sagt Jörg Weidemann aus dem Bundesvorstand der linksextremen Partei, die ihr Führungsgremium „Zentralkomitee“ nennt. Er diskutiert am Sonntagvormittag vor dem Standbild, das je nach Betrachtungsweise „Schandfleck“ oder „neuer Anziehungspunkt“ für den Stadtteil Horst ist. „Für mich ist das total übertrieben, dass so ein Bohei um die ganze Sache gemacht wird. Dadurch hat die Statue doch überhaupt erst so eine Aufmerksamkeit bekommen“, sagt Siegfried Wagner. Er wohnt seit 20 Jahren in Horst, direkt hinter dem Schloss auf der anderen Straßenseite. Am Samstag zur Enthüllung sei er dabei gewesen, erzählt Wagner. „Und heute Morgen wollte ich nur mal gucken.“

Am Sonntagmorgen schauen sich viele Schaulustige die Lenin-Statue an

Auf einer Infotafel beschreibt die MLPD die Person Lenin aus ihrer Sicht. Am Sonntagmorgen nach der Enthüllung kamen viele Neugierige nach Gelsenkirchen-Horst, um sich die Lenin-Statue einmal aus der Nähe anzuschauen.
Auf einer Infotafel beschreibt die MLPD die Person Lenin aus ihrer Sicht. Am Sonntagmorgen nach der Enthüllung kamen viele Neugierige nach Gelsenkirchen-Horst, um sich die Lenin-Statue einmal aus der Nähe anzuschauen. © Thomas Richter

Mit diesem Ansinnen ist er nicht allein. Immer wieder bleiben Radfahrer stehen, lesen die Gedenktafel, die die MLPD vor der Statue aufgestellt hat. Und dann schauen sie diesem Ende der 50er Jahre als Eisenguss gefertigten Kunstwerk ins Gesicht. „Viele wollten sich sogar mit der Statue fotografieren lassen. Und wir sind mit den meisten auch ins Gespräch gekommen“, berichtet Weidemann.

Aber natürlich wissen alle bei der Partei, dass das Thema „Schutz der Statue“ von Tag eins an die entscheidende Rolle spielen wird. Groß ist die Sorge, dass ihre für 16.000 Euro bei einem österreichischen Sammler erworbene Statue das Ziel von Vandalismus werden könnte. Zu den Sicherungsvorkehrungen der Partei gehört eine Videokamera. „Die zeichnet aber nur das Geschehen auf unserem Grund und Boden auf, nicht den öffentlichen Raum“, versichert Weidemann. Das reicht auch aus, denn die Statue steht ja bekanntlich auf einem Grundstück, das der Partei gehört.

Anwohner sollen künftig für die „soziale Kontrolle“ sorgen

Parteivorsitzende Gabi Fechtner hatte vor der Enthüllung am Samstag bei einer Pressekonferenz betont, dass sie auch auf die Anwohner setze, die rund um die zentrale Kreuzung An der Rennbahn/Schmalhorststraße/Turfstraße leben. Sie sollen als „soziale Kontrolle“ dienen und dabei helfen, dass die Statue vor nächtlichem Übergriffen geschützt wird. „Wir können ja jetzt nicht die nächsten Jahre jede Nacht eine Wache davor hinstellen“, so Fechtner.

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Ihre Partei habe zudem die Polizei gebeten, künftig vermehrt Streife im Bereich der Horster Mitte zu fahren. Darauf angesprochen, erklärte Polizeisprecher Christopher Grauwinkel, dass diese zentrale Kreuzung im Stadtteil regelmäßig von Polizeistreifen angefahren werde. Eine 24-Stunden-Überwachung des Bereiches sei den Ordnungshütern aber natürlich nicht möglich.

Polizei zieht ein positives Fazit zur Statuen-Enthüllung

In den Fenstern dieses zum Schloss Horst gehörenden Gebäudes hat die Stadt Gelsenkirchen eine unmissverständliche Nachricht hinterlassen. Unter diesem Tweet will die im Rahmen eines Online-Videoprojektes „zu kritischer Reflexion und Einordnung“ beitragen.
In den Fenstern dieses zum Schloss Horst gehörenden Gebäudes hat die Stadt Gelsenkirchen eine unmissverständliche Nachricht hinterlassen. Unter diesem Tweet will die im Rahmen eines Online-Videoprojektes „zu kritischer Reflexion und Einordnung“ beitragen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die Polizei zog bereits am Samstagabend ein positives Fazit: „Insgesamt ist es weitgehend friedlich und störungsfrei geblieben“, sagte Grauwinkel. Insgesamt sechs Strafanzeigen wurden ausgesprochen. Darunter war als schwerstes Delikt eine versuchte gefährliche Körperverletzung. Ein Teilnehmer der Enthüllungszeremonie soll laut Polizei versucht haben, eine Flasche in Richtung der rechten Gegendemonstranten zu werfen, wurde aber von eigenen Leuten daran gehindert. Zudem wurde laut Grauwinkel die verbotene Fahne einer kommunistischen Partei gezeigt und beschlagnahmt sowie mitgeführte Pyrotechnik sichergestellt und eine Sachbeschädigung angezeigt.

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Über den Tag verteilt will die MLPD 1100 Besucher gezählt haben, die Polizei kam auf 350. Genau abzählen ließen sich hingegen die Teilnehmerzahlen der beiden Gegendemonstrationen, denn der Zulauf hielt sich in überschaubarsten Grenzen. Die 20 Teilnehmer der AfD saßen quasi am „Katzentisch“, denn von ihrem Versammlungsort an der Brücke zu Schloss Horst waren sie für die Teilnehmer der Enthüllungszeremonie quasi unsichtbar. Bereits um 15 Uhr, als das Standbild noch gar nicht enthüllt war, beendete die AfD-Gruppe ihren Protest und zog von dannen.

Versammlungen waren nur 30 Meter Luftlinie voneinander entfernt

30 Personen hatte der Anmelder mobilisiert, der laut Polizei zum Spektrum der rechten Partei „Patrioten für Deutschland“ gehören soll. Diese beließen es bei Zwischenrufen. Die räumliche Nähe – Zeremonie und Gegendemo trennten nur 30 Meter und eine Polizeikette – hatte im Vorfeld für Verärgerung bei der MLPD gesorgt. Doch trotz aller Sorge erlebte der „eiserne Genosse Lenin“ am Samstag um 15.19 Uhr eine friedliche Enthüllung.